Härtel mahnt zur Menschlichkeit: "Ich kann den Frust verstehen"
Kriselnde Rostocker treffen zum Jahresabschluss auf nicht weniger in Not geratene Kölner und schnell werden die Erinnerungen an den 3:3-Auftakt wach. Vor dem Duell mit dem Aufsteiger sprach Trainer Jens Härtel über die angespannte Personalsituation, die Winterplanung, die fehlende Mentalität – und appelliert an die Fans.
"Hilft nicht, Unruhe reinzubringen"
Einmal werden die Rostocker am Freitagabend in diesem Jahr noch auflaufen, einmal werden die Profis von der Hansa-Kogge im Sportpark Höhenberg gegen die Formkrise noch ankämpfen. Trotz der fünf Niederlagen in den letzten sechs Partien ist Trainer Jens Härtel um Normalität bemüht und wünscht sich diese auch wieder von den Rängen, denn in Köln werden wieder rund 1.000 Fans ihre Mannschaft begleiten. "Es hilft nicht, während des Spiels Unruhe reinzubringen", appellierte der Trainer in der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Viktoria Köln an die Fans. Und der Coach wurde noch deutlicher: "Du kannst nach dem Spiel alles machen, Unmut, Kritik und alles. Ich kann den Frust verstehen. Aber solange, wie die Mannschaft spielt und kämpft, brauchen wir das Pushen. Egal, ob die Erwartungshaltung erfüllt ist."
Von der Vereinsführung bekam der Cheftrainer bereits Rückendeckung, von den Fans erwartet der 50-Jährige das nicht. "Um mich muss sich niemand Gedanken machen, ich kann mit diesem Druck umgehen", stellte sich Härtel den Rufen von den Rängen, der aber auch eine Bitte an den eigenen Anhang richtete: "Man kann es ruhig an mir auslassen, aber die Mannschaft muss trotzdem unterstützt werden." Denn in der aktuellen Situation würde es an keinem Spieler spurlos vorbei gehen, wenn sich die Ränge gegen die Mannschaft stellen würde. "Niemand denkt sich dann, dass er jetzt den perfekten Schnittstellenpass spielen wird. Das prasselt anders auf die Jungs herein", versuchte Härtel ein Gespür dafür zu entwickeln, dass auf dem Platz – trotz aller Privilegien – immer noch Menschen stünden.
Personaldecke angespannt
Bei den ebenfalls kriselnden Kölnern wird dabei auf Erik Engelhardt (Kreuzbandriss), Kai Bülow (Innenbandanriss im Knie), Nikolas Nartey (Innenbandriss im Sprunggelenk) und Osman Atilgan (Aufbautraining nach Adduktorenproblemen) verzichten müssen. Fragezeichen stehen hinter Pascal Breier (Schulterverletzung) und Nik Omladic. Nico Neidhart fehlt gelb-gesperrt, während Nico Rieble und Maximilian Ahlschwede zurückkehren. Auch Mirnes Pepic und Korbinian Vollmann sind wieder fit.
"Wir sind viel am Überlegen, viel am Sprechen und Ausprobieren", versprach Härtel angesichts der dünnen Personaldecke bei den Kölnern, die zum Saisonauftakt eine 3:0-Führung des F.C. Hansa noch ausglichen. Für Härtel spielt das keine Rolle, genauso wie sämtliche andere Statistiken der Vergangenheit: "Was gestern war, war gestern. Das ist vorbei, das interessiert niemanden mehr. Das interessiert den Fan nicht und mich auch nicht."
Die Fans interessiert aber, wie die Rostocker sich aus ihrem Tief befreien wollen. Führungsspieler oder Lautmacher stehen Härtel aktuell nur spärlich zur Verfügung. "Wir haben nicht die Spieler, die sich zum Erfolg der Mannschaft unbeliebt machen. Wir haben sehr harmoniebedürftige Spieler", erklärte der Coach die Kaderstruktur in der aktuellen Mannschaft, in der auch von Kapitän Julian Riedel nach langer Verletzungspause keine Wunder erwartet werden können. Gleichwohl betonte der 50-Jährige aber, dass dieses harmonische Gefüge kein Nachteil sei: "Das funktioniert aber, die haben ein gutes und ordentliches Verhalten miteinander. Aber manchmal würde ich mir auch ein bisschen mehr Reibung wünschen."
"Können uns verbessern"
Dazu nahm Härtel auch spielerisch schwache Leistungen von seinen Schützlingen in Schutz. Allen voran Tanju Öztürk, der bei den Fans oftmals kritisiert wird. "Tanju Öztürk versucht alles, aber natürlich hat er einen anderen Spielstil und ein anderes Standing. Fehler machen alle, er auch. Aber da hängen auch andere Spieler mit drin", wollte Härtel den Fokus lieber auf ein allgemeineres Bild, als auf Einzelne ziehen. Deswegen will der Coach auch die Erwartungshaltung in Köln senken: "Fakt ist, es wird wahrscheinlich nicht das ganz große blendende Fußballspiel sein, weil beide Mannschaften mit einer Negativserie zu kämpfen haben."
Was danach passieren würde, würde man sehen. Die Planungen für den Winter seien bei der sportlichen Leitung bereits angelaufen. "Kein Verein legt da die Hände in den Schoß", wollte Härtel nichts verraten, aber mahnte auch in dieser Hinsicht wieder zur Geduld. Grundsätzlich würde eine "Blutauffrischung" oder eine "Veränderung von Fähigkeiten, die wir im Moment nicht haben" dem Verein gut zu Gesicht stehen. Aber Härtel weiß auch, dass Leistungsträger im Winter zurückkommen werden. "Wir können uns in allen Bereichen verbessern, wenn wir unsere Statistiken sehen. Die Jungs können sich verbessern oder man kann Qualität dazuholen", hielt sich der 50-Jährige bedeckt in der Planung. Dass man sicher aber im Winter von dem einen oder anderen auch trennen könne, schloss Härtel auch nicht aus. Das sei aber erst nach dem Spiel in Köln relevant: "Gras wächst auch nicht schneller, wenn du daran ziehst."