Verl-Sportchef: "Wollen ein etablierter Drittligist werden"

Im Interview mit liga3-online.de spricht Verls Sportvorstand Raimund Bertels über den Aufstieg in die 3. Liga, den Moment des Erfolgs, Kaderplanungen und Ziele im Profifußball.

"Stehe noch zu sehr unter Strom"

Herzlichen Glückwunsch zum Aufstieg in die 3. Liga, Herr Bertels! Können Sie den Erfolg schon realisieren?

Raimund Bertels: Das wird wohl noch etwas dauern (lacht) Gerade herrscht noch absolute Euphorie und Feierstimmung, gleichzeitig steht jetzt viel Planungsarbeit für die 3. Liga an. So viele Telefonate wie am Tag nach dem Aufstieg habe ich selten geführt. Ich stehe noch zu sehr unter Strom, um den Erfolg zu realisieren. Das passiert wohl erst, wenn ich demnächst mal zur Ruhe komme.

Sie sind bereits seit Ewigkeiten beim SC Verl, kickten früher selbst für den Klub und sind seit 2001 in verschiedenen Funktionen für die Ostwestfalen tätig. Ist mit dem Sprung in den Profibereich ein Lebenstraum für Sie in Erfüllung gegangen?

Absolut. Als ich damals beim SC Verl Trainer in der Regionalliga wurde, war das für mich schon eine große Sache. Der Aufstieg in die 3. Liga ist aber noch einmal eine andere Hausnummer. Nachdem wir letztes Jahr betont hatten, dass wir oben mitspielen und bis 2024 aufsteigen wollen, wurden wir von einigen Leuten müde belächelt. Und jetzt ist die "graue Maus" aus Verl plötzlich Drittligist. Das macht mich unglaublich stolz.

Im Relegations-Rückspiel gegen den 1. FC Lok Leipzig reichte ein 1:1, um sich nach dem 2:2 im Hinspiel durchzusetzen. Wie haben Sie das Spiel erlebt?

Ich hatte lange nicht mehr eine solche Unruhe im Körper, wie vor und während des Spiels. Auch nicht bei den DFB-Pokalpartien. Grund dafür ist, dass die Pokalbegegnungen, so groß das mediale Aufsehen auch war, "Bonbons" waren. Wir haben sie natürlich genossen, aber es stand dabei nicht eine komplette Saison auf dem Spiel. In der Relegation war das nun anders. Es ging um alles oder nichts und nur 90 Minuten hätten unsere komplette Arbeit während der Saison zerstören können. Zum Glück haben sie das nicht und wir konnten nach Abpfiff den Aufstieg feiern.

Wie schon im Hinspiel ging Verl zunächst in Rückstand, glich aber später noch aus. Aufgrund der Verletzung von Schiedsrichter Arne Aarnink und der zwischenzeitlichen Unterbrechung gab es satte 13 Minuten Nachspielzeit. Wie angespannt waren Sie in den Schlussminuten?

Das waren wohl die längsten 13 Minuten meines Lebens. (lacht) In einer solchen Spielphase ist man kaum noch dazu in der Lage, rational zu denken. Als die Nachspielzeit angezeigt wurde, dachte ich, dass das ein schlechter Scherz wäre. An die Unterbrechung, weshalb die vielen Zusatzminuten natürlich angebracht waren, hatte ich gar nicht mehr gedacht. Je länger das Spiel ging, desto langsamer vergingen die Sekunden. Als Lok Leipzig dann am Ende alles nach vorne warf und viele Flanken in unseren Strafraum schlug, ging mein Puls noch einmal hoch. Aber wir haben sehr gut verteidigt und keine Großchancen mehr zugelassen.

Was ging Ihnen beim Abpfiff durch den Kopf?

Ich habe einfach eine sehr große innere Freude verspürt und wollte sie mit so vielen Spielern und Vereinsverantwortlichen wie nur möglich teilen. Der Moment des Erfolgs, in dem der ganze Druck abfällt, ist unbeschreiblich.

 

"Es kommt richtig viel Arbeit auf uns zu"

Für die Aufstiegsparty fuhren Sie vom Ausweichspielort Bielefeld zurück nach Verl. Die Feier ging bis in die Morgenstunden. Haben Sie ausgelassen mitgefeiert oder das "Ausrasten" den Spielern überlassen?

Für das Ausrasten bin ich zu alt, dafür waren die Spieler verantwortlich. (lacht) Ausgelassen mitgefeiert und meine Seele baumeln lassen habe ich aber trotzdem – das auch bis tief in die Nacht. Schade war nur, dass wir wegen der Corona-Beschränkungen nicht mit unseren Fans feiern durften. Als wir nach Verl mit dem Mannschaftsbus zurückkamen, konnten wir einige hunderte Anhänger zumindest mit einem Bus- und Autokorso an der Party teilhaben lassen. Ich habe mit einigen Fans gesprochen. Sie waren zwar traurig über die Situation, hatten aber vollstes Verständnis dafür, dass wir nicht aus dem Bus kommen und mit ihnen gemeinsam den Aufstieg bejubeln durften.

Erstmals in der Vereinsgeschichte kickt Verl nun in der eingleisigen 3. Liga. Was bedeutet dieser Erfolg für den Klub und die Stadt?

Sowohl für den Verein als auch für die kleine Stadt Verl ist der Aufstieg in die 3. Liga eine Riesensache. Ich habe immer gesagt, dass wir die Möglichkeit haben, in diesem Klub etwas zu bewegen und Großes zu schaffen. Dass uns das jetzt deutlich früher als erhofft gelungen ist, macht es umso schöner. Es wird vermutlich auch jetzt wieder Kritiker geben, die uns nicht zutrauen, in der 3. Liga mitzuhalten. Ich bin aber überzeugt, dass wir das können und sich in Verl etwas Nachhaltiges entwickelt. Unser Ziel ist, ein etablierter Drittligist zu werden.

Letztes Jahr hatte sich Verl namhaft verstärkt, um in der Regionalliga West oben mitzuspielen. Wie sehen nun die Kaderplanungen für die 3. Liga aus?

Wir haben im vergangenen Sommer ein glückliches Händchen bewiesen und unter anderem mit Zlatko Janjic, Aygün Yildirim und Patrick Schikowski Spieler verpflichtet, die schnell zu absoluten Leistungsträgern wurden und entscheiden Anteil am Aufstieg hatten. Erstes Ziel ist jetzt, so viele Stammspieler wie möglich an unseren Verein zu binden. Dabei sind wir auf einem guten Weg. Aber es sollen auch neue Spieler zum Kader stoßen. In Kürze werden weitere Kaderentscheidungen verkündet.

Durch den Aufstieg gibt es für Neuverpflichtungen sicher auch neuen finanziellen Spielraum, oder?

Es öffnen sich an mehreren Stellen neue Türen. Als Drittligaverein sind wir nun auch interessanter für mögliche neue Wirtschaftspartner. Lassen Sie es mich so formulieren: Mit dem Aufstieg haben wir den wichtigsten Schritt für die Weiterentwicklung des Vereins gemacht. Aber erst jetzt kommt hinter den Kulissen richtig viel Arbeit auf uns zu.

Worauf freuen Sie sich in der 3. Liga am meisten?

Darauf, mit dem SC Verl durch das ganze Land zu reisen. Dass unser Verein nun regelmäßig deutschlandweit präsent ist und wir in vielen großen Stadien spielen dürfen, macht mich absolut glücklich. Wir sind jetzt tatsächlich ein kleiner Profiklub. Das haben wir uns alle immer gewünscht.

   

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