Besiegelt! Carl Zeiss Jena steigt in die Regionalliga ab

Der FC Carl Zeiss Jena steht nach dem 0:0 gegen den KFC Uerdingen als erster Absteiger in die Regionalliga fest. Zwar beträgt der Rückstand zum rettenden Ufer bei noch sechs ausstehenden Partien "nur" 18 Punkte, doch aufgrund direkter Duelle im Keller ist der 16. Tabellenplatz für Jena unerreichbar.

Total-Absturz nach Klassenerhalt 

37 Punkte könnte Jena mit sechs Siegen aus den verbleibenden Partien noch erreichen und Zwickau (37 Zähler) auf Rang 16 damit einholen – zumindest, wenn sie dabei über 35 Treffer aufholen. Doch weil Zwickau (Platz 16) und Chemnitz (punktgleich auf Platz 17) am vorletzten Spieltag im direkten Duell aufeinandertreffen, wird einer dieser Klubs am Saisonende mindestens 38 Punkte auf dem Konto haben – und kann von Jena damit nicht mehr eingeholt werden. Am nächsten Spieltag kommt es zudem zum Duell zwischen Münster und Chemnitz, sodass entweder die Preußen oder die Himmelblauen bereits am Dienstag 38 Punkte aufweisen werden. Damit ist der Abstieg nach drei Jahren in der 3. Liga rechnerisch besiegelt, gleichzeitig hat der FCC einen neuen Negativrekord aufgestellt: Noch nie in der Geschichte der 3. Liga stand ein sportlicher Absteiger so früh fest, wenngleich es bis einschließlich der Saison 2017/18 nur drei Absteiger gab.

Die Weichen für die kommende Saison hatte Carl Zeiss Jena, das 21 von 32 Spielen verloren und 69 Gegentore kassiert hat, bereits vor einigen Spielen gestellt, der Abstieg war längst akzeptiert. Angesichts von fast 20 Punkten Rückstand, die die Ostdeutschen in den vergangenen Wochen angehäuft hatten, war dies auch nicht mehr verwunderlich. Ein Quintett an Spielern, darunter Kapitän Dominic Volkmer und Julian Günther-Schmidt, wird für Jena nach nicht mehr auflaufen. Die Verträge werden mit dem Abstieg ohnehin nichtig, die Spieler sind zu teuer für den Neustart, der Jena im Sommer bevorsteht. Perspektivspieler kommen in den verbleibenden Partien vermehrt zum Einsatz, dürfen sich beweisen. Die Fans fordern derweil einen großen Umbruch: "Kein Jahr beim Club, kein Herzblut = Keine Zukunft beim FCC! Verträge auflösen", stand auf einem Banner beim Spiel gegen Uerdingen. Ob man im Paradies eine rasche neuerliche Rückkehr anstreben kann? Immerhin stellt die Nordost-Staffel im kommenden Jahr einen festen Aufsteiger. Andererseits ist die Konkurrenz nicht gering: Energie Cottbus wird ein Titelfavorit sein, womöglich gehen in Chemnitz, Zwickau, aber auch Halle oder Magdeburg noch ein bis zwei weitere Hochkaräter mit in die tiefere Liga.

Wie konnte das passieren? Noch vor einem Jahr waren Euphorie und Zuversicht groß nach einem Klassenerhalt, der reif für die Geschichtsbücher war. Wir erinnern uns an neun Punkte Rückstand nach dem 30. Spieltag, ehe unter Lukas Kwasniok sechs Siege, ein Remis und nur eine Niederlage im Endspurt folgten: Aus 27 wurden noch 46 Punkte – ein fulminantes 4:0 über 1860 München brachte vor ausverkauftem Haus den umjubelten Klassenerhalt. Im Sommer dann ein kleiner, aber im Nachhinein schmerzhafter Umbruch: Elf-Tore-Stürmer Phillip Tietz konnte genauso wenig ersetzt werden wie Maximilian Wolfram auf dem rechten Flügel und der variable Manfred Starke: Das Fehlen der damals drei gefährlichsten Offensivspieler konnte Jena nie kompensieren.

Kwasniok weg, Schmitt weg

Die von vorne bis hinten miserable Saison begann bezeichnend: Das doppelte Eigentor von Marian Sarr, der jüngst zum zweiten Mal binnen einer Saison aussortiert wurde, brachte Jena beim 1:2 gegen Ingolstadt um den Lohn einer couragierten Leistung. Fast 8.400 Zuschauer – ja, es herrschte nach wie vor ordentliche Euphorie – gingen etwas enttäuscht nach Hause. Rasch wurde der Frust größer: Sechs Niederlagen in Folge zum Auftakt schmerzten, bis zum ersten Sieg dauerte es gar bis zum 14. Spieltag – nie zuvor in der Geschichte der 3. Liga war eine Mannschaft schlechter in die Saison gestartet. Fast alle Zugänge entpuppten sich nicht als die erhofften Verstärkungen, dabei hatte Jena für zwei von ihnen – Volkmer und Maximilian Rohr – sogar Ablösesummen von jeweils knapp 100.000 Euro in die Hand genommen. Von Manuel Maranda über Kilian Pagliuca bis zu Eroll Zejnullahu erwischten die Thüringer nebst immer wieder aufkommendem Verletzungspech schlicht keine Unterschiedsspieler.

Trainer Lukas Kwasniok war beim 3:1-Premierensieg über Hansa Rostock längst nicht mehr da: Nach dem zehnten Spieltag und nur einem Punkt auf dem Konto wurde er durch Rico Schmitt ersetzt. Die Fans waren froh, die Spieler aber sollen bestürzt auf die Entlassung Kwasnioks reagiert haben – sie vertrauten ihm trotz der Misserfolge. Da war es gar nicht allzu verwunderlich, dass Schmitt Anfang Februar nicht aufgrund der Ergebnisse – die hatten sich deutlich verbessert – sondern aufgrund eines Zerwürfnisses mit der Mannschaft ebenfalls seinen Posten räumen musste.

Immerhin musste und muss Jena derzeit nicht drei Trainer bezahlen: Kwasniok fand im 1. FC Saarbrücken einen neuen Arbeitgeber und seinen Seelenfrieden, schließlich ist er mit den Saarländern in die 3. Liga aufgestiegen. Jena hingegen wählte als dritte Lösung eine ungewöhnliche mit dem Duo René Klingbeil (ohne Fußballlehrerlizenz) und Kenny Verhoene, der die entsprechende Lizenz besitzt, sich aber als vorheriger U19-Coach im März mit schweren Nötigungs-Vorwürfen der Eltern seiner Juniorenspieler auseinandersetzen musste. Aufgelöst wurde dies nie, ein merkwürdiger Beigeschmack bleibt – und professionell wirkte das Ganze schon gar nicht. Während andere Verantwortliche im Juniorenbereich gehen mussten, blieb Verhoene zumindest im Verein und ist weiterhin als Trainer an der Seitenlinie. Eine Lösung für die Regionalliga wird der Belgier aber wohl nicht sein. Sportdirektor Tobias Werner sondiert bereits den Markt.

Jena droht der Negativrekord

Sportlich zerstörte sich Carl Zeiss zu diesem Zeitpunkt mit diesem Nebenkriegsschauplatz nicht mehr viel, der Abstieg hatte sich spätestens nach dem empfindlichen 2:6 in Magdeburg Ende Februar abgezeichnet. Auch die zarte Hoffnung, durch einen Saisonabbruch infolge der Corona-Pandemie am grünen Tisch einen sportlich aussichtslosen Kampf noch zu gewinnen und die Klasse zu halten, hat sich zerschlagen – stattdessen musste Jena infolge strikter gesundheitspolitischer Auflagen seine Geister-Heimspiele gegen Chemnitz und Kaiserslautern fernab der eigentlichen Heimat im Ernst-Abbe-Sportfeld austragen. Dort ist der Abstieg nun zur Gewissheit geworden. Die Nachricht selbst kommt einer Erlösung gleich.

In sieben von zwölf möglichen Jahren waren die Thüringer drittklassig. Das beste Jahr, die Saison 2009/10, liegt ein Jahrzehnt zurück – Fünfter wurde man damals, schnupperte an der Rückkehr in die 2. Bundesliga, zu der man kurz nach der Wende noch regelmäßig gehörte. Nie aber war Carl Zeiss Jena so schwach wie in dieser Saison. Jene 39 Punkte, mit denen Jena vor acht Jahren abstieg, kann der Verein schon sechs Spieltage vor dem Ende der Spielzeit nicht mehr erreichen. Werder Bremen II holte im selben Jahr nur 22 Punkte, ebenso viele waren es beim Rivalen Rot-Weiß Erfurt im Jahr 2017. Ohne Punktabzug, wohlgemerkt. Nun geht es zunächst nur noch darum, nicht in den kommenden Jahren als Team mit den wenigsten Zählern im Drittliga-Geschichtsbuch zu stehen. Um dann mit einem Stadionneubau, der bis zum Jahr 2023 abgeschlossen sein und Jena infrastrukturell wieder auf Drittliga-Niveau bringen soll, auch sportlich die nächste Rückkehr auf nationaler Ebene anzupeilen.

   

Das könnte Sie auch interessieren

Auch interessant

Back to top button