Torhüterfrage beim FC Hansa Rostock: Drei sind zwei zu viel
Die neue Drittliga-Saison ist in greifbarer Nähe und langsam rücken auch die prognostizierten Startaufstellungen in den Fokus von vielen Fußballfans. Besonders wichtig: Die Klassifizierung der Torwartriege. Wer wird Nummer 1, welcher Schlussmann zum Ersatzmann degradiert und für wen ist gar kein Platz im 18-Mann Kader. Während bei vielen Klubs die Entscheidung schon klar ist, verhält sich diese Sache bei der Hansa-Kogge aus Rostock deutlich verzwickter. Unlängst deklarierte Wolfgang Wolf, Cheftrainer des hoch ambitionierten Zweitligaabsteigers, den bisher zwischen Kevin Müller und Jörg Hahnel ausgefochtenen Zweikampf zum Dreikampf. Junioren Nationaltorwart Johannes Brinkies komplettiert den Kampf ums Hansa-Tor.
liga3-onlinde.de klärt auf, welcher Torhüter die besten Chancen auf dem Stammplatz besitzt.
Ein Auslaufmodell?
Jörg Hahnel, 30 Jahre: Der 5. April 2012 wurde zu einem besonderen Tag für Jörg Hahnel. An diesem Donnerstagabend empfing der FC Hansa Rostock den damaligen Aufstiegsaspiranten und späteren Aufsteiger aus Düsseldorf. Die in der ersten Viertelstunde einen wahren Sturmlauf aufs Rostocker Gehäuse entfesselten. Einzig und allein Jörg Hahnel, dem bärtigen Mann aus dem Erzgebirge war es zu verdanken, dass die Ostseestädter in den ersten Minuten ohne Gegentreffer blieben. Mit zahlreichen Paraden hielt der eigentliche Ersatzmann sein Team im Spiel. Eigentlich nichts Besonderes für einen Torhüter, doch für einen leidgeprüften Mann wie Hahnel war dieser Abend ein Befreiungsschlag. Von den Fans bei Trainingseinheiten verschmäht, von Peter Vollmann zu Beginn der Saison als Stammtorwart abgesägt und von vielen als Auslaufmodell betitelt. Doch all das geriet in Vergessenheit, als der 30-jährige Keeper in der 76. Spielminute auch noch einen Elfmeter von Radovan Jovanovic parierte und somit den Hanseaten endgültig den Weg zum Überraschungserfolg ebnete.
Hahnel ohne Chancen
Auch gegen Cottbus rettete die Nummer 1 den Hanseaten drei Punkte. Doch die Siegesserie der Rostocker brach und damit auch Hahnels Glück. In seinen letzten drei Saisoneinsätzen musste der Keeper noch 13 Gegentreffer schlucken. Dass Hahnel überhaupt noch im Rostocker Trikot aufläuft, ist sportlich verwunderlich. Schließlich musste sich der Keeper bereits hinter vier Torhütern anstellen. Besonders bitter: Nachdem er sich noch im Aufstiegsjahr als Stammtorhüter durchsetzte konnte, musste er sich ausgerechnet beim Neubeginn in Liga zwei hinter dem neun Jahre jüngeren Kevin Müller einreihen. Damals reagierte der Routinier nicht sonderlich professionell. In einem Interview mit einer Boulevard-Zeitung äußerte Hahnel Kritik harsche Kritik an seiner Degradierung. Auch sein Disco-Besuch mit vier weiteren Kollegen ließ ihn medial nicht sonderlich gut dastehen. Auch in diesem Sommer könnte eine schwierige Phase auf Jörg Hahnel zukommen. Zwar eroberte er durch die Verletzung von Kevin Müller zum Ende der vergangenen Saison seinen Posten als Nummer 1 zurück und konnte diesen durch gute Leistungen verteidigen, doch räumen wir ihm die geringsten Chancen auf einen Stammplatz ein. Vom potenziellen Leistungsvermögen sind Johannes Brinkies und Kevin Müller deutlich stärker einzuschätzen als der langerprobte Ersatzmann.
Ein neuer Bundesliga-Torhüter?
Johannes Brinkies, 19 Jahre: Der 1,86 große Torhüter, der im Verein den liebevollen Spitznamen „Pommes“ trägt, hatte zu Beginn der Saison noch niemand auf der Rechnung. Während die Fans zwischen den zwei Lösungen Müller und Hahnel hin und her debattierten, fiel der Name des aus Grevesmühlen stammenden Talentes nur äußerst selten. Erst Wolfgang Wolf brachte seinen Namen aktiv in die Torwartdiskussion ein. Viele regionale Journalisten sind sich einig: Johannes Brinkies hat das Potenzial zum Bundesligatorwart. Gerade auf der Linie zeigt das hanseatische Eigengewächs in den Trainings außerordentlich gute Leistungen. Auch wird ihm bescheinigt, dass er in seiner jetzigen Entwicklungsphase weiter als Kevin Müller vor zwei Jahren sei. Bei seinem 90 minütigen Testspieleinsatz gegen den dänischen Vertreter Lyngby BK (5:0) zeigte „Pommes“ eine sehr solide Leistung. Doch in der Personalie Kevin Müller liegt das Problem des 19-jährigen Mecklenburgers.
Konkurrenten sind zu stark
Bei ähnlichem Talent spielen seinem Kontrahenten die Erfahrungswerte in die Karten. Schließlich absolvierte Brinkies bislang noch kein Profispiel für den FC Hansa Rostock. Für den Stammplatz wird es deshalb nicht reichen. Dafür sind seine Konkurrenten im Tor noch zu stark. Gut möglich, dass Trainer Wolfgang Wolf vor allem aus taktischem Kalkül Brinkies in die Verlosung um den Posten als Nummer 1 brachte, umso den beiden arrivierten Schlussmännern noch mehr Druck zu machen. Für den U-18 Nationaltorhüter, der voraussichtlich bei den Amateuren der Rostocker Spielpraxis sammeln wird, ist die Saison dennoch von enormer Bedeutung. Gelingt Rostock nicht der sofortige Wiederaufstieg, wird Torhüter Kevin Müller nicht zu halten sein. Die Chance für „Pommes“, mit dem erfahrenen Jörg Hahnel als Lehrmeister im Hintergrund in den nächsten Jahren eine neue Ära im Hansa-Tor zu prägen.
Fantastische Paraden machen Müller zum Favoriten
Kevin Müller, 21 Jahre: Sein Verbleib war eine der positiven Überraschung im Vorfeld der Saisonvorbereitung. Trotz Angebote aus den beiden höchsten Spielklassen entschied sich der gebürtige Rostocker für eine Weiterbeschäftigung bei seinem Jugendverein. Der junge Familienvater, der letztes Jahr für die deutsche U-20-Nationalmannschaft auflief, ist für die meisten Fans die Wunschlösung in der Torwartdiskussion. Seine erste Saison als Stammtorhüter im Profifußball lief für den 21-jährigen allerdings durchwachsen. Meist spielte er solide und zeigt in einigen Begegnungen starke Paraden. Gegen 1860 München, beim FSV Frankfurt und in Düsseldorf lieferte er fantastische Spiele ab. Gerade seine vier Glanztaten beim 0-0 beim FSV zum Ende der Hinrunde sind immer noch in bester Erinnerung geblieben. Allerdings unterliefen dem Neffen von Hansa Ikone Martin Pieckenhagen auch einige Schnitzer. So leistete er sich einige Patzer und viele kleinere Unsicherheiten.
Keine Sorgen um die Torwartposition
Auch die Kommunikation mit seinen Vorderleuten wirkte teilweise noch ziemlich unharmonisch und vage, was allerdings in der Debütsaison als feste Nummer 1 völlig nachvollziehbar ist. Nicht zu vergessen, oft wurde der junge Torwart von seinen Abwehrmannen komplett im Stich gelassen. Sollte Kevin Müller beim Saisonauftakt gegen die Stuttgarter Kickers nicht das Tor hüten, wäre dies eine große Überraschung. Seinen Vertrag zu vergleichbar schlechten Konditionen wird er nicht für ein Reservistendasein verlängert haben. Vom Potenzial her ist Müller bereits jetzt ein gehobener Zweitliga Torsteher. Gelingt es ihm sein Leistungsvermögen konsequent abzurufen und seine Kommunikationsfähigkeiten progressiv weiterzuentwickeln, wird sich Rostock keine Sorgen um die Torwartposition machen müssen. Im Gegenteil: kein anderer Verein in Liga 3 besitzt ein dermaßen ausgeglichenes Torhütergespann.
FOTO: Sebastian Ahrens / rostock-fotos.de