Tollhaus 3. Liga: Der Streit ist eskaliert
Knapp zwei Wochen vor dem geplanten Re-Start der 3. Liga werden die Gräben zwischen dem DFB und den Abbruch-Befürwortern immer größer. Und als wäre das noch nicht genug, mischt nun auch die Politik im Streit um die Saison-Fortsetzung mit – inklusive schwerer Vorwürfe. Herzlich Willkommen im Tollhaus 3. Liga. Der Streit ist eskaliert.
DFB warnt
So mancher Vereinsvertreter oder DFB-Funktionär dürfte in diesen Tagen durchaus etwas neidisch in die Bundesliga und die 2. Liga blicken. Denn während in der 3. Liga noch immer nicht klar ist, ob ab dem 26. Mai tatsächlich wieder gespielt werden kann, herrscht in den DFL-Ligen schon seit einer Woche Klarheit. Auch sonst sind sich die 36 Erst- und Zweitligisten weitgehend darüber einig, dass die Saison fortgesetzt werden muss – allein schon deshalb, um die Existenz der Vereine zu sichern. Dieses Ziel verfolgt auch der DFB für seine 3. Liga und warnte am Dienstag in Person von Generalsekretär Dr. Friedrich Curtius nochmals davor, dass die Spielklasse bei einem freiwilligen Saisonabbruch "in ihrer kompletten Struktur als Profiliga gefährdet und in Frage gestellt" wäre.
Zustimmung erhält der Verband vor allem von den fünf Klubs aus Bayern sowie aus Rostock, Köln, Braunschweig, Meppen, Kaiserslautern, Chemnitz, Uerdingen und Duisburg. Das sind die 13 Vereine, die sich grundsätzlich für eine Fortsetzung der Saison ausgesprochen haben. Meppen und Kaiserslautern wollen jedoch einen Abschluss bis zum 30. Juni. Ob dieser angesichts des engen Zeitplans mit elf Spieltagen in fünf Wochen haltbar ist, scheint mehr als fraglich. Entsprechend hält es FCK-Sportdirektor Boris Notzon für sinnvoll, "uns bezüglich der Umsetzung und Realisierbarkeit des Rahmenterminkalenders hinsichtlich denkbarer Verzögerungen im Hinblick auf den 30. Juni nochmals auszutauschen", wie er der "dpa" sagte. Am Mittwochnachmittag zog der DFB die Zügel nochmal an und forderte die Abbruchs-Befürworter auf, ein klares Konzept vorzulegen. Zudem kündigte er an, mögliche Schadensersatzforderungen bei einem freiwilligen Abbruch an die Klubs weiterzuleiten.
Widerstand und Kritik
Heftigen Widerstand an der geplanten Saison-Fortsetzung regt sich in Mannheim, Magdeburg, Halle, Zwickau, Münster, Großaspach und Jena. Kaum hatte der DFB am Montag den Rahmenterminkalender für die weitere Spielzeit beschlossen, hagelte es Kritik am anvisierten Plan: Die Palette reichte von "nicht realistisch", "unfair", "nicht zu vertreten" (jeweils Waldhof-Geschäftsführer Markus Kompp), über "verantwortungslos" (Preußen-Coach Sascha Hildmann) hinzu "beschämend" (FCM-Trainer Claus-Dieter Wollitz). Auch erklärten die Klubs, warum das Hygienekonzept an ihrem Standort nicht umsetzbar sei. Kritisiert wurden vor allem die personellen Anforderungen (Hygienebeauftragter, eigener Mannschaftskoch) sowie die infrastrukturellen Bedingungen (mehrere Mannschaftsbusse, zusätzliche Kabinen). Mehrfach entgegneten DFB-Vertreter zuletzt: Wollen oder können sie nicht?
Die unterschiedlichen Trainingsbedingungen sind ebenfalls ein Zankapfel. Während Duisburg und Rostock schon seit vier Wochen wieder in Kleingruppen trainieren, sind die Abbruch-Befürworter erst in den vergangenen Tagen wieder ins Training eingestiegen – bis auf Carl Zeiss Jena allerdings. Das Schlusslicht dürfte maximal in Zweiergruppen trainieren, was der Verein ablehnt. Vom Teamtraining sind sie noch weit entfernt, während Viktoria Köln schon am Donnerstag wieder mit der kompletten Mannschaft üben darf.
Darüber hinaus stieß auch ein Plan des DFB, Spiele bei einem Veto aus der Politik in ein neutrales Stadion zu verlegen, auf Ablehnung: "Das ist klare Wettbewerbsverzerrung und hat mit Fußball nichts mehr zu tun", polterte FCM-Geschäftsführer Mario Kallnik. Waldhof-Geschäftsführer Markus Kompp hat zudem eine neue Abstimmung über die Frage zur Liga-Fortsetzung beantragt. Ohnehin tritt Kompp in diesen Tagen als einer der größten Befürworter eines Abbruchs auf und führt fast täglich neue Gründe an, warum nicht gespielt werden kann. In der "Süddeutschen Zeitung" sagt er nun: "Ich glaube, es ist ein Weg ins Chaos, den wir gerade gehen. Manchmal ist ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende!" Eine sportliche Relevanz sei "überhaupt nicht mehr gegeben". Auch aus finanziellen, gesellschaftlichen und moralischen Gründen lehnen die sieben Klubs eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs ab.
Schwere Vorwürfe aus der Politik
Seit einer Woche mischt auch die Politik im Streit um die Fortführung der Saison mit. Nachdem Bund und Länder lediglich für die beiden Bundesligen grünes Licht gaben, müssen nun die einzelnen Landesregierungen den Spielbetrieb in der 3. Liga erlauben. Als Widersacher treten hier vor allem zwei Bundesländer auf: Während in Sachsen-Anhalt bis zum 27. Mai sämtlicher Trainings- und Wettkampfbetrieb untersagt ist, verlängerte Thüringen das Verbot sogar bis zum 5. Juni. Vor allem Sachsen-Anhalt sieht sich vom DFB zudem unter Druck gesetzt, was Ministerpräsident Reiner Haseloff am Dienstag als "unerträglich" bezeichnete.
Zudem erhob er schwere Vorwürfe gegen den DFB. Laut Haseloff soll der Verband in einem Telefonat mit Lizenzentzug für den 1. FC Magdeburg und den Halleschen FC gedroht haben, falls diese den Spielbetrieb aufgrund des Wettkampfsverbot in Sachsen-Anhalt nicht wieder aufnehmen können. Der DFB reagierte "mit Verwunderung" auf diese Darstellung und wies sie umgehend zurück. Längst ist die Entscheidung, ob der Spielbetrieb in der 3. Liga wieder aufgenommen werden kann, zu einem Machtspiel zwischen dem DFB und einzelnen Bundesländern geworden. Hansa-Boss Robert Marien stellte zuletzt die Vermutung auf, dass der Klassenerhalt für Halle und Magdeburg politisch gesichert werden soll. "Dann könnten wir das ja jetzt jedes Jahr so machen: Wenn einer keine Lust mehr hat oder nicht absteigen will, stellt er halt das Spielen ein", sagte er im "Spiegel". Haseloff dementierte.
Die tiefen Risse zwischen den Kontrahenten sind schon längst nicht mehr zu kitten, es ist zu befürchten, dass der aktuelle Streit auch langfristige Auswirkungen auf die Liga und ihre Vereine haben könnte. Denn das Bild, das sie derzeit nach außen abgibt, ist erschreckend – und gleicht einem Tollhaus.