Strittige Szenen am 31. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die Elfmeter für Magdeburg und Köln, die nicht gegebenen Strafstöße für Mannheim, Chemnitz, Duisburg, 1860 und Großaspach, ein Foulspiel von Rother, das 2:0 für Bayern II und der verwehrte Treffer für Würzburg: Am 31. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zehn Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Der bereits gelb-verwarnte Björn Rother (Magdeburg) blockt Korbinian Vollmann (Rostock) auf Höhe der Mittellinie und kommt bei Schiedsrichter Patrick Schwengers mit einer Ermahnung davon. [TV-Bilder – ab Minute 58:30]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf auf Höhe der Mittellinie will Rother nur zum Ball, um diesen zu spielen. Er kommt einen Moment zu spät und stellt sein Bein in den Weg, sodass er Vollmann über sein Knie zu Fall bringt. Einen Kontakt mit seinem ausgefahrenen Fuß gibt es jedoch nicht. Hätte es bei dieser Aktion mit dem besagten ausgefahrenen Fuß Kontakt gegeben, hätte man durchaus über eine weitere gelbe Karte diskutieren können. Rother wird lediglich durch die Aktion im Bewegungsablauf mit seiner Hüfte oder seinem Knie Vollmann getroffen haben, was zur Folge hat, dass zwar ein Foulspiel vorliegt, aber das Vergehen nicht gelbwürdig ist.  

Im TV kann man gut erkennen, dass sich Vollmann am Boden liegend wälzt und an das linke Knie hält, obwohl die entscheidende Bewegung vom Magdeburger in Richtung rechten Fuß ging. Somit ist klar erkennbar, dass das Foulspiel nur durch einen unglücklichen sowie unbeabsichtigten Kontakt mit dem Knie oder der Hüfte passiert und eben nicht unten im Fußbereich. Eine richtige Entscheidung, diesen Zweikampf nicht mit der gelben Karte zu ahnden.

Szene 2: Nach einem Missverständnis geht Julian Riedel (Rostock) im eigenen Strafraum zu Fall. Marco Kvesic (Magdeburg) kommt angelaufen und geht gegen den Hansa-Verteidiger zu Boden. Elfmeter für Magdeburg. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]

Babak Rafati: Riedel geht beim Klärungsversuch im eigenen Strafraum ohne gegnerische Einwirkung unglücklich zu Boden und will dann verhindern, dass er den heranlaufenden Gegenspieler Kvesic trifft. Jedoch nimmt er im Liegen das Knie etwas zu hoch. Dadurch kommt es zum entscheidenden Kontakt, sodass die beiden Knie zusammenprallen und Kvesic dadurch zu Fall gebracht wird. Auch, wenn vom Verteidiger keine Absicht vorliegt, Foul zu spielen, ist das ein Foulspiel. Sicherlich wird sich zudem ein Stürmer bei diesen Aktionen nicht zweimal bitten lassen und einen derartigen Kontakt als "Geschenk" dankend annehmen. Eine richtige Entscheidung, bei diesem Zweikampf auf Strafstoß für Magdeburg zu entscheiden.

 

Szene 3: Nach einer Ecke will Marco Schuster (Mannheim) den Ball auf das Tor bringen, wird dabei aber von Dennis Mast (Halle) am Fuß getroffen und zu Fall gebracht. Kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Franz Bokop. [TV-Bilder – ab Minute 0:30]

Babak Rafati: Nach einer Ecke kommt es zu einem Zweikampf im Strafraum von Halle. Dabei kommt Schuster einen Moment schneller an den Ball, spielt diesen klar und deutlich und wird anschließend von seinem Gegenspieler Mast, der auch den Ball spielen will, hinten am Fuß getroffen und zu Fall gebracht. Der Schiedsrichter hat freie Sicht, lässt aber weiterspielen. Hier hätte es einen Strafstoß für Mannheim geben müssen, somit eine Fehlentscheidung

 

Szene 4: Tarsis Bonga (Chemnitz) wird von Nico Antonitsch (Ingolstadt) am Trikot gehalten und zu Boden gerissen. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Jonas Weickenmeier. [TV-Bilder – ab Minute 1:35]

Babak Rafati: Nach einer Flanke in den Strafraum von Ingolstadt will Bonga in einer aussichtsreichen Position zum Ball, dabei wird er im Zweikampf von seinem Gegenspieler Antonitsch nicht nur bearbeitet, sondern zudem am Trikot kurz und ansatzlos festgehalten und daran gehindert, an den Ball zu kommen. Antonitsch kommt dadurch aus der Balance und schließlich zu Fall. Das ist in der Summe ein Foulspiel und hätte einen Strafstoß für Chemnitz geben müssen. Somit eine Fehlentscheidung.

 

Szene 5: Matthias Rahn (Duisburg) geht nach einem Duell mit Carlo Sickinger (Kaiserslautern) zu Boden und fordert einen Elfmeter. Diesen gibt Schiedsrichter Nicolas Winter allerdings nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:54:15]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter hat eine gute Position zu der Szene und sieht, dass Rahn seinen Gegenspieler Sickinger düpiert und den Ball im Strafraum an ihm vorbeilegt und anschließend im Zweikampf zu Fall kommt. Sickinger nimmt den Fuß heraus und will den Ball spielen, trifft jedoch mit dem Knie seinen Gegenspieler und stellt ihm zudem den Fuß, sodass er Rahn am Weiterlaufen hindert und zu Fall bringt. Das ist ein Foulspiel und hätte einen Strafstoß für Duisburg geben müssen. Somit eine Fehlentscheidung.

 

Szene 6: Efkan Bekiroglu (1860 München) kommt im Strafraum beim Duell mit Jean-Manuel Mbom (Uerdingen) zu Fall. Schiedsrichter Oliver Lossius lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]

Babak Rafati: Bekiroglu dringt mit dem Ball in den Strafraum von Uerdingen ein und wird im Laufduell von seinem Gegenspieler Mbom, der hinter ihm herläuft, mit dessen Füßen und dem Knie von hinten in die Beine getroffen und deutlich zu Fall gebracht. Das ist ein Foulspiel und hätte einen Strafstoß für 1860 geben müssen, somit eine Fehlentscheidung.

 

Szene 7: Dominik Martinovic (Großaspach) läuft in den Strafraum und wird von Preußen-Keeper Maximilian Schulze Niehues getroffen. Die Pfeife von Schiedsrichter Timo Gerach bleibt stumm. [TV-Bilder – ab Minute 2:25]

Babak Rafati: Zunächst hat der Schiedsrichter freie Sicht und kann den Vorgang sehr gut verfolgen. Martinovic läuft im Laufduell mit einem Preußen-Verteidiger in den Strafraum von Münster, legt sich den Ball am herauslaufenden Torwart Schulze Niehues rechts vorbei und will auf der linken Seite an ihm vorbeilaufen. Dabei nimmt der Torwart beim Abwehrversuch das rechte Bein heraus, weil er spekuliert, dass der Ball auf dieser Seite gespielt wird. Der Angreifer wird dann im Zweikampf vom ausgestreckten Bein des Torhüters klar getroffen, am Weiterlaufen gehindert und zu Fall gebracht. Auch wenn die Aktion des Torhüters keinesfalls gegen Martinovic gerichtet ist, liegt ein Foulspiel vor. Den Ball konnte er gewiss nicht mehr spielen. Es hätte somit einen Strafstoß für Großaspach sowie eine gelbe Karte gegen den Torhüter geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt.

 

Szene 8: Bei einer Flanke in den Strafraum kreuzen sich Laufwege von Hasan Amin (Meppen) und Patrick Koronkiewicz (Köln). Schiedsrichter Patrick Kessel zeigt auf den Punkt und stellt den bereits verwarnten Amin mit Gelb-Rot vom Platz. [TV-Bilder – ab Minute 3:40]

Babak Rafati: Nach einer langen Flanke in den Strafraum von Meppen kreuzen sich die Laufwege von Koronkiewicz und Amin. Dabei trifft Amin seinem Gegenspieler unglücklich am linken Fuß, bringt ihn zu Fall und verhindert dadurch, dass der Angreifer aus einer aussichtsreichen Position einen Treffer erzielt. Das ist ein Foulspiel und folglich eine richtige Entscheidung auf Strafstoß für Köln zu entscheiden. Auch die gelbe Karte für den bereits verwarnten Amin ist absolut korrekt, die schließlich zu Gelb-Rot führt. 

 

Szene 9: Nach einem Zweikampf mit Woo-yeong Jeong (Bayern II) bleibt Mike Könnecke (Zwickau) liegen. Schiedsrichter Benjamin Brand lässt weiterlaufen, aus dem Angriff fällt das 2:0 für Bayern. [TV-Bilder – ab Minute 3:25]

Babak Rafati: Könnecke hat vor dem eigenen Strafraum den Ball abgefangen, bleibt anschließend unglücklich im Boden hängen und wird womöglich vorher von Jeong berührt. Er geht zu Boden und signalisiert sofort, sich verletzt zu haben. Ob ein Foulspiel vorliegt, sei dahingestellt. Wenn sich jedoch ein Spieler nach Ansicht des Schiedsrichters ernsthaft verletzt, obliegt es nur ihm das Spiel zu unterbrechen oder nicht. Könnecke hatte den Ball schon abgefangen und unter Kontrolle, sodass er überhaupt keinen Anlass hatte, für sich aus dieser Szene durch eine vorgetäuschte Verletzung einen Vorteil zu verschaffen und das Spiel unterbrechen zu wollen. Natürlich ist es für den Schiedsrichter schwierig beim ersten Torschuss das Spiel in dieser Szene zu unterbrechen und eine unmittelbare Torchance zu unterbinden. Aber spätestens als der Torschuss abgewehrt wurde und der Ball nicht mehr in der unmittelbaren Gefahrenzone war, hätte er eine gute Gelegenheit gehabt das Spiel sofort zu unterbrechen und sich um den verletzten Spieler zu kümmern. Eine sehr unglückliche Regelauslegung, das nicht zu tun.

 

Szene 10: Nach einem Pass von Max Breunig ist Dominik Widemann frei durch und trifft zum 1:0 für Würzburg, wird aber von Schiedsrichter Marcel Gasteier aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition zurückgepfiffen. [TV-Bilder – ab Minute 29:50]

Babak Rafati: Ob Widemann zum Zeitpunkt des Zuspiels von Breunig im Abseits steht, kann man hier nicht zweifelsfrei auflösen. Selbst mit dem Standbild ist das nicht möglich. Das ist wieder einmal ein Fall für die kalibrierten Linien, wie wir sie vom Videobeweis aus der Bundesliga kennen.

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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