Strittige Szenen am 15. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Rostock, Jena und Chemnitz, der Strafstoß für Ingolstadt, die verwehrten Treffer von Chemnitz und Münster, das 1:0 für Bayern II, ein Abseitspfiff gegen Magdeburg und ein nicht gegebener Freistoß für Münster: Am 15. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de neun Szenen genauer angeschaut

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Nik Omladic (Hansa Rostock) dringt in den Strafraum ein, wird von Tim Albutat und Lukas Scepanik (MSV Duisburg) in die Zange genommen und zu Fall gebracht. Einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Tobias Reichel nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:25]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht sehr gut und hat eigentlich einen optimalen Blickwinkel zur Szene im Strafraum von Duisburg. Die Aktion von Albutat und Scepanik gegen Omladic ist im Oberkörperbereich regelkonform. Im Fußbereich wird es aber spannend. Die beiden Verteidiger treffen nämlich den Angreifer klar und deutlich unten am Fuß und hindern ihn in aussichtsreicher Position am Weiterlaufen, sodass er zu Fall kommt. Der Ball ist dabei überhaupt nicht Spielobjekt und wird auch nicht berührt. Hier hätte es folglich einen Strafstoß für Rostock geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt. Hierbei zeigt ein Schiedsrichter – wenn er dann pfeift – nur einem Spieler die gelbe Karte. Ich hätte Scepanik diese gezeigt, weil er das schwerwiegendere Foulspiel begeht.

 

Szene 2: Bei einem Zweikampf gegen Kilian Pagliuca (Carl Zeiss Jena) spielt Lars Dietz (Viktoria Köln) den Ball im Strafraum mit der Hand. Schiedsrichter Timo Gerach lässt die Partie weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 0:30]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht an sich richtig und hat nur das Pech, dass sich das Handspiel von Dietz im eigenen Strafraum auf der von ihm abgewandten Seite ereignet. Auch der Assistent kann nicht helfen, da andere Spieler seinen Blick versperren. Dietz geht im Zweikampf gegen Pagliuca klar und absichtlich sowie aktiv mit der Hand zum Ball und spielt diesen. Es hätte somit einen Strafstoß für Jena geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt.

 

Szene 3: Nach einem vermeintlichen Foul von Christopher Handke (FSV Zwickau) an Dennis Eckert Ayensa (FC Ingolstadt) im Strafraum gibt Schiedsrichterin Riem Hussein Elfmeter für Ingolstadt. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Ayensa geht in den Strafraum von Zwickau und dreht sich in der Bewegung etwas unüblich, sodass er selbst ins Straucheln und anschließend zu Fall kommt. Handke berührt ihn sowohl oben als auch unten nicht. Selbst wenn eine minimale Berührung im Hüftbereich vorliegen sollte, würde das für ein Foulspiel noch lange nicht ausreichen. Eine Fehlentscheidung, einen Strafstoß für Ingolstadt zu geben.

 

Szene 6: Erik Tallig (Chemnitzer FC) wird am Strafraum angespielt, setzt sich gegen Frank Ronstadt (Würzburger Kickers) durch und trifft zum 1:0. Schiedsrichter Robin Braun entscheidet auf Stürmerfoul und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf geht alles mit fairen Mitteln zu, es liegt ein fußballtypischer Einsatz vor. Diese Art der Zweikampfführung gehört elementar zum Fußballspiel dazu und niemand – auf beiden Seiten – will, dass so etwas abgepfiffen wird. Vielleicht liegt es auch daran, dass der Schiedsrichter noch sehr unerfahren ist. Eine Fehlentscheidung, diesen Treffer von Tallig abzuerkennen.

Szene 7: Nach einem Einwurf kommt der Ball zu Tobias Müller (Chemnitzer FC), der im Duell mit Fabio Kaufmann (Würzburger Kickers) zu Fall geht. Kein Elfmeter, entscheidet Braun. [TV-Bilder – ab Minute 2:03:00]

Babak Rafati: Eine schwierige Situation für den Schiedsrichter. Müller bekommt den Ball nach einem Einwurf im gegnerischen Strafraum zugespielt und steht am Fünfmeterraum mit dem Rücken zum Tor. Kaufmann steht hinter ihm, will den Ball klären und grätscht von hinten hinein. Bei dieser Aktion kommt Müller zu Fall. Kaufmann spielt ein wenig den Ball und trifft aber auch ein wenig Müller. Eine sicherlich grenzwertige Situation, die aber nicht für einen Strafstoß ausreicht. Daher eine vertretbare Entscheidung, diesen Zweikampf laufen zu lassen und keinen Strafstoß für Chemnitz zu geben.

 

Szene 4: Jannik Rochelt (Bayern II) leitet über die linke Seite einen Angriff ein, Brian Koglin (1. FC Magdeburg) will zum Ball, wird aber von Wriedt (Bayern II) gehalten. Schiedsrichter Arne Aarnink lässt das Spiel weiterlaufen und gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:45]

Babak Rafati: Man sieht sehr deutlich, dass Wriedt seinen Gegenspieler Koglin klar und deutlich am Arm hält und diesen hindert, zum ballführenden Spieler Rochelt zu laufen. Das ist kein Durchsetzen im Bereich des Erlaubten (wie wir es oft sehen), sondern ein Foulspiel, weil Koglin durch das Halten entscheidend "aus dem Spiel genommen wird." Hier hätte es einen Freistoß für Magdeburg geben müssen und der Treffer für Bayern hätte nicht zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung.

Szene 5: Nach einem Zuspiel von Thore Jacobsen (1. FC Magdeburg) ist Christian Beck frei durch, wird jedoch aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition zurückgepfiffen. [TV-Bilder – ab Minute 52:10]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Zuspiels von Jacobsen auf Beck hebt Paul Will die Abseitsposition auf, sodass Beck nicht im Abseits steht. Womöglich hat sich der Assistent von Becks Mitspieler, der ein paar Meter vor ihm steht und sich im Abseits befindet, allerdings passiv und somit nicht relevant, irritieren lassen. Eine Fehlentscheidung, das Spiel aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition zu unterbrechen.

 

Szene 8: Ein Freistoß von Preußen Münster gelangt über Seref Özcan, Philipp Hoffmann zu Luca Schnellbacher, der den Ball über die Linie drückt. Weil er dabei im Abseits gestanden haben soll, gibt Schiedsrichter Patrick Alt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 34:20]

Babak Rafati: Mit den vorliegenden Bildern kann man die Szene nicht zweifelsfrei auflösen. Aber tendenziell bin ich beim Assistenten, denn nach dem Kopfball scheint der Münsteraner knapp im Abseits zu stehen. Diese Entscheidung sollte man akzeptieren.

Szene 9: Nach einem Freistoß reklamiert Münster Handspiel eines Braunschweigers, einen Freistoß gibt es aber nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:05:35]

Babak Rafati: Nach der Freistoßausführung von Münster springt ein Braunschweiger Spieler hoch und blockt den Ball mit dem linken Arm. Da er aktiv mit dem Arm zum Ball geht, liegt ein absichtliches Handspiel vor, sodass es erneut einen Freistoß für Münster und die gelbe Karte gegen den Braunschweiger hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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