Abstieg nach neun Jahren: Münster verlässt die 3. Liga

Sie gaben die Schlacht nicht verloren und müssen sich den Tatsachen nun doch beugen: Preußen Münster steigt nach einem 0:3 gegen Meppen in die Regionalliga ab, da Zwickau zeitgleich gegen Chemnitz gewinnen konnte (2:1) und der Rückstand auf das rettende Ufer nun vier vier Punkte beträgt. Mit dem SCP geht der dienstälteste Drittligist nach neun Jahren vorerst zurück in den ambitionierten Amateurfußball, und dann auch noch in die so starke West-Staffel. Eine Rückkehr ist ungewiss, doch der Klub nimmt sein Schicksal mit Würde.

Erster Abstieg seit 14 Jahren

Mit der Aussage, es sei der "unverdienteste verdiente Abstieg" aller Zeiten, erfasste ein Fan die Gemengelage rund um den ersten Abstieg aus der eingleisigen 3. Liga durchaus präzise. Beschweren brauchte sich beim SC Preußen niemand und tat dies auch nicht. Nach 14 Jahren ohne das Gefühl, eine Liga nach unten hin verlassen zu müssen, war Münster wohl oder übel einfach fällig. Gestartet 2011 als kesser Neuankömmling, rasch weiterentwickelt zum Aufstiegskandidaten und kurzzeitig sogar einem der finanziellen Schwergewichte der Liga, fehlte den Preußen wirtschaftlich rasch die Substanz und Struktur für Größeres. Seit 2015, kurz vor der Halbzeit der langen Drittliga-Episode der Adlerträger, musste der Kader mit immer weniger Prominenz zurechtkommen, der Etat wurde zusammengeschrumpft. Als Ende 2016 eine neue Vereinsführung mit dem großen Ziel eines Stadionneubaus antrat, fand sie zunächst Schulden in Millionenhöhe vor. Schulden, die eigentlich abgebaut sein sollten.

Ein wenig hatten sich die Preußen vielleicht blenden lassen von der überragenden Saison 2012/13, damals verspielte der Sportclub die 2. Bundesliga erst an den Schlussspieltagen. Nun war der Traum aber im Kopf, es wurde viel in Beine investiert, während die Steine seit neun Jahren fast die gleichen blieben: Das Preußenstadion an der Hammer Straße ist seit Jahrzehnten ein Sanierungsfall, daran ändert auch das einzig moderne Bauwerk – die Haupttribüne – wenig. Als der SC Preußen 2011 in die Liga kam, war der infrastrukturelle Nachteil noch eher gering. Darmstadt, Erfurt, Regensburg, Chemnitz, Offenbach, Saarbrücken: Sie alle spielten in ähnlich baufälligen Arenen. Nun stehen in den Städten hochmoderne Arenen. Nur in Münster nicht. Immerhin gibt es einen Plan für die Sanierung. Böse Zungen behaupten aber, nach dem Abstieg könnte die Lokalpolitik der Westfalen, die dem SCP schon so manches Bein gestellt hat, auf Ideen kommen und die Notwendigkeit einer "Kernsanierung" des Preußenstadions ein weiteres Mal anzweifeln.

Knackpunkt Infrastruktur 

Ohne modernes Stadion fehlen einige Zuschauer, Kapazität für Sponsoren und damit allen voran Einnahmen. Doch nicht nur hier ging Münster im Drittliga-Vergleich mit immer schwierigeren Voraussetzungen an den Start. Weiterhin steht für das Training nur ein großer Rasenplatz zur Verfügung, sämtliche Juniorenteams teilen sich eine Kunstrasenfläche. Das ist gerade einmal viertliga-tauglich. Im Improvisieren waren die Schwarz-Weiß-Grünen spitze, machten viel aus ihren Möglichkeiten. Doch große Argumente, Spieler für sich zu gewinnen, hatte der SCP zuletzt nicht mehr: Die Zahlungsbereitschaft lag aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage allenfalls im hinteren Mittelfeld der Liga, die Infrastruktur auch. Blieb einzig die unbestritten schöne Stadt, in die sich zahlreiche Spieler tatsächlich verlieben.  

Nun ist es trotz aller Anklagen trotzdem möglich, mit diesen Mitteln die 3. Liga zu halten – nur eben nicht unendlich lange. Einige Jahre ging es gut: Erst rettete die Preußen der erfahrene Benno Möhlmann im Jahr 2017, dann in Marco Antwerpen ein aufstrebender Trainer, der im Sommer 2019 aber den Klub verließ. Jeder wusste, warum: Antwerpen wollte Ziele vor den Augen haben, eine Perspektive. Münster aber musste weiter sparen, war dabei vielleicht schon in einem Teufelskreis angekommen: Denn ohne echte Chance, nochmals einen Anlauf auf die 2. Bundesliga zu starten, würde sich auch die finanzielle Situation in der 3. Liga, in der konstant schwarze Zahlen in der Jahresbilanz eine kleine Sensation sind, kaum stabilisieren.

Im Herbst 14 Spiele ohne Sieg

Jeder weiß, dass der Abstieg des SC Preußen im Herbst 2019 geschehen ist. 14 Spiele in Folge blieb der SCP nach einem eigentlich starken Start plötzlich sieglos – das übertraf im deutschen Profifußball wohl nur noch Schalke 04 dieser Tage. Sven Hübscher, der auf Antwerpen folgte, hatte versucht, einen attraktiven, mutigen und offensiven Fußball zu etablieren. Doch er scheiterte auf bittere Art und Weise. Denn Tore schoss der SCP durchaus – kassierte aber stets mehr, als er selbst erzielte. Die Balance zwischen Offensive und Defensive gelang zwischenzeitlich überhaupt nicht mehr, da führte plötzlich Viktoria Köln mit 3:0 in Münster, der FC Bayern II gar mit 4:0. Hübschers Taktik war nicht allein ursächlich. Auch die Zusammenstellung des Kaders, so schwierig sie unter den gegebenen Umständen auch gewesen sein mochte, war Sportchef Malte Metzelder nicht optimal gelungen. René Klingenburg, der vor der Abwehr zwischen Zweikampfstärke, Laufbereitschaft und sogar Offensivdrang mit guter Abschlussqualität so viele Qualitäten vereinte, war in die zweite Liga nach Dresden gewechselt. Auf der Sechs aber fehlte den Preußen ein solcher Lenker, ein Lautsprecher.

Als im Winter Jan Löhmannsröben aus den Tiefen der Regionalliga für exakt diese Position nachverpflichtet wurde, stabilisierte sich Münster sofort. Sascha Hildmann, Hübschers Nachfolger, impfte einen weniger spektakulären Spielstil ein, der aber das Punktekonto rasch anwachsen ließ. Mit ihm hätte es vielleicht funktioniert, die Klasse zu halten. Nun werden Preußen Münster wenige Zähler fehlen. Vielleicht, weil man Hübscher bis zum 17. Spieltag und damit zu lange Zeit gab. Vielleicht, weil der Kader – auch durch Abgänge von Kobylanski, Menig und Akono – entscheidend an Qualität verloren hatte. Vielleicht aber auch, weil die Adlerträger in diesem Jahr einfach fällig waren.

   

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