Eine außergewöhnliche Geschichte – Ruhe in Frieden Jacci

Fans, das sind Anhänger einer Sache. Fußballfans stehen zu ihrem Verein. Ein Fußballverein ist immer ein Stück Heimat und er ermöglicht Menschen, die nicht mehr an ihren Wurzeln wohnen, auch in der Ferne die Heimat zu spüren. Wenn ein Mensch dann in der Ferne unerwartet und ganz plötzlich viel zu früh verstirbt, dann wünscht man sich den Menschen wenigstens in seine Nähe. Wenn der Mensch dann auch noch den Wunsch geäußert hat, endlich wieder nach Hause zurückzukehren, dann bemüht man sich umso mehr, den letzten Wunsch zu erfüllen. Verständlich. Wenigstens zum, wenn auch traurigen Ende, muss es ein Happy-End geben.  Gestern gab es ein Happy-End in Rostock. Was war passiert?

 Hansa-Herz und blau-weiße Seele

Anfang Juli erreichte uns die traurige Nachricht, dass unsere ehemalige liga3-online.de-Kollegin Jacci Koller plötzlich verstorben ist. Jacci lebte Fußball, sie hatte das oftmals betitelte „Hansa-Herz“, ihre Seele war weiß-blau, Hanseatin durch und durch. Als aktives Mitglied in diversen Fanclubs war sie mittendrin statt nur dabei. Mit ihrer dynamischen Art schaffte sie es, Leute mitzureißen, marschierte voran, eckte an, war unbequem aber blieb doch immer sie selbst. Kompromisslos, offen, ehrlich..

Verstorben und Gefangen, fernab der Heimat

„Ich erinnere mich, wie sie vor dem Stadion Andrea Pannewitz, der Mama von Kevin, die Ehrenmitgliedschaftsurkunde für einen Berliner Fanclub überreichte. Zunächst nervös wie ein Teenie, dann explodierend wie ein Vulkan weil die Blumen nicht auffindbar waren und letztlich jeden Umstehenden herzend und drückend nachdem alles erledigt war. Seit diesem Tag hatten wir regelmäßig Kontakt, um uns über unseren Verein auszutauschen. In fast jeder zweiten Nachricht bedauerte sie, dass sie beruflich in Dresden „so fern der Heimat festhängt“ Dieser Kontakt brach urplötzlich im Mai ab. Emails blieben unbeantwortet. Beim Handy ging nur die Mailbox an. So vergingen die Wochen und die Sorge um sie wurde größer. Anfang Juli dann die unfassbare Nachricht. Jacci ist tot. Jacci, die eben noch mit ihrer typisch rauchigen Lache den Abstieg einfach ignoriert hatte. Jacci, die irgendwie bei ihrem F.C. Hansa als ehrenamtliche Mitarbeiterin unterkommen wollte. Jacci, die unbedingt wieder zurück wollte nach Rostock. Unbedingt!“, beschreibt HansaFanRadio-Kommentator Arvid Langschwager, was geschehen ist, bevor eine eindrucksvolle Geschichte ihren Lauf nahm

 Spendenaufruf, Ziel 3.500 Euro – unmöglich?

Arvid bekommt eine Nachricht von Tanja, einer guten Freundin von Jacci. Sie schreibt: „Arvid, wir haben mit verschiedenen Ämtern, Behörden und Bestattungsunternehmen gesprochen. Für eine Überführung und Beisetzung in Rostock benötigen wir 3.500€. Können wir da einen Spendenaufruf starten?“ 3.500€ eigentlich im Vergleich zu einem Menschenleben nichts, doch für die Familie und Freunde verständlicherweise eine große und schwere Last. Auch der Fanradio-Moderator ist skeptisch: „3500€? Für die Überführung und Beerdigung von einem Menschen, den im Prinzip nur Wenige persönlich kennengelernt haben? In 2-3 Wochen? Nicht machbar! Tanja, sorry, aber die Fans haben die letzten Wochen und Monate schon so viel für den Verein geblutet, die Geldbörsen sind leer.“ Es ist klar, was Arvid meint: Die Fans haben ihren Verein in der letzten Zeit mit Aktionen wie „3>2>1 für den Erfolg des Vereins“, der Fananleihe oder Spenden im Zuge von „Ja zum F.C.H.“  mit ihrem Geld gewissermaßen gerettet. Tanja möchte ihrer Freundin aber unbedingt deren letzten Wunsch erfüllen und ist im Notfall auch bereit, sich dafür zu verschulden. Das lehnt Arvid ab und sichert seine Unterstützung zu. Sie wollen es versuchen.

Alle zusammen, jeder, was er kann!

Was dann kommt, überrascht alle. Es summiert sich auf, denn viele beteiligen sich: Ob ein paar Münzen, ein Schein, online oftmals 19,65€, zwei Scheine, ein Junge mit seinem Sparschwein, ein Umschlag, ein paar Münzen… Selbst die „Flaschensammler“ beteiligten sich. Der Spendenaufruf wurde auch im Zuge des HansaFanTV-Formates „HansaTV-Schnackwürfel“ nochmals für die Öffentlichkeit präsentiert. In der Folge dann eine Szene, die ans Herz geht. Arvid beschreibt sie im Nachhinein: „Einer von diesen armen Jungs (und die sind wirklich arm!) schaute aus einiger Entfernung unserem Treiben am Schnackwürfel zu, um kurz darauf wortlos ein 2 oder 5 Centstück (genau konnte ich es nicht erkennen) in die Spendenbox zu werfen. Ein Augenblick, der so unwirklich schien, dass ich ihn sicher nie vergessen werde in meinem Leben.“ Er hat recht. Es ist ein Ausrufezeichen. Ein Beitrag, der Hochachtung verdient. Es kam immer mehr Geld zusammen, am gestrigen Dienstag lief dann die vom Bestatter gesetzte Frist aus. Spendenstand: 3.003,25€. Soviel Geld, so kurz vor dem Ziel. Fast wäre es vollbracht…aber leider nur fast. Was dann folgt, macht das moderne Wunder perfekt.

Ein Wunder, das einfach glücklich macht 

Arvids Handy klingelt. Rufnummer unbekannt. Er  hat doch Urlaub. „Hallo?“
„Hallo Arvid. Mein Name ist ….. Ich habe die Aktion jetzt eine Weile verfolgt. Wie ist der aktuelle Stand?“

„3003,25€“

„OK. Ihr könnt die Sammlung beenden. Ich werde die Summe auf 3.500€ aufstocken. Die Einzige Bedingung, die ich stelle, ist, dass mein Name nicht erwähnt wird. Ich mache das für Jacci und damit auch stellvertretend für alle Hansafans, die die letzte Zeit ihr letztes Hemd für Hansa gegeben haben. Dem kleinen Mann auf der Straße, dem muss man auch mal was zurückgeben, ihm zeigen, dass er auch was Wert ist. Verstehste?“

Gemeinsam geschafft!

Arvid ist sprachlos. Gemeinsam haben sie es geschafft! „Wir haben es geschafft! Wir alle zusammen! 3.500€ – Dreitausendfünfhundert! Wahnsinn! Unglaublich! Fantastisch! Ob 2 Cent oder 500€, ob Hansa-, Union-, Cottbus- oder Stuttgarter Kickersfan (ja, auch die haben sich alle beteiligt!) jeder hat gegeben, was er geben konnte. Für den letzten Wunsch von Jacci, für einen wirklich verrückten Hansafan, für eine von uns.“Eine Geschichte, wie sie einmalig ist. Man muss in aller Deutlichkeit nochmals Danke an alle Beteiligten sagen: Danke an alle, die gespendet haben! Außerdem einen besonderen Dank an Tanja, die eindrucksvoll bewiesen hat, dass eine wahre Freundschaft in der Lage ist, alles zu überstehen. Respekt! Dann ist da noch Arvid, der sich stark engagiert hat und auch mit seinem Beitrag diesen Artikel mit persönlichen und authentischen Eindrücken bereichert hat. Eins zeigt die Geschichte, die glücklicherweise nicht nur eine Geschichte ist: Es ist egal, wer du bist oder wohin du gehst…, Du bist nie allein! Menschen sind eben doch nicht nur Egoisten, sondern sie stehen zusammen. Fußball ist mehr als nur ein Sport. Fußball ist mehr als nur ein Wettkampf. Fußball ist kein Hass. Fußball verbindet. Auch über Vereinsgrenzen hinweg!
Die öffentliche Beisetzung findet am 03.08.2012 um 11 Uhr auf dem Rostocker Westfriedhof  statt.

 

   

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