Schiedsrichter in der Kritik: Einmal aufregen, bitte!

Wieder stehen die Unparteiischen in der Kritik. In der 3. Liga hat es schon nach den ersten vier Spieltagen einige schwere Fehlentscheidungen gegeben – es ist die einzig verbliebene deutsche Profiliga, die (ohne Videobeweis ausgestattet) mit derart vielen kniffligen oder gar falschen Pfiffen leben muss. Für einige Vereine bietet das ein Ventil zum Frustabbau. Ist das der richtige Weg?

Handschlag verweigert: Darf nicht passieren

Zwickau spielt gegen Jena, die Begegnung ist soeben abgepfiffen worden. Carl Zeiss hat verloren, mal wieder. Vier Spiele in Folge ohne einen Punkt, das bedeutet den letzten Platz und viel Frust. Einige Akteure der Thüringer trotten mit hängenden Köpfen vom Feld, andere machen sich auf den Weg zu Schiedsrichter Michael Bacher. Die Lippen bewegen sich, ein Handschlag mit dem Spielleiter wird erwartet – der aber ignoriert die Geste bewusst, verschränkt sich. Er demonstriert: Nein, ich möchte nicht. Später wird Lukas Kwasniok, Trainer der Sieglosen, dies im Rahmen einer Generalabrechnung kritisieren.

Tatsächlich ist es ungewöhnlich und fragwürdig, warum Bacher in diesem Moment offenkundig die Souveränität verloren hat. Eigentlich darf ihm das nicht passieren, wie auch liga3-online.de-Experte Babak Rafati deutlich macht: "Wir hören zwar nicht, was Günther-Schmidt dem Schiedsrichter in dieser Szene sagt. Aber unabhängig davon darf so etwas natürlich nicht passieren. Nach dem Spiel gibt man sich die Hand und geht vernünftig auseinander. Das hat etwas mit Respekt und Anstand zu tun und ist mit nichts, was vorher passiert sein könnte, zu entschuldigen." Der verweigerte Handschlag zeigt in Rafatis Augen "unverkennbar die Defizite im Verhältnis zwischen den Schiedsrichtern und übrigen Beteiligten auf." Zudem spricht der ehemalige FIFA-Schiedsrichter in diesem Zusammenhang von einer "sehr negativen Entwicklung im Profifußball", bei der "unbedingt Handlungsbedarf" bestehe.

Heißsporne müssen herunterfahren

Allerdings, und das kann jeder von Bachers Kollegen aus dem Amateurklassen von Flensburg bis Füssen bestätigen, wird auf ihn während der 90 hektischen Minuten auch einiges eingeprasselt sein. Ob Spieler, Trainer oder Betreuer – entsteht Wut oder Frust, wird dieser oft über den Unparteiischen kanalisiert. Seine guten Manieren vergisst so mancher Profi und Coach dann rasch, die Vorbildfunktion sowieso. Wie Rumpelstilzchen wird an der Seitenlinie bei simplen Freistoßentscheidungen getobt und Kicker, die als "Mentalitätsspieler" gefeiert werden, drücken in Form eines prähistorischen Machtkampfes nach energischen Zweikämpfen ihre Stirn gegeneinander, schubsen sich herum. Albern und unnötig.

Auffällig ist: Die Anzahl an persönlichen Strafen, sprich Karten, gegen Trainer und Betreuer ist an den ersten Spieltagen hoch. Mit Silvio Bankert (Co-Trainer Magdeburg; Rot), Danny König (Co-Trainer FSV Zwickau; Rot), Michael Henke (Sportdirektor FC Ingolstadt, Rot), Christian Neidhart (Trainer Meppen; Gelb), Heiko Vogel (Trainer Uerdingen; Gelb) sowie Lukas Kwasniok (Trainer Jena, Gelb) hat es bereits sechs Offizielle erwischt. Kritiker werden nun argumentieren, dass die Schiedsrichter ihr neues Machtinstrument sogleich ausnutzen und dabei womöglich einen zu peniblen, zu strengen Ansatz verfolgen.

Aus der Perspektive der Referees sieht das anders aus, ihnen kommen die erweiterten Befugnisse entgegen. Bislang waren die Entscheidungsmöglichkeiten begrenzt: Die Ermahnung auf der einen Seite stand dem sofortigen Verweis aus dem Innenraum entgegen – eine Folgestrafe war zudem nur für besonders schwere Vergehen vorgesehen. Nun sind insbesondere die Heißsporne an der Seitenlinie zur Besonnenheit aufgefordert. Bleibt zu hoffen, dass in den kommenden Wochen ein Lerneffekt einsetzt und die Kartenflut abebbt.

Schon 19 Fehlentscheidungen

Wie so oft hat die Medaille aber zwei Seiten. Denn neben einigen krassen Aussetzern der Profis – allein am vierten Spieltag fiel nach schweren Fehlern eine Handvoll äußerst kurioser Treffer – bieten letztlich auch die Unparteiischen mit bislang nicht durchweg überzeugenden Leistungen unnötige Angriffsfläche. 19 fragwürdige (teils ausbleibende) Pfiffe hat unser Experte Babak Rafati allein an den ersten vier Spieltagen als Fehlentscheidung beurteilt, allein am gerade absolvierten vierten Spieltag gab es 16 strittige Szenen.

Kurzum: An der vertrackten Gemengelage zwischen Profis, Schiris und Fans haben in der 3. Liga verschiedene Akteure ihren Anteil. Ein Zustand, mit dem man sich anfreunden muss, haben doch die höheren Spielklassen unfreiwillig eindeutig gezeigt, dass selbst ein Videobeweis die gefühlte Gerechtigkeit bislang nicht spürbar erhöhen konnte.

   

Das könnte Sie auch interessieren

Auch interessant

Back to top button