Strittige Szenen am 32. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die Tore für Magdeburg, die nicht gegebenen Elfmeter für Magdeburg, Würzburg, Braunschweig, Halle, Ingolstadt und Uerdingen, die verwehrten Treffer von Würzburg und Unterhaching, ein Foulspiel von Hajrovic sowie das Duell zwischen Hoffmann und Rahn: Am 32. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zwölf Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Nach einer Flanke von Mario Kvesic trifft Marcel Costly zum 1:0 für Magdeburg. Köln reklamiert Abseits, Schiedsrichter Florian Lechner gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 6:30]

Babak Rafati: Anhand der vorliegenden Bilder kann nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob eine Abseitsposition vom Magdeburger Costly vorliegt.

Szene 2: Im Strafraum wird Leon Bell Bell (Magdeburg) von Sead Hajrovic (Köln) zu Fall gebracht. Kein Elfmeter, sagt Lechner. [TV-Bilder – ab Minute 2:25]

Babak Rafati: Hajrovic kommt im eigenen Strafraum mit hohem Tempo angelaufen und springt mit einer Grätsche in den Zweikampf gegen Bell Bell. Wenn Bell Bell nicht hochgesprungen und ausgewichen wäre, hätte es bei diesem Tempo einen intensiven Kontakt gegeben, der in der Folge einen Strafstoß nach sich gezogen hätte. Da das aber nicht eintrifft, liegt kein Foulspiel vor. Hajrovic hat auch Glück, dass er bei seiner Abwehraktion den Ball zwar mit dem Arm zur Ecke abwehrt, dieser aber in natürlicher Haltung ist, sodass kein absichtliches Handspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 3: Sead Hajrovic (Köln) foult Sören Bertram (Magdeburg) im Mittelfeld und sieht Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:55:20]

Babak Rafati: Bertram legt sich den Ball im Mittelfeld vor und startet mit vollem Tempo Richtung gegnerisches Tor, um einen guten Angriff einzuleiten. Dabei kommt Hajrovic angelaufen und lässt Bertram ca. 35 Meter vor dem eigenen Tor über sein Knie springen, foult ihn dadurch in brutaler Weise und bringt ihn rüde zu Fall. Der Ball ist überhaupt nicht Spielobjekt und die Attacke ist nur gegen Bertram gerichtet. Bei dieser Aktion wird die Gesundheit des Gegenspielers gefährdet, sodass nur eine rote Karte die einzig richtige Entscheidung sein kann. Eine Fehlentscheidung, es bei der gelben Karte zu belassen.

Szene 4: Anthony Roczen (Magdeburg) staubt nach einem Schuss von Sören Bertram zum 2:0 ab. Erneut wird Abseits reklamiert, Lechner gibt das Tor. [TV-Bilder – ab Minute 3:05]

Babak Rafati: An den Rasenmarkierungen kann man sehr gut erkennen, dass zum Zeitpunkt des Torschusses von Bertram sein Mitspieler Roczen im passiven Abseits steht. Nach der Torwartabwehr greift er dann aktiv ins Spiel ein und erzielt ein Tor. Hierbei handelt es sich um die gleiche Spielsituation, sodass diese Abseitsposition strafbar wird und das Tor somit nicht hätte zählen dürfen. Diesen Treffer für Magdeburg trotzdem anzuerkennen, ist eine Fehlentscheidung

 

Szene 5: Bei einem Angriff der Würzburger Kickers springt Niklas Hoffmann der Ball an die Hand. Das Spiel läuft weiter und Würzburg trifft zum 1:0. Nach Rücksprache mit seinem Assistenten gibt Schiedsrichter Justus Zorn den Treffer aufgrund des vermeintlichen Handspiels nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Bei dieser Szene lässt der Schiedsrichter zunächst weiterspielen. Nach Torerzielung meldet der Schiedsrichter-Assistent seinem Schiedsrichter, dass vorher ein Handspiel von Hoffmann vorgelegen hat. Dieses Handspiel ist allerdings kein absichtliches Vergehen, vielmehr wird ihm im Zweikampf der Ball aus nächster Nähe an den Arm geschossen. Der Arm ist im normalem Bewegungsablauf und vergrößert keinesfalls die Körperfläche. Zudem ist keine Spannung im Arm, vielmehr wird der Arm nach dem Anschießen zurückgezogen, was immer ein Indiz dafür ist, dass keine Absicht vorliegt, zumal eine Reaktion so schnell gar nicht erfolgen kann. 

Eine Fehlentscheidung. das Tor von Würzburg zu annullieren. Sollte das Handspiel unabsichtlich gewesen sein, wurde die Regel präzisiert und bleibt nur dann auch bei unabsichtlichem Handspiel strafbar, wenn der  Ball auf diese Weise zu einem Mitspieler springt und umgehend ein Tor oder eine Torchance folgt. Wird nach dem Handspiel jedoch zunächst per Pass oder Dribbling weitergespielt, liegt kein strafbares Handspiel mehr vor. 

Szene 6: Nach einem Zweikampf geraten Niklas Hoffmann (Würzburg) und Matthias Rahn (Duisburg) aneinander. Der Würzburger bearbeitet seinen Gegenspieler am Hals, eine Karte sieht er nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:30:35]

Babak Rafati: Nach einem Foulspiel von Rahn an Hoffmann an der Seitenlinie im Mittelfeld geraten beide am Boden aneinander. Dabei reißt Hoffmann im Fallen seinen Gegenspieler am Nacken mit herunter und bearbeitet ihn noch ein wenig unsauber beim Aufprall auf dem Boden. Von einer Tätlichkeit kann in dieser Szene nicht die Rede sein, auch nicht von einem versuchten Schlagen, was beides eine rote Karte nach sich ziehen würde. Aber in dieser Szene wäre eine gelbe Karte gegen Hoffmann zwingend vorgeschrieben gewesen. Auch eine gelbe Karte gegen Rahn für das Foulspiel wäre hierbei möglich gewesen und hätte nicht nur taktisch sehr gut rein gepasst. Eine Fehlentscheidung, beide Augen zuzudrücken und zumindest die Karte gegen Hoffmann nicht zu geben.

Szene 7: Fabio Kaufmann (Würzburg) läuft auf MSV-Keeper Leo Weinkauf zu und geht außerhalb des Strafraums zu Fall. Zorn lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]

Babak Rafati: Nach einem verunglückten Rückpass läuft der Duisburger Torwart Weinkauf aus seinem Strafraum heraus und will zum Ball. Zentral vor dem Strafraum kommt es dann zu einem Laufduell zwischen ihm und seinem Gegenspieler Kaufmann, der dem Ball nachgelaufen ist. Der Angreifer will auch zum Ball laufen, jedoch schneiden sich die Laufwege, sodass der Torwart seinen Fuß vor die Füße des Angreifers setzt und ihn dadurch zu Fall bringt. Das ist zwar absolut unbeabsichtigt, jedoch spielt das bei der Bewertung eines Foulspiels überhaupt keine Rolle, sodass ein Foulspiel vom Keeper vorliegt. Hier hätte es einen Freistoß für Würzburg und in der Konsequenz die rote Karte gegen den Keeper geben müssen, weil eine klare Torchance vereitelt wurde. Somit eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 8: Im Strafraum geht Merveille Biankadi (Braunschweig) gegen Kai Gehring (Großaspach) zu Fall und fordert einen Elfmeter. Diesen gibt Schiedsrichter Manuel Gräfe nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:59:55]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf, kurz vor dem Strafraum von Großaspach, bedrängt Gehring seinen Gegenspieler Biankadi ein wenig mit den Armen am Oberkörper, was diesen etwas aus der Balance bringt und zu Fall bringt. Diese Aktion ist im Bereich des Erlaubten und fußballtypisch und ist daher kein Foulspiel. Im Fußbereich ist auch alles in Ordnung und es gibt keinen Kontakt, vielmehr knickt Biankadi selbst ein, weil er wie oben beschrieben in Bedrängnis kommt und leicht verstolpert. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 9: Nach einer Flanke in den Strafraum gehen Zwickau-Keeper Johannes Brinkies und ein Hachinger zum Ball, verfehlen ihn aber. Dombrowka staubt dahinter ab, doch Schiedsrichter Max Burda entscheidet auf Foulspiel und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:05:10]

Babak Rafati: Der Torhüter genießt nicht mehr wie vor ein paar Jahren absoluten Schutz im Fünfmeterraum, sondern wird im Zweikampf wie ein Feldspieler behandelt. Bei dieser Aktion gehen Torhüter Brinkies und der Angreifer im Luftduell zum Ball. Dabei begeht der Feldspieler überhaupt kein Foulspiel, sondern geht mit angelegtem Arm in den Zweikampf, sodass er und der Torhüter mit ihren Schultern zusammenprallen. Das ist ein korrekter Zweikampf, sodass das Tor für Unterhaching hätte zählen müssen. Das Foulspiel wird vom Assistenten, der viel weiter entfernt ist, angezeigt. Das ist nur dann vorgeschrieben, wenn ein klares und offensichtliches Foulspiel vorliegen würde und alle es sehen würden außer der Schiedsrichter. In dieser Szene hatte der Schiedsrichter freie Sicht und alles war ordnungsgemäß. Eine Fehlentscheidung, diesen Treffer nicht anzuerkennen.

 

Szene 10: Im Duell mit Jan Löhmannsröben (Münster) geht Stefan Kutschke (Ingolstadt) zu Boden. Schiedsrichter Sven Waschitzki entscheidet auf Schwalbe und zeigt dem Ingolstädter Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 3:20]

Babak Rafati: Kutschke will sich im gegnerischen Strafraum den Ball an 08kümvLöhmannsröben vorbeilegen. Dabei nimmt dieser das Bein heraus, um den Ball zu spielen. Er kann aber nicht mehr verhindern, dass er mit seinem ausgestreckten Bein den Angreifer trifft und zu Fall bringt. Das ist ein Foulspiel und hätte einen Strafstoß für Ingolstadt nach sich ziehen müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, diesen Strafstoß nicht zu geben und stattdessen auf Schwalbe zu entscheiden.

 

Szene 11: Thilo Leugers (Meppen) bringt Bentley Baxter Bahn (Halle) im Strafraum zu Fall, Schiedsrichter Frank Willenborg pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:45]

Babak Rafati: Bahn spielt den Ball im gegnerischen Strafraum zum Mitspieler. Dabei kommt Leugers angelaufen und will zum Ball, trifft jedoch den Angreifer kurz und ansatzlos unten am Fuß und bringt ihn zu Fall. Die Aktion ist keinesfalls beabsichtigt, aber dadurch, dass er etwas zu spät kommt und der Ball bereits gespielt wurde, kommt es zu diesem Tritt, was ein Foulspiel ist. Es hätte einen Strafstoß für Halle geben müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor.

 

Szene 12: Christian Kinsombi (Uerdingen) wird von Tim Kircher (Jena) im Strafraum getroffen und zu Fall gebracht. Schiedsrichter Christof Günsch lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:10]

Babak Rafati: Bei einem Zweikampf im Strafraum von Jena versucht Kircher den Ball vom Fuß des Angreifers Kinsombi zu klären, trifft jedoch nicht den Ball, sondern entscheidend Kinsombis Beine und bringt ihn dadurch aus der Balance, sodass er anschließend zu Boden fällt. Das ist ein Foulspiel und hätte einen Strafstoß für Uerdingen geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen Strafstoß nicht zu geben.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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