Vollmann: "Abbruch wäre nur schwer zu akzeptieren"
Im Interview mit liga3-online.de spricht Braunschweigs Sportdirektor Peter Vollmann über seinen veränderten Alltag während der Corona-Krise, Finanznöte im Verein, die derzeitige Solidarität in der Gesellschaft – und einen möglichen Saisonabbruch.
"Dramatische Lage wurde nicht erkannt"
liga3-online.de: Die (Sport)-Welt steht wegen der Corona-Krise weitegehend still. Wie sieht aktuell Ihr Alltag aus, Herr Vollmann?
Peter Vollmann: Es fällt einem in diesen Tagen schwer, über Fußball zu sprechen und sich damit auseinanderzusetzen. Der Sport gerät insgesamt in den Hintergrund. Dennoch mache ich mir natürlich Gedanken, wie es bei uns im Verein nach der Krise weitergehen kann. Von zuhause aus müssen die Verantwortungsträger im Austausch bleiben, um situativ entscheidungsfähig zu sein.
Hätten Sie vor ein paar Wochen damit gerechnet, dass das Corona-Virus dermaßen Einfluss auf unser aller Leben nimmt?
Ich glaube, dass die Wenigsten damit gerechnet haben. Der Corona-Virus wurde unterschätzt und von vielen Menschen zu spät erst richtig ernst genommen. Es wurde nicht erkannt, wie dramatisch die Lage ist und niemand war darauf vorbereitet. Deshalb werden wir jetzt von den Folgen des Corona-Virus fast überrollt.
Das öffentliche Leben wurde stark eingeschränkt, eine komplette Ausgangssperre – wie in Italien oder Spanien – gibt es noch nicht. Zur finanziellen Unterstützung wurde ein Hilfspaket in Höhe von 156 Milliarden Euro geschnürt. Wie bewerten Sie die Maßnahmen der Bundesregierung?
Um Beschlüsse im Hinblick auf die Gesundheit beurteilen zu können, fehlen mir die fachlichen Kenntnisse. Wir stehen in der Pflicht, auf die Experten zu hören und das zu tun, was von uns verlangt wird. Persönlich würde ich mir wünschen, dass die Menschen, die aufgrund der Krise besonders viel arbeiten und zusätzlich das Risiko einer Selbsterkrankung tragen müssen, im Hilfspaket besonders berücksichtigt werden. Dass existenzielle Hilfen für die Betroffenen von staatlicher Seite zur Verfügung gestellt werden – in der Hoffnung, dass sie seriös an richtiger Stelle ankommen – finde ich komplett in Ordnung.
Auch für Fußballvereine wird die Corona-Pandemie fatale wirtschaftliche Folgen haben. Viele Klubs führten zur Existenzsicherung Kurzarbeit ein, darunter auch Eintracht Braunschweig. Wie ist die Lage bei der Eintracht?
Die Kurzarbeit einzuführen, war leider unumgänglich. Dass alle Mitarbeiter diese Entscheidung mittragen, ist nicht selbstverständlich. Ich kann mir aktuell nicht vorstellen, dass es nach überstandener Krise so weiter geht, wie bisher. Wir müssen uns möglicherweise auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen. Wie diese aussehen werden, wird erst klar sein, sobald sich der finanzielle Schaden irgendwann beziffern lässt. Jetzt gilt es erst einmal abzuwarten, welche kurzfristigen Veränderungen auf uns zukommen. Wir können keine Zukunftsentscheidungen treffen, wenn wir nicht wissen, wie lange die Krise anhält. Deshalb ist auch bei der Kaderplanung Vorsicht geboten.
"Lücke zwischen Wunsch und Realität"
Die Eintracht-Fans helfen in der Krise, wo sie können und tätigen übermäßig viele Einkäufe im Online-Fanshop, um den Klub finanziell zu unterstützen. Außerdem zeigen sie sich solidarisch, indem sie Botengänge und Einkaufshilfen für Mitbürger aus der Corona-Risikogruppe anbieten. Stark!
Das Verhalten unserer Fans ist vorbildlich. Es ist schön, auch mal positive Nachrichten zu hören. Vor allem die Hilfe für Menschen aus der Risikogruppe finden wir klasse. Aber auch das "Hamstern" im Online-Shop freut uns. Wir können jede erdenkliche Unterstützung gebrauchen.
Solidarität ist derzeit das A und O, die Menschen rücken enger zusammen. Wenn man etwas Positives aus der Krise ziehen möchte, dann ist es das, oder?
Da stimme ich zu. Allerdings müssen wir mal schauen, wie lange das anhält. Vor der Krise – daran möchte ich noch einmal erinnern – waren Themen wie Diskriminierung und Rassismus unsere Schwerpunkte. In der Corona-Krise wird deutlich, dass diejenigen, die Menschen gegeneinander aufhetzen wollen, zu echten Zukunftsfragen nichts beizutragen haben. Wenn es ernst wird, hört man nichts von den Populisten. Das beruhigt mich etwas in diesen Zeiten.
Stand jetzt steigt die Mannschaft am 19. April wieder ins Training ein und der Spielbetrieb soll im Mai fortgesetzt werden. Denken Sie, das ist realistisch?
Ich hoffe natürlich auf eine Fortsetzung der Saison. Hier muss ich aber erneut auf die Experten verweisen. Einige von ihnen gehen davon aus, dass ein regulärer Spielbetrieb mit Fans im Stadion vermutlich erst 2021 wieder möglich sein wird. Die Gesundheit steht im Vordergrund und der Trainings- und Spielbetrieb muss sich anpassen, egal ob uns das nun gefällt oder nicht.
Ein Abbruch der Saison steht im Raum, verschiedene Szenarien wären denkbar. Welches würden Sie bevorzugen?
Ich bevorzuge kein Abbruchszenario. Ein Abbruch ist sowohl für Spieler als auch für Vereinsverantwortliche und Fans nur schwer zu akzeptieren. Aber möglicherweise gibt es bald keine Alternative mehr. Zwischen Wunsch und Realität klafft momentan nun einmal eine große Lücke und es wird schwer, sie zu schließen. Der DFB wird nicht drum herum kommen, sich mit verschiedenen Szenarien auseinanderzusetzen.