MSV twittert sich zu 5:4-Erfolg bei 1860 München
An Fußballspielen ist dieser Tage nicht zu denken. Deutschland befindet im festen Griff eines ominösen Virus, auch die 3. Liga stellte ihren Spielbetrieb bereits ein. Ein blau-weiß gestreiftes Völkchen aus dem Westen der Republik ignorierte jedoch alle Warnungen und reiste kurzerhand zum Topspiel nach München. Es entwickelte sich ein denkwürdiges Torspektakel, an dessen Ende der MSV Duisburg die Oberhand behielt – zumindest virtuell.
Unfassbar! Weinkauf schläft während des Spiels
Bis auf den letzten Platz war das altehrwürdige Grünwalder Stadion ausverkauft. Sicher, Fußballspiele vor Publikum sind derzeit Mangelware – und so bemühte sich vorab ganz Fußballdeutschland um Eintrittskarten für das Duell zwischen den Münchner Löwen und dem MSV Duisburg. Wer letztlich eines der begehrten Tickets ergattern konnte, erlebte nicht weniger als das wohl beste Drittligaspiel aller Zeiten. Von Beginn an war klar: Duisburg tickerte hier auf Sieg. Entsprechend motiviert gingen die Blau-Weißen zu Werke.
Die Folge fassten die Zebras auf ihrem Twitter-Account dann folgendermaßen zusammen: "Vincent Vermeji meldet sich per Whatsapp mit dem 1:0." Hielt allerdings nicht lange! MSV-Schlussmann Leo Weinkauf erwachte zu spät aus seinem wohlverdienten Mittagsschläfchen – 1:1 in der 25. Spielminute. Zum Glück hatten die Duisburger aber einen Akteur in ihren Reihen, auf den sowohl im Angriff als auch am Handy stets Verlass ist: "Moritz Stoppelkamp meldet sich … wartet mal … Tooooor für den MSV" (36.). Doch die Löwen bissen und kämpften. Außerdem war Leo Weinkauf wieder eingeschlafen – auf der Tastatur. Es blieb den Social Media-Beauftragten des MSV nichts anderes übrig als ihren Pflichten nachzukommen und die Sechziger zum erneuten Ausgleich zu twittern (40.).
Fernschussrekorde, Sofajubel und Speichelfäden
Rasant und vor allem digital ging es weiter. Auch Marvin Compper, im ersten Durchgang noch völlig unauffällig, arbeitete sich immer besser in die Partie: "Hatte keinen Empfang, bin jetzt aber da. Gerade Laufduell mit Sascha Mölders für mich entschieden." Für den nächsten Höhepunkt sorgte dann jedoch ein anderer Duisburger: Lukas Daschner. "Bin gerade wach geworden", erklärte der Mittelfeldmann, "und habe gedacht, ich halte einfach mal drauf." Aus sagenhaften 84 Metern Torentfernung versenkte Daschner das Leder per Kurzmitteilung im Gehäuse (56.). Damit überbot er sogar die bisherige Rekordmarke (83 Meter) seines Kapitäns Moritz Stoppelkamp. Die Hausherren schüttelten sich kurz, warfen dann die virtuelle Angriffsmaschine an und drehten die Partie kurzerhand mit Treffern in der 60. sowie in der 79. Spielminute. Begünstigt wurden die Tore allerdings vom frevelhaften Abwehrverhalten der Zebras: Arne Sicker war im heimischen Supermarkt auf der Jagd nach Toilettenpapier, Joshua Bitter schlicht nicht erreichbar. Dabei hatte Sicker zuvor sogar getroffen, doch dann die VAR-Entscheidung: "Ein Tor von Arne Sicker ist unglaubwürdig."
Dieses Spiel hatte schlichtweg alles: Die Duisburger tippten sich die Finger auf ihren Smartphones geradezu wund. Und der Einsatz wurde belohnt. Zunächst holte sich Moritz Stoppelkamp seinen Weitschuss-Rekord zurück, indem er Daschners Treffer mit einem Distanz-Tweet aus 85 Metern Torentfernung um einen weiteren Meter überbot (80.). Und der MSV, unterstützt von zahlreichen zugeschalteten Anhängern, wollte nun den Dreier, kam jedoch kaum noch entscheidend vor das Tor der Löwen. So schien bereits alles auf ein Unentschieden hinauszulaufen, als die Duisburger noch ein letztes Mal die Kräfte bündelten. Knappe 86 Meter vor dem Tor fassten sich Arnold Budimbu, Lukas Scepanik, Sinan Karweina, Leroy Mickels und Tim Albutat ein Herz und donnerten das Spielgerät gemeinsam per Glasfaserleitung in die Maschen (90.). 5:4, aus und vorbei! Wahnwitzige Jubelorgien auf den Sofas der MSV-Profis schlossen sich an, mancher wagte es gar, der Freundin die Hand zu schütteln. Nur einer stand bzw. lag noch immer völlig neben sich: Lange Speichelfäden zogen sich vom Mund des nach wie vor schlafenden Leo Weinkaufs bis auf den edlen Perserteppich.
1860 gratuliert
Die Löwen reagierten prompt auf die erste Niederlage unter Michael Köllner – ebenfalls per Twitter: "Anständig wie wir sind gratulieren wir Euch recht herzlich zum Auswärtssieg. Hoffentlich können wir das Spiel im Mai nachholen und dann dürft ihr anständig gratulieren." Darauf der MSV: "Im besten Fall gratulieren wir uns irgendwann gegenseitig. War "überraschend", aber nett mit euch."