Kölner Vereine in der Regionalliga: Kölscher Klüngel und Visionen

Ohne Frage ist in Köln die Beziehung zum Sport im Allgemeinen und zum Fußball im Speziellen eine ganz besondere. In kaum einer anderen Stadt Deutschlands wird der Fußball so intensiv gelebt wie in der Domstadtmetropole im Rheinland. Der ruhmreiche 1. FC Köln ist omnipräsent und zieht die Aufmerksamkeit in großem Maße auf sich. Der Traditionsklub und erste Bundesliga-Meister trägt den Puls der gesamten Stadt, so scheint es. Im Hintergrund gibt es jedoch mit den Stadtrivalen Fortuna Köln und Viktoria Köln zwei äußerst interessante, wie ambitionierte Vereine in der Regionalliga West. Als dritter Kölner Klub gesellt sich der 1. FC Köln II hinzu, der ebenfalls hohe Ziele verfolgt.

Perspektive kontra Erfolg

In der neuen Regionalliga West gibt es brisante Derbies zwischen diesen drei Kölner Vereinen, die die gleichen Ziele, aber dennoch eine völlig unterschiedliche Vereinsphilosophie haben. Während es beim 1. FC Köln primär darum geht, möglichst viele Talente aus der eigenen Jugend für die Profis zu entwickeln, bauen die aufstrebenden Vereine Viktoria und Fortuna vermehrt auf erfahrene Ex-Profis, die sehr schnell Erfolg in die Südstadt (Fortuna) und nach Höhenhaus (Viktoria) bringen sollen. Denn möglichst bald möchte man in der viertgrößten Stadt Deutschlands eine zweite Mannschaft im Profifußball begrüßen.

Kölnisch Wasser 4711 als Sponsor

Viktoria Köln ist über all die Jahre stets ein angesehener Verein innerhalb von Köln gewesen. Durch finanzielle Misswirtschaft hat der traditionsreiche Verein jedoch sportlich in der jüngeren Vergangenheit keine größere Rolle gespielt und befand sich meist in den oberen Amateurligen. Bundesweite Berühmtheit erlangte der Verein jedoch, als publik wurde, dass mit Ferdinand Mühlens und der Gruppe 4711 (Parfüm) zahlungskräftige Gönner den Verein unterstützen. Immerhin konnte Ende der 70er Jahre für mehrere Jahre in der zweigleisigen 2. Bundesliga agiert werden. Danach fristete der SC Viktoria 04 Köln jedoch jahrzehntelang ein trostloses Dasein in den Niederungen des Amateurfußballs.

Wernze als finanzkräftiger Präsident

Der Schatten des mächtigen 1. FC Köln war zu groß, um die Sponsoreneinnahmen zu ermöglichen, die für eine schlagkräftige Mannschaft gesorgt hätten. Nach mehreren Umbenennungen war der 22. Juni 2010 ein ganz besonderer Tag in der Vereinsgeschichte der Viktoria, denn an diesem Sommertag wurde mit dem FC Viktoria 04 der Nachfolgeverein ins Leben gerufen. Der FC Junkersdorf wurde am 24. Februar 2011 in den Verein aufgenommen, nachdem die Seniorenabteilung des Kölner Vorstadtvereins ausgegliedert worden ist. Zuletzt hatte sich der Unternehmer Franz-Josef Wernze beim interessanten Kölner Verein finanziell maßgeblich engagiert, nachdem er beim „großen Nachbarn“ 1. FC Köln nicht unbedingt willkommen geheißen wurde.

Auch Cousin von Gattuso spielt mit

Dem rechtsrheinischen Kölner Verein ist der direkte Durchmarsch bis in die viertklassige Regionalliga West gelungen, nachdem verschiedene Sponsoren eine schlagkräftige Mannschaft zusammenstellen konnten. Einer aus dieser hoffnungsvollen Mannschaft ist ohne Frage Rechtsverteidiger Cataldo Cozza, der als Cousin des ehemaligen italienischen Weltmeisters Gennaro Gattuso Berühmtheit erlangt hat. Von Eintracht Trier wechselte der technisch starke Halb-Italiener zur Viktoria. Bei der Eintracht hat er mit 2935 Spielminuten die längste Einsatzzeit aller Feldspieler vorweisen können.

Aufstiegskandidat Viktoria

Nicht nur wegen dieser neuesten Transferentscheidung sind sich die Fachleute einig, dass Viktoria Köln ein ganz heißer Kandidat für den Aufstieg in die 3. Liga ist. Grund dafür sind vor allem auch die finanziellen Mittel, die durch den Gönner Wernze möglich gemacht worden sind. Mehrere hundert Millionen Euro hat der Unternehmer angeblich auf seinem Konto und erlangte bundesweite Berühmtheit, als er den Transfer von Lukas Podolski zum 1. FC Köln ermöglicht hat.

Außergewöhnliche Spieler

Der Geldbeutel beim Verein in der Nähe der Merheimer Heide ist groß, genauso wie die sportlichen Ambitionen. Wer den Kader betrachtet, dem fällt auf, dass eine Reihe von hochkarätigen Spielern im Kader des Aufsteigers stehen, die auch schon höherklassig gekickt haben. Darunter ist mit dem ehemaligen FSV Frankfurt-Kicker Mike Wunderlich ein Spielmacher, der nach einem Burn-Out-Erschöpfungssyndrom wieder in heimatlichen Gefilden kicken wollte. Nach dem langen Transferhickhack mit dem Zweitligisten aus der Bankenmetropole konnten nun Viktoria-Boss Günter Pütz und Mäzen Wernze klarstellen: „Mike bleibt ein Viktorianer.“ Sie fügten hinzu: „Diese Entscheidung wird wohl vor allem bei Mike selbst für Erleichterung sorgen und zu seiner Genesung beitragen können“, so die Hoffnungen in Richtung des Vikoria-Kapitäns.

Auch Ex-FC-Kapitän Alex Voigt im Kader

Ebenfalls in die Heimat zurückkehren wollte auch der ehemalige FC-Profi Alexander Voigt, der für die notwendige Routine sorgen soll. Auch Christian Schlösser, der von Sportfreunde Lotte kam und Aziz Bouhaddouz, den man vom Drittligisten Wehen-Wiesbaden verpflichten konnte, sind absolute Spitzenspieler für diese Spielklasse. Für rund 1,5 Millionen Euro wird das Stadion Höhenberg sogar Zweitliga-Ansprüchen gerecht. In einem jüngsten Testspiel konnte sogar Zweitligist Erzgebirge Aue mit 3:1 geschlagen werden.

liga3-online.de – Saisonprognose Viktoria Köln

Diesem Team ist alles zuzutrauen. Viktoria hat die perfekte Mischung aus Erfahrung und talentierten Akteuren. Mit Trainer Heiko Scholz zudem einen akribischen Arbeiter, der seine Fähigkeiten zuletzt eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Zudem gibt es finanziellen Spielraum durch Viktoria-Boss Wernze.

Alleinherrscher Jean Löring

Bei Fortuna Köln sind die Finanzen nicht ganz so rosig, aber die Zeiten eines großen, allmächtigen Mäzens liegen beim Kölner Südstadt-Verein auch noch nicht allzu lange zurück. Unter Jean Löring, der als Elektrikermeister eine große Firma aufbaute und große Fußballstars mit seinem Privatkapital gefördert hat, erlebte die Fortuna die sportlich besten Zeiten in seiner wechselvollen Vereinshistorie. Von 1974 bis 2000 spielte der Klub aus dem Südstadion 26 Jahre in der 2. Bundesliga und belegt noch heute in der ewigen Tabelle dieser Spielklasse einen der vorderen Plätze. Der größte Erfolg war unweigerlich der Aufstieg in die Bundesliga 1973 und vor allem der Einzug in das DFB-Pokalfinale 1983, wo als spielbestimmende Mannschaft gegen den Stadtrivalen 1. FC Köln letztlich unglücklich 0:1 verloren worden ist. Bundesweit traurige Berühmtheit erlangte dieser Kultverein jedoch auch, als der narzistische Löring in der Halbzeitpause seinen Trainer Toni Schumacher entlassen hat, der jahrelang im Tor des 1. FC Köln gestanden hat. Bis heute war diese Entlassung eine einmalige Aktion in der Historie des deutschen Profifußballs.

Mitbestimmende Mitglieder

Der Rückschlag von Löring war gleichbedeutend mit dem sportlichen Niedergang des Traditionsvereins bis in die Tiefen des Amateurfußballs. Am 3. April 2008 gab es etwas fast schon Revolutionäres, als unter dem Projekt „deinfußballclub.de“ DFC GmbH unter der Schirmherrschaft von Filmregisseur Sönke Wortmann die Fans mitbestimmen sollten. Für einen Jahresbeitrag in Höhe von 39,95 Euro sollte den Mitgliedern ein Mitbestimmungsrecht bei Transfers, Abschlüssen von Freundschaftsspielen, Trikotfarben, dem Merchandising und anderen vereinsinternen Belangen eingeräumt werden. Im Oktober 2009 sind 10.500 Zuschauer bei diesem Projekt registriert worden. Die Fortuna verfügt nicht über zahlreiche, aber dafür extrem treue Fans, die auch in den unterklassigen Ligen ihren „Herzensverein“ lautstark unterstützt haben. Somit sind mehr als 180.000 Euro pro Jahr in die einst ruhmreiche Mannschaft des SC Fortuna Köln geflossen. Die PR-Werbung war unbezahlbar. Im Januar 2012 lief diese Aktion jedoch aus und ein Investor hat den finanziellen Verlust aufgefangen.

„Wir wollen unter die ersten fünf“

Nun möchte sich der jetzige Viertligist, der sich sportlich und wirtschaftlich gefangen hat, möglichst ambitionierte Ziele setzen, da man weiß, dass das Potential durchaus vorhanden ist. Fortunen-Trainer Uwe Koschinat formuliert gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ das Ziel für die kommende Saison: „Wir wollen unter die ersten fünf. Dieses Ziel ist zwar ehrgeizig, aber mit der Zusammenstellung der Mannschaft absolut möglich. An den Erwartungshaltungen sieht man, dass die Fortuna ein Traditionsverein ist, der sich im Profibereich sieht und nicht in den Niederungen des Amateurfußballs. Das deckt sich auch mit meinem Anspruch, als Trainer möglichst hochklassig zu arbeiten.“

Verein soll kein Spielball sein

Der Druck ist in einer Medienstadt wie Köln enorm, dass sich die nun wieder zahlreicher erscheinenden Sponsoren und Investoren zurückziehen, wenn sportliche Erfolge ausbleiben. Das Ziel muss ganz klar Aufstieg lauten, denn die Bedingungen in der Südstadt sind gut, sodass die 3. Liga als mittelfristiges Ziel angestrebt werden sollte. Dazu Koschinat: „So viele Gedanken über die Zukunft mache ich mir nicht, dafür bin ich zu sehr im Hier und Jetzt. Ich bin auch nicht in der Geschäftsführung tätig. Aber wenn ich es nur als Fortuna-Fan betrachte, würde ich mir mit Sicherheit Gedanken darüber machen. Jedoch vertraue ich den handelnden Menschen, dass sie den Verein nicht als eine Art Spielball behandeln.“

„Derbys sind das Salz in der Suppe“

Es ist offensichtlich, dass aufgrund der zahlreichen Traditionsvereine die Regionalliga West ihren ganz besonderen Reiz ausübt. Dazu hat auch der SCF-Trainer eine eigene Meinung: „Es gibt viele Derbys, es spielen drei Kölner Vereine in einer Liga. Das ist das Salz in der Suppe. Dazu wird es nicht Dutzende Freundschaftsspiele geben, wie in der vergangenen Saison. Da gab es viele Heimspiele, wo sich der Gegner sicherlich nicht bis aufs letzte gewehrt hat. Das wird nun völlig anders sein, denn sechs Teams steigen ab. Von Anfang an werden einige Vereine nur um den Klassenerhalt und somit um jeden Millimeter kämpfen.“

liga3-online.de – Saisonprognose Fortuna Köln

Der SC Fortuna Köln hat als Traditionsverein naturgemäß eine hohe Erwartungshaltung. Diese kann er jedoch auch gerecht werden, denn sowohl Trainer Koschinat als auch der Kader haben die Fähigkeiten, um in den Aufstiegskampf mit einzugreifen. Einige Kölner Akteure haben schon höherklassig gespielt und besitzen die spielerischen und mentalen Mittel, um die Fortuna in die Spitzengruppe der Regionalliga West zu führen.

Tolle Nachwuchsspieler

Der dritte Kölner Verein, der das Trio in der Regionalliga West komplettiert, ist der 1. FC Köln II, der als Reserveteam des ruhm- und traditionsreichen Zweitligisten fungiert. Besonders in den 70er und 80er Jahren hat man in der dritthöchsten Spielklasse spielen können und diente als Unterbau für die damals so erfolgreiche Profimannschaft. Zuletzt jedoch fristete man meist ein Dasein in der Viertklassigkeit, weil konzeptionelle Fehler gemacht wurden. Auch wenn es sicherlich mit Akteuren wie Lukas Podolski oder auch aktuell mit Christian Clemens einige Akteure gegeben hat, die den Sprung zu den Profis geschafft haben, so muss kritisch konstatiert werden, dass die Durchlässigkeit nicht mehr so gegeben war, wie in der Vergangenheit. Die Jugendabteilung gehört nämlich nach wie vor zu den Besten in ganz Deutschland.

Höhere Durchlässigkeit

Fehler im Management gaben jedoch häufig alternden Legionären den Vorzug, sodass viele FC-Talente den Verein verlassen haben, um anderweitig Erfolg zu suchen. Derzeit firmiert der 1. FC Köln II auch unter dem Namen U21, da man sich nun zum Ziel gesetzt hat, dass man wegen den finanziellen Problemen möglichst viele Akteure für die Profimannschaft ausbilden kann. Das genießt ganz klar Priorität, auch das Team um Trainer Dirk Lottner hätte gegen einen möglichen Aufstieg sicherlich nichts einzuwenden. Eine Tendenz ist auch häufig erkennbar, dass Trainer der Reservetruppe regelmäßig eine Chance als Profitrainer erhalten, ob Christoph Daum oder zuletzt Frank Schäfer. Das Thema Identifikation spielt hierbei sicherlich eine ganz besondere Rolle.

Starke Verjüngung im Team

Die „Zweite“ trägt ihre Heimspiele im 1971 eröffneten und 2005 renovierten Franz-Kremer Stadion aus. Das Stadion wurde nach dem ersten Vereinspräsidenten des 1. FC Köln benannt. Rund 5.400 Zuschauer finden in dieser kleinen, aber feinen Arena Platz. Häufig tummeln sich auch einige Scouts unter dem Publikum, da die hoffnungsvollen Talente bei den FC-Youngstern zahlreich sind. Jugendkoordinator Stephan Engels zum „neuen Team“: Wir haben uns bewusst für eine starke Verjüngung entschieden. Wir sind noch an ein, zwei externen Spielern dran, aber da müssen wir abwarten.“ Zukünftig ist jedoch geplant, dass es eine bessere Vernetzung zwischen Nachwuchs- und Lizenzabteilung geben wird, da dies auch die finanziellen und moralischen Zwänge so fordern. Als Problem erweist sich jedoch die nur mäßige Zuschauerresonanz bei den Heimspielen. Man fristet ein Schattendasein, was auch medial deutlich zu beobachten ist.

liga3-online.de – Saisonprognose 1. FC Köln II

Es ist ein offenes Geheimnis, dass der 1. FC Köln II über eine ausgezeichnete Jugendarbeit verfügt und die Früchte im Reserveteam ertragreich sein können. Das bedeutet, dass spielerisch und taktisch dieses Team mit allen Mannschaften in der 4. Liga mithalten kann. Dies hat es schon in der letzten Spielzeit eindrucksvoll beweisen können. Die Frage bleibt nur, wie der fähige Trainer Dirk Lottner seine Truppe auf die aufkommende Drucksituation einstellen kann. Viele neue, aber auch wichtige Erfahrungen werden die Derbys gegen Viktoria und Fortuna sein. Es ist alles möglich, wenn die Nerven mitspielen.

   

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