Alemannia Aachen: Angriff über Rechtsaußen
Nach dem Fußballspiel in Saarbrücken jagten und attackierten mutmaßlich rechtsradikale Aachener Anhänger die Ultras. Dies war nicht der erste Angriff. Viele Fans fürchten nun, dass Nazis die "Herrschaft" im Fanblock gewonnen haben. Erst im Juni soll es im Werner-Fuchs-Haus (Fanhaus, welches vom Verein den Fans zur Verfügung gestellt wird) wieder zu Streitigkeiten zwischen verschiedenen Gruppierungen gekommen sein, doch was diese Woche passierte, erreicht eine ganz neue Dimension. Am vergangenen Dienstagabend fand ein Drittligaspiel statt. Die Begegnung endete 1:2, doch das Ergebnis ist irrelevant angesichts der Ereignisse eine Viertelstunde nach dem Abpfiff.
"Es war eine Hetzjagd"
Denn dann schlugen Anhänger der siegreichen Aachener mit schier unglaublicher Aggression aufeinander ein. Mehrere Personen traktierten einen am Boden liegenden Fan minutenlang mit Schlägen und Tritten gegen Kopf und Oberkörper. Nachdem sich der Fanbetreuer schützend vor das Opfer stellte, wurde auch dieser angegriffen. Mit blutverschmiertem Shirt saß er anschließend fassungslos im Bus. Diese Fassungslosigkeit war vielen anzusehen. „Ich bin seit 25 Jahren in diesem Job tätig, so etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte der Einsatzleiter der Polizei, Peter Becker, gegenüber dem Heft "11FREUNDE". Spätestens seit einem Überfall im Dezember des vergangenen Jahres mehren sich Berichte, wonach die umstrittene Gruppierung »Karlsbande« gezielt Attacken auf die »Aachen Ultras« verübt. Erstere soll Kontakte zur Neonazi-Szene haben, während sich die Ultras klar vom Rassismus distanzieren und dem linken Lager zuzuordnen sind.
Nach Augenzeugenberichten zufolge sollen ca. hundert Personen aus dem näheren Umfeld der "Karlsbande" direkt nach dem Spiel die 60 mitgereisten Ultras attackiert haben. „Es war eine Hetzjagd. Die ,Karlsbande' und ihr Umfeld haben die ,Aachen Ultras‘ gejagt“, sagt Max Baur von der Aachener Fan-IG .
Aachener Anhänger sorgen auf der Rückfahrt für Probleme
Den Berichten nach gingen die Ultras aus dem Auswärtsblock zuerst raus, und wurden auf dem Weg zu ihrem Bus, auf einem Vorplatz von mehr als 20 Personen angegriffen, bei denen es sich um bekannte Schläger mit zum Teil mehrjährigen Stadionverboten gehandelt haben soll. Die Polizei versuchte nach eigenen Angaben zufolge die attackierte Gruppe vor den übrigen Angreifern zu schützen, indem sie ein Zugangstor verschloss. Das Problem dabei war, dass viele Anhänger der Ultras noch vor dem Tor standen und dementsprechend den Angriffen schutzlos ausgeliefert waren. „Es wurden Plastikrohre benutzt. Ein am Boden liegender Mann wurde von einer Gruppe massiv mit Fäusten geschlagen, was selbst dem Kodex der Hooligans zuwider läuft“, berichtet Einsatzleiter Peter Becker weiter gegenüber den „11Freunde“. Die Polizei konnte die Gruppen trennen, offiziell ist die Rede von zwei Verletzten, doch mehrere Personen haben und wollten sich nicht vor Ort medizinisch versorgen lassen. Angeblich soll sogar ein Fan seine Rückfahrt mit Schlüsselbeinbruch angetreten haben. 100 Aachener Anhänger randalierten wenig später auf der Autobahnraststätte Hochwald-Ost, und ließen dabei Sancks, Bier und viele weitere Sachen mitgehen. Laut Angaben der Polizei sind sie ebenfalls der »Karlsbande« zuzuordnen.
Spannungen zwischen den Fangruppen nicht neu
Diese Auseinandersetzung bildet nun wohl einen sehr unrühmlichen Höhepunkt. Beim Heimspiel der letzten Zweitligasaison gegen Erzgebirge Aue waren Aachen Ultras angegriffen worden, beim Spiel in Braunschweig wurde ihnen und Mitarbeitern des Fanprojekts der Zugang zum Block versperrt. Szenekenner berichteten davon, dass Mitglieder aus den Reihen der »Karlsbande« während der spielfreien Zeit Ultra-Mitglieder in deren Wohnung aufgesucht, bedroht und zum Teil sogar verletzt haben sollen. Außerdem sollen Autos beschädigt und Drohungen ausgesprochen wurden sein. Man wolle die Gruppe "eliminieren", hieß es.Max Baur von der Aachener Fan-IG berichtet gegenüber der 11Freunde: „Seit den Vorfällen im vergangenen Jahr beim Spiel gegen Aue ist die Lage unverändert. Es gab keine Entspannung. Die Aachen Ultras waren dabei meiner Wahrnehmung nach immer die Angegriffenen.“ Die Situation hat sich seit dem Start der neuen Saison zugespitzt. „Rechte Gruppierungen beobachten die Ultras bei der An- und Abreise zum Stadion und suchen Angriffspunkte.“
Grenze wurde überschritten
Solch brutale Angriffe mit offenbar politischem Hintergrund innerhalb einer Fanszene hat es im deutschen Fußball noch nicht gegeben. Das Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF) erklärte heute: „Es handelt sich um den politisch motivierten Versuch rechtsoffener, rechter und neonazistischer Kreise, eine ihnen missliebige, antirassistische Gruppierung mit der Hilfe von Gewalt mundtot zu machen, sie aus dem Stadion, der Fanszene und dem Umfeld von Alemannia Aachen zu vertreiben. Dies darf ihnen unter keinen Umständen gelingen!" Die "Karlsbande" wollte sich nicht gegenüber Pressevertretern äußern, verbreitet aber auf ihrer Homepage: »Mit reinem Gewissen können wir jegliche Anschuldigungen, politische Agitation irgendeiner Art zu betreiben, negieren." In Aachener Fankreisen heißt es hingegen, dass mit dem Überfall in Saarbrücken eine unsichtbare Grenze überschritten sei. Der Verein müsse nun endlich handeln, sonst würde er die Verbreitung rechter Tendenzen indirekt unterstützen. Max Baur von der Fan-IG sagte: "Momentan ist die Resignation sehr groß. Es bedarf jetzt harter Sanktionen. Sonst kann die Selbstregulierung nicht funktionieren." Am heutigen Freitag hat der Verein reagiert und eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht, die liga3-online.de im Folgenden vollständig abdruckt:
Die Stellungnahme der Alemannia
Die Ausschreitungen im Anschluss an das Meisterschaftsspiel in Saarbrücken sorgen auch drei Tage nach den Vorkommnissen bei der gesamten Alemannia für tiefste Bestürzung und ein enormes Unverständnis. Die Mannschaft, die Geschäftsstelle und der gesamte Verein sind im höchsten Maße schockiert über das, was sich am späten Dienstagabend sowie in der Nacht zum Mittwoch ereignete. In den letzten Wochen herrschte rund um den Tivoli eine wahre Aufbruchstimmung vor, die sich bei den vergangenen Heimspielen der Alemannia in der beeindruckenden Atmosphäre sowie dem überragenden Zuschauerzuspruch widerspiegelte. Die gesamte Euphorie wurde mit einem Schlag am vergangenen Dienstag in Saarbrücken zerstört. Es ist der Punkt erreicht, an dem kein Gedankengang mehr seitens der Alemannia ausgeschlossen wird. Der bisher erteilte Vertrauensvorschuss ist bei allen Beteiligten der Alemannia gänzlich aufgebraucht. Neben den bereits angewandten Möglichkeiten, drastische Sanktionen in Form von bundesweiten Stadionverboten und entzogenen Gruppenprivilegien vorzunehmen, gibt es ab sofort keinerlei Maßnahmen mehr, vor denen die Alemannia zurückschreckt. Auch die Möglichkeit, komplette Gruppenverbote auszusprechen, kann nun nicht mehr ausgeschlossen werden. Für Gewalt ist ebenso wie für Rechtsextremismus auf und rund um den Tivoli kein Platz!
"Keiner muss Angst um die Sicherheit haben"
Unmittelbar nach den Ausschreitungen hat die Alemannia Kontakt zu den zuständigen Behörden aufgenommen, um das vorhandene Material auszuwerten und die Vorfälle dementsprechend zu sanktionieren. Auf Wunsch der Alemannia hat der DFB die Möglichkeit, Sanktionen anlässlich der Vorfälle am Rastplatz vorzunehmen, an die Alemannia übertragen. Die Alemannia weist in diesem Zusammenhang nochmals ausdrücklich darauf hin, dass die Sicherheit der Stadiongäste nach den ersten Fanausschreitungen des vergangenen Jahres in den letzten Monaten sowie auch in Zukunft als oberstes Gebot angesehen wird. Bei der Alemannia muss sich kein einziger Besucher um seine Sicherheit sorgen. Mit extremen Maßnahmen wird auch nach den jüngsten Vorfällen im Stadion der Alemannia für Sicherheit massiv gesorgt sein.
FOTO: mayener-alemannen.de