Strittige Szenen am 35. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das nicht gegebene Tor von Mannheim, die Elfmeter für Ingolstadt, Münster und Rostock, das 1:0 von Kaiserslautern, das 1:1 von Münster, das 3:3 von Jena, das 2:1 von Bayern II, der verwehrte Strafstoß für Rostock und der Platzverweis gegen Mbom. Am 35. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zehn Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Nach einem Freistoß von Arianit Ferati in den Strafraum von Ingolstadt prallen Fabijan Buntic und Nico Antonitsch zusammen und behindern sich gegenseitig, sodass Kevin Koffi zum 1:0 für Mannheim abstaubt. Schiedsrichter Robert Kempter gibt den Treffer zunächst, entscheidet nach Rücksprache mit seinem Assistenten aber auf Abseits und verwehrt dem Tor die Anerkennung. [TV-Bilder – ab Minute 0:35]

Babak Rafati: Ob der Torschütze Koffi oder ein Mitspieler zum Zeitpunkt der Freistoßausführung in den Strafraum von Ingolstadt im Abseits stehen, kann man anhand der vorliegenden TV-Bilder nicht bewerten. Es geht sicherlich um Millimeter. Ein Foulspiel an den Torhüter liegt nicht vor, was der Schiedsrichter aber auch offensichtlich nicht ahndet.

Szene 2: Nach einer Flanke in den Strafraum hat Florian Flick (Mannheim) den Fuß im Duell mit Fatih Kaya (Ingolstadt) weit oben, trifft ihn aber nicht. Dennoch gibt es Elfmeter für Ingolstadt. [TV-Bilder – ab Minute 1:35]

Babak Rafati: Nach einer Flanke in den Strafraum von Mannheim geraten Flick und Kaya im Luftkampf aneinander. Dabei nimmt Flick den Fuß zu hoch und will den Ball spielen. Als er jedoch sieht, dass auch Kaya mit dem Kopf zum Ball will, zieht er sein Bein wieder zurück und es kommt überhaupt nicht zum Kontakt. Warum sich Kaya dann an den Kopf greift und zu Boden geht, bleibt sein Geheimnis. Hier hätte es einen indirekten Freistoß für Ingolstadt wegen gefährlichen Spiels (Fuß zu hoch) geben müssen statt eines Elfmeters. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor.

 

Szene 3: Nach einer Flanke in den Strafraum ist Zwickau-Keeper Johannes Brinkies am Ball, kann ihn im Luftduell aber nicht festhalten. So gelangt das Spielgerät zu Heinz Mörschel, der zum Ausgleich trifft. Schiedsrichter Patrick Schwengers gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:50:30]

Babak Rafati: Einen Flankenball in den Strafraum fängt Keeper Brinkies zunächst einmal ab, lässt ihn aber auch gleich wieder aus den Händen fallen. Dabei wird er zwar vom Gegenspieler Mörschel bedrängt, dieser orientiert sich aber mit dem Blick nur zum Ball und hindert den Torhüter nicht aktiv. Der Keeper geht selbst zum Ball und zum Angreifer und verursacht selbstverschuldet einen Kontakt, sodass kein Foulspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, diesen Treffer für Münster anzuerkennen. 

Szene 4: Münster greift an, im Mittelfeld kommt es zum Duell zwischen Marco Königs (Münster) und Gerrit Wegkamp (Zwickau). Der Zwickauer bleibt liegen, das Spiel läuft weiter. Im Strafraum kommt das Spielgerät zu Joel Grodowski, der gegen Johannes Brinkies (Zwickau) zu Fall kommt. Elfmeter für Münster. [TV-Bilder – ab Minute 2:04:30]

Babak Rafati: Bevor es in den Strafraum von Zwickau geht, gibt es zwei Zweikämpfe – Königs gegen Wegkamp und Grodowski gegen Julius Reinhardt -, die allerdings im Bereich des Erlaubten sind. Beim zweiten und entscheidenden Zweikampf, kurz vor dem Strafraum, hat der Angreifer natürlich den Arm ein wenig am Körper des Verteidigers, das ist aber fußballtypisch und somit absolut sauber. Fußball ist ein Kontaktsport, auch wenn die Spieler minimale Kontakte gerne zum Anlass nehmen und sich fallen lassen. Das ist branchenüblich.

Bei Angreifern mag es noch in der Folge einfach nur keinen Strafstoß geben, wenn die Szene vom Schiedsrichter entlarvt wird, aber die Verteidiger sollten das besser unterlassen, da die Folgen schwerwiegender ausfallen. Was daraus entstehen kann, sieht man in dieser Szene. Nachdem sich Grodowski durchsetzt und auf das Tor von Zwickau läuft, kommt Keeper Brinkies herausgelaufen und springt mit der Absicht den Ball spielen zu wollen vor die Füße des Angreifers. Dabei verfehlt er den Ball und bemerkt im letzten Moment, dass er Grodowski treffen könnte und versucht daher reflexartig zurückzuziehen, trifft ihn im Bewegungsablauf aber dennoch und bringt ihn final zu Fall. Das ist ein Foulspiel und somit eine richtige Entscheidung, einen Strafstoß für Münster zu geben.

 

Szene 5: Nach einem Pass von Lucas Röser ist Mohamed Morabet freit durch und trifft zum 1:0 für Kaiserslautern. Hansa moniert Abseits, Schiedsrichter Robert Schröder gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 53:05]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Zuspiels von Röser auf Mitspieler Morabet steht dieser klar im Abseits, sodass der Treffer für Kaiserslautern nicht hätte zählen dürfen. Es war vom Assistenten zunächst einmal richtig abzuwarten, ob Morabet aktiv ins Geschehen eingreift oder womöglich sein Mitspieler, der nicht im Abseits stand, zum Ball geht. Aber aufgrund des Verlaufs, wie wir es gesehen haben, hätte der Assistent nachträglich auf Abseits entscheiden müssen. Somit eine Fehlentscheidung.

Szene 6: Korbinian Vollmann (Rostock) bringt einen Hanslik-Pass auf das Tor. André Hainault (Kaiserslautern) steht im Weg und blockt den Ball möglicherweise mit der Hand. Das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:21:35]

Babak Rafati: Nach dem Schuss von Vollmann auf das Tor von Kaiserslautern bekommt Hainault den Ball aus kurzer Distanz gegen den Arm geschossen und blockt diesen. Er dreht sich zum Zeitpunkt des Schusses seitlich zum Schützen, nimmt dabei aber gleichzeitig den rechten Arm bewusst und aktiv zur Hilfe und spreizt diesen vom Körper ab, um seine Körperfläche zu vergrößern. Das ist ein absichtliches Handspiel und hätte mit einem Strafstoß für Rostock sowie einer gelben Karte gegen Hainault geahndet werden müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 7: Im Strafraum geht Daniel Hanslik (Rostock) nach einem Duell mit Alexander Nandzik (Kaiserslautern) zu Fall, es gibt Elfmeter für Rostock. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Strafraum von Kaiserslautern wollen Hanslik und Nandzik zum Ball, beide spielen diesen aber nicht. Der Verteidiger läuft nur Richtung Ball, der Angreifer will jedoch aktiv mit seinem Fuß zum Ball und trifft selbstverschuldet den Fuß des Verteidigers und lässt sich anschließend fallen. Da die Bewegung vom Angreifer ausgeht und der Verteidiger nichts macht, ist das kein Foulspiel, aber auch kein Stürmerfoul und auch keine Schwalbe. Weiterspielen wäre die einzig richtige Entscheidung gewesen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, diesen Strafstoß für Rostock zu pfeifen. Man wird womöglich sagen, dass das Verhalten des Angreifers clever war und er diesen Kontakt dankend angenommen hat.  

 

Szene 8: Eine Jeong-Flanke verwertet Malik Tillmann zum 2:1 für die Bayern. Schiedsrichter Christian Dingert gibt den Treffer. 1860 moniert, dass Kwasi Wriedt (Bayern II) im passiven Abseits stand und die Sicht von 1860-Keeper Marco Hiller verdeckt haben soll.  [TV-Bilder – ab Minute 3:25]

Babak Rafati: Zwar steht Wriedt sehr zentral im Abseits, aber er behindert oder versperrt die Sicht des Torhüters keinesfalls, zumal der Torhüter keine Chance mehr hat einzugreifen. Wäre der Ball von Tillmann auf den langen Pfosten geköpft worden, stünde Wriedt in der Flugbahn des Balles und hätte somit aktiv eingegriffen. In diesem Fall trifft das aber nicht zu, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, diesen Treffer für Bayern anzuerkennen.

 

Szene 9: Nach einem Zweikampf mit Fabio Kaufmann (Würzburg) an der Torauslinie sieht Manuel Mbom (Uerdingen) von Schiedsrichter Patrick Kessel Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:25]

Babak Rafati: Kaufmann legt sich den Ball auf der rechten Außenbahn ein paar Meter vor dem Strafraum an seinem Gegenspieler Mbom vorbei und wird anschließend durch ein Allerweltsfoul gestoppt und am Weiterlaufen gehindert, sodass er zu Fall kommt. Vom Vergehen her ist das überhaupt keine gelbe Karte. Da der Angreifer allerdings aus einer aussichtsreichen Position einen sehr guten Angriff in den Strafraum einleiten kann, fällt dieses Foulspiel in die Kategorie taktisches Foulspiel und wird somit vollkommen berechtigt mit der gelben Karte bestraft, zumal der Verteidiger keine Chance mehr zum Ball hat und nur den Gegner ins Visier nimmt. Eine richtige Entscheidung, in der Folge die gelb-rote Karte gegen Mbom zu geben.

 

Szene 10: Eine Ecke bringt Aytac Sulu zum 3:3 für Jena im Tor unter. Halle reklamiert Foulspiel, Schiedsrichter Lukas Benen gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:30:00]

Babak Rafati: Nach einer Ecke in den Strafraum von Halle kommt es zu einem Luftkampf, bei dem sich Sulu mit robustem Körpereinsatz, aber dennoch fair gegen seinen Gegenspieler behauptet und den Ball anschließend ins gegnerische Tor köpft. Eine richtige Entscheidung, diesen Treffer für Jena anzuerkennen.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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