Reportage: Fünf Jahre Dritte Liga – Erfolgreich in der Armut
Wenn am Freitag, dem 20. Juli die neue Drittliga-Spielzeit mit der Begegnung Arminia Bielefeld gegen Alemannia Aachen gestartet wird, feiert Deutschlands dritthöchste Spielklasse ihr erstes kleines Jubiläum. Die 2008 in die Wege geleitete eigleisige Liga geht nun bereits in ihre 5. Saison. Vor vier Jahren waren es die beiden Ost-Klubs aus Erfurt und Dresden, die das erste Spiel im neu geschaffenen Format bestreiten durften – erster Torschütze, der Dresdner Halil Savran. Die letzten fünf Jahre brachten alles mit sich, wofür der Fußball steht. Tore und Fehlschüsse, Siege und Niederlagen, Freud und Leid, Glück und Verzweiflung. Die 3. Liga ließ Träume reifen und Existenzen platzen. Sie begeisterte uns sportlich, bannte uns auf den Tribünen oder fesselte einen vor den heimischen Fernsehgeräten. Doch ist alles Gold was glänzt? liga3-online.de blickt zurück auf eine halbe Dekade Liga 3.
Ein Blick zurück & von denen die nicht Mitmachen durften
Die Regionalliga befindet sich in einem Fahrstuhl. Zugegeben, in einem Fahrstuhl der sich ziemlich langsam dem Boden nähert. Schließlich ist dieser Lift schon 48 Jahre unterwegs. Von 1964 (Gründungsjahr der Bundesliga 1963) bis 1974 fungierten die aus der Taufe gehobenen Regionalligen als Unterhaus für die höchste deutsche Serie. Unterteilt in fünf Ligen (Süd, Südwest, West, Nord und Berlin) kämpften die Regionalligisten um den Aufstieg ins Oberhaus. Die meisten Regionalliga-Titel konnten übrigens die heutigen Drittligisten aus Offenbach und Osnabrück einheimsen, die jeweils dreimal in ihren Spielklassen den Titel erstreiten konnten. Für den Aufstieg langte es bei den Niedersachsen aus Osnabrück allerdings kein einziges Mal, schließlich wurden die beiden Aufstiegsplätze erst später in zwei Aufstiegsgruppen vergeben. Nach dem Ende der Saison 1973/74 wurde die Regionalliga allerdings nicht mehr benötigt, die eingleisige 2. Liga trat ihren Siegeszug an. Erst 1994 kehrte die Regionalliga zurück, dieses Mal ein Stockwerk tiefer. 14 Jahre lange stand die Regionalliga nun für die Schwelle zum Profifußball, sie überstand Umstrukturierungen weitestgehend unbeschadet.
Die Anfänge der neuen 3. Liga
Bis zur Saison 2007/08. Mit diesem Jahr erreichte die mittlerweile zur Tradition gereifte Spielklasse erneut das nächst tiefer gelegene Stockwerk. Die „Dritte Liga“ wurde geschaffen. Die Idee für eine Umstrukturierung der Fußballligen entkeimte beim DFB im Jahr 2006. Kernprojekt: Die eingleisige 3. Liga, die in der Saison 2008/09 vom Stapel laufen sollte. Doch eigentlich begann die nächste Epoche der Drittklassigkeit schon mit der Regionalliga-Spielzeit 2007/2008. Schließlich ging es für die Klubs darum sich für Liga3 zu qualifizieren. An dieser Bürde scheiterten zwei Traditionsvereine, die bis zum heutigen Tag immer noch nicht die neue Liga kennen lernen durften. Es ist der große 1. FC Magdeburg und Rot-Weiß Essen. Der Anspruch müsste für beide Klubs 2. Bundesliga heißen, die bittere Realität: Vierte Liga – oder anders formuliert: Plauen oder Lotte. Der FCM, europäischer Titelträger und mehrfacher DDR-Meister, vermied jüngst nur aufgrund der erneuten Umstrukturierung der Regionalliga den Gang in die Oberliga. Bei den rot-weißen aus Essen sieht es nicht viel besser aus. Ein Glück das der „Boss“, Helmut Rahn die Versenkung seines Vereins nicht mehr erleben musste.
Das vorläufige Ende der Kickers aus Emden
Auf eine spannende Historie im drittklassigen Fußball können auch die Emder Fußballanhänger zurück blicken. Bereits Mitte der 90er Jahre mischten die Ostfriesen in der Regionalliga mit. Nach dem vorläufigen Abschied aus der dritthöchsten Spielklasse im Jahr 1999 feierten die Norddeutschen nach zahlreichen vergeblichen Anläufen in der Spielzeit 2004/05 die Rückkehr ins zweite Untergeschoss. Mit Platz neun in der Saison 2007/08 gelang es den Emdern sich für die eingleisige 3. Liga zu qualifizieren. Für den kleinen Verein von der Nordsee ein großer Prestigeerfolg. Doch die Probleme fingen schon vor der Saison an. Das Ostfriesland-Stadion genügte den gehobenen Ansprüchen in Liga 3 nicht. Die Kapazität von 7.200 Plätzen war zu wenig für die Richtlinien des DFBs, die ein Mindestfassungsvermögen von 10000 Plätzen (davon 2.000 Sitzplätze) vorschrieb. Eine Ausnahmegenehmigung konnte den Spielbetrieb vorerst retten und die blau gekleideten Kicker nutzten ihre Chance sportlich. Lange Zeit kämpfte die Truppe von Stefan Emmerling (heute Cheftrainer RW Erfurt) um die Aufstiegsplätze. Am Ende reichte es zwar nur für den sechsten Tabellenplatz, aber das Auftreten der Mannschaft begeisterte nichtsdestotrotz. Doch mit dieser Spielzeit endete für die Friesländer das Abenteuer 3. Liga. Die Lizensierung wurde von Seiten des DFBs aufgrund der Stadionproblematik verweigert, Emden versank in den Niederrungen des Fußballs, eine Region verlor ihren sportlichen Leuchtturm.
Das Beispiel Rot Weiss Ahlen
Doch Emden ist nicht das einzige Beispiel für die Schattenflächen in der 3. Liga. Auch Rot Weiss Ahlen konnte die pekuniären Erfordernisse für die eingleisige 3. Liga nicht meistern. Die Ahlener, die ihre fußballerische Hochphase noch unter den Namen LR Ahlen in der 2. Bundesliga erlebten, verschwanden ebenfalls von der Bildfläche des Profigeschäftes. Viele weitere Vereine, unter anderen die renommierten Bundesliga-Veteranen aus Aachen, Rostock und Bielefeld standen aufgrund des schweren finanziellen Fahrwassers in Liga 3 schon vor dem Untergang. Nur wenige Drittligisten können mit einem ruhigen Gewissen in die alljährliche Lizenzvergabe gehen.
Wirtschaftlich ein Problemkind
Vor allem für die Absteiger aus der 2. Bundesliga ist der Absturz in die Spielklasse gefährlich. Die Fernsehgelder sind mindestens 5-mal so hoch als in Liga 3, auch die Sponsoring-Einnahmen sinken zwangsläufig. Gerade für die „großen Klubs“ ein Horrorszenario, schließlich ist die Vereinsstruktur nicht auf ein Wirtschaften auf diesem finanzschwachen Niveau ausgelegt. Die Gelder, gerade aus dem Segment des Pay-TV, fehlen an allen Ecken und Kanten. Für die 3. Liga als Markt-Model sind aber gerade die Absteiger aus der 2. Bundesliga von entscheidender Bedeutung. Die Attraktivität der Neuankömmlinge wirkt sich für jeden Klub der Spielklasse aus. Belegen lässt sich diese These unter anderen an der Zuschauerstatistik.
Spielzeit | Zuschauer | Zuschauerdurchschnitt |
2011/12 | 1.737.336 | 4.572 |
2010/11 | 2.125.282 | 5.593 |
2009/10 | 1.951.798 | 5.136 |
2008/09 | 2.136.196 | 5.622 |
Wie sich aus der tabellarischen Darstellung entnehmen lässt, hat die 3. Liga ihr schwächstes Jahr in Sachen Besucherzahlen hinten sich. Rund 1.000 Zuschauer strömten im Vergleich zum Vorjahr pro Wochenende weniger in die Stadien. Selbst in der letzten Regionalliga Nord Saison (2007/08) kamen mehr (ca. 5.400) Zuschauer zu den Spielen. Die einfache Begründung: Mit Eintracht Braunschweig, Hansa Rostock und Dynamo Dresden stiegen die lukrativsten und zuschauerkräftigsten Klubs auf. Nicht nur deren Heimspiele mit über 15000 Zuschauern im Durchschnitt sorgten für die positive Statistik, auch die Auswärtsbesuche mit unzähligen mitgereisten Anhängern sorgte für einen akzeptablen Wert. Finanziell profitieren alle Vereine davon. Dass die Besucherzahlen am Ende doch nicht um 20 % sanken, war den Aufsteigern aus Chemnitz und Münster sowie den Absteigern Bielefeld und Osnabrück zu verdanken, die den Zuschauerrückgang ein wenig kaschieren konnten.
Optimistisch in die neue Saison
Optimistisch lauten hingegen die Prognosen für die kommende Spielzeit. Mit Aachen, Karlsruhe und Rostock und Aufsteiger Halle bereichern vier Klubs mit großer Fanbasis die Liga. Der Bestwert aus dem Jahr 2009 ist angreifbar. Ebenfalls Besorgniserregend sind die derzeitigen Transferentwicklungen: die Transfereinnahmen der 3. Liga Vertreter sinken progressiv. Resultierend daraus, dass die wirtschaftliche Kraft der Vereine nicht ausreicht, den hoffnungsvollen Talenten langfristige Verträge schmackhaft machen zu können. Die Folge: Fast alle Spieler wechseln Ablösefrei in höhere Ligen.
Spielzeit | Transfereinnahmen | Transferausgaben | Transferbilanz | |
08/09 | 4.160.000 € | 915.000 € | +3.245.000 € | |
09/10 | 1.330.000 € | 110.000 € | +1.220.000 € | |
10/11 | 2.090.000 € | 705.000 € | +1.385.000 € | |
11/12 | 1.080.000 € | 115.000 € | +965.000 € |
Quelle: transfermarkt.de
Die monetären Probleme der Klubs werden durch einen weiteren Umstand verschärft. Der Geographie. Während zu den alten Regionalligazeiten die Wege zu den Spielen verhältnismäßig kurz waren und Hotelübernachtungen nur selten eine sinnvolle Alternative darstellten, hat sich dieser Sachverhalt seit der Regionalligazusammenführung schlagartig verändert. Lange Busfahrten sind nicht nur ermüdend, sondern auch kostenintensiv. Gerade in Zeiten, in dem die Reisekosten in die Höhe schießen. Auch haben die Süd-Klubs ein weiteres Problem. Das passende Umfeld. Für Klubs wie Burghausen oder Unterhaching ist die lokale Konkurrenz einfach zu groß. Anziehend auf Zuschauer wirken die sympathischen Vereine schon lange nicht mehr. Die Ost-Teams leiden wiederrum darunter, dass Vereine wie Heidenheim oder Darmstadt keine größere Zuschauerresonanz bei Heimspielen versprechen.
Sportlich über jeden Zweifel erhaben
Sportlich hat die 3. Liga allerdings die meisten Versprechen erfüllt. Die Liga ist spannend und hat im Vergleich zu alten Zeiten ein viel höheres Leistungsvolumen. Bedenkt man, dass mit Alemannia Aachen, dem Karlsruher SC, Hansa Rostock und Arminia Bielefeld vier Klubs drittklassig spielen, die vor einigen Jahren noch in der 1. Bundesliga spielten, ist das sehr beachtlich. Um den Aufstieg spielen in der Regel fünf bis acht Teams mit, die restlichen Klubs sind zumindest teilweise im Abstiegskampf involviert. Auch die wundersamen Geschichten des Fußballs blieben nicht aus. Das Dresdner Aufstiegswunder oder die jüngst vollbrachte Heldentat der heroischen Regensburger. Als großes Highlight hat sich die Relegation herauskristallisiert. Die Aufmerksamkeit für die Begegnungen ist beachtlich und die Relegation lief bisher ausgesprochen erfolgreich. Schließlich behielt bisher immer der Drittliga-Vertreter die Oberhand. Ein weiterer Beleg für die Leistungsstärke in der 3. Liga. Für Hans-Jürgen Boysen war dies übrigens schon im Januar 2009 klar: “Die Dritte Liga ist sportlich ein Gewinn für den Profifußball und hat in der Spitze fast Zweitliga-Niveau“, so der damalige Trainer der Offenbacher Kickers in einem Interview.
Problemzone Stadion
Sportlich hat die Liga alles gehalten, doch das ändert nichts an der Ohnmacht des DFBs. Ein Verband, der auch von der Jugendförderung der Drittligisten profitiert. Der für Fußball-Millionäre sagenhaften Siegesprämien ausloben kann, aber es nicht schafft, die 3. Liga freundlicher für die Vereine zu gestalten. Man muss sich fragen, warum der Verband einem Verein die Lizenz entzieht, nur weil die Stadion-Kapazität nicht für 10.000 Fans ausreicht. Vor allem wenn man in Betracht zieht, dass Vereine wie der FSV Frankfurt oder der 1. FC Ingolstadt oftmals nicht mehr als 6.000 Besucher in der 2. Bundesliga zählen. Dass bei einem Zuschauerdurchschnitt von ca. 5.000 Fans ein Stadion mit einer Kapazität von 10.000 Plätzen erwartet wird, ist zugegeben ein bisschen skurril. Auch gilt es in Zukunft die Verteilung der Medienrechte zu überdenken. Zu groß sind die Diskrepanzen zwischen den Vereinen. Natürlich haben auch kleinere Vereine ein Recht auf eine faire finanzielle Entlohnung, doch wäre eine Einführung eines Verteilungsschlüssels aufgrund eines Leistungsquotienten empfehlenswert. Doch steht es außer Frage, das Vereine, die von mehr Menschen gesehen werden wollen, die höhere Unterhaltungskosten für ihre strukturellen Bedingungen (Stadion, Jugendarbeit) aufwenden, stärker entlohnt werden. Am Ende bleibt nicht mehr viel zu sagen. Gott sei Dank rollt der Ball bald wieder. Wir danken der 3.Liga für vier Spielzeiten voller Dramatik und freuen uns vor allem auf die nächste Spielzeit.