Enochs: "Sind glücklich, aber für die Zukunft gewarnt"
Im Interview mit liga3-online.de spricht Zwickaus Trainer Joe Enochs über den erst am letzten Spieltag sichergestellten Klassenverbleib, die kräftezerrenden Monate nach dem Re-Start, den starken Saison-Endspurt und Planungen für die kommende Spielzeit.
"Herausragende Mentalität"
liga3-online.de: Bloß zwei Tore bewahrten den FSV Zwickau vor dem Abstieg in die Regionalliga Nordost. Wie erleichtert sind Sie über den Klassenverbleib, Herr Enochs?
Joe Enochs: Wir sind natürlich alle extrem erleichtert. Es waren sechs intensive Wochen seit dem Re-Start. Dass wir nach so vielen Nackenschlägen zurückgekommen sind und die Klasse gehalten haben, ist alles andere als selbstverständlich. Wir sind glücklich, aber für die Zukunft gewarnt und werden alles daran setzen, dass wir in der kommenden Saison nicht mehr in eine solch brenzlige Situation geraten.
Während Zwickau am letzten Spieltag 0:0 in Mannheim spielte, gewann Abstiegskonkurrent Chemnitz 4:2 gegen Hansa Rostock. Waren Sie überrascht über den deutlichen CFC-Sieg?
Überhaupt nicht. Wir hatten bereits bei unserem 2:1-Erfolg gegen Chemnitz wenige Tage zuvor gesehen, wie stark der CFC ist. Ich hatte es im Gefühl, dass Chemnitz gegen Rostock gewinnen wird und war mir sicher, dass wir mindestens einen Punkt für den Klassenerhalt brauchen. So kam es dann auch.
Waren Sie während der Partie in Mannheim ständig über den Spielstand in Chemnitz informiert?
Ja, es gab ständig Updates. Wir wollten unbedingt das komplette Spiel über informiert sein, um auf die Ereignisse in Chemnitz reagieren zu können. Beispielsweise wollten wir zwischendurch einen defensiven Spielerwechsel vornehmen, haben dann aber aufgrund des 4:1-Zwischenergebnisses auf dem anderen Platz vorerst darauf verzichtet. Schließlich hätten wir zu diesem Zeitpunkt bei einem weiteren Chemnitzer Tor gewinnen müssen, um nicht auf den Abstiegsplatz zu rutschen. Es war ein sehr spannender, aber auch nervenaufreibender letzter Spieltag.
Der Nicht-Abstieg wurde dank eines starken Endspurts erreicht – aus den letzten drei Partien holte Zwickau sieben von neun möglichen Punkten, dabei besiegte der FSV Aufsteiger Eintracht Braunschweig (3:2) und Abstiegskonkurrent Chemnitz (2:1). Wie war dieser Leistungsanstieg nach zuvor fünf Spielen ohne Sieg (vier Niederlagen) möglich?
Dazu möchte ich zunächst einmal sagen, dass wir in der Phase ohne Sieg nicht immer schlecht gespielt haben. Im Gegenteil: Beim 1:2 in Münster haben wir die Partie nach Führung unglücklich in der Schlussphase hergeschenkt, beim 3:3 gegen Unterhaching mussten wir erst spät den Ausgleich hinnehmen. Und auch das 0:3 gegen den jetzigen Relegationsteilnehmer FC Ingolstadt war besser, als es das Ergebnis aussagt. Wir haben uns leider mit einigen individuellen Fehlern um unseren Lohn gebracht. Den verdienten Lohn für unsere harte Arbeit gab es dann zum Glück an den abschließenden Spieltagen. Durch eisernen Willen, den Glauben an unsere Stärken und eine herausragende Mentalität konnten wir das Ruder noch herumreißen.
"Ein absoluter Kraftakt"
Insgesamt waren die letzten Saisonmonate nach dem Re-Start mit den vielen Englischen Wochen ein Kraftakt, oder?
Diese Saison war alles andere als normal und wir mit unserem kleinen Kader gingen auf dem Zahnfleisch. Vor allem vor unseren Spielern, die alle elf Partien nach dem Re-Start über die volle Distanz absolviert haben, ziehe ich den Hut. Das war wirklich ein absoluter Kraftakt – sowie physisch als auch mental.
Wie kamen die Spieler mit der hohen Belastung zurecht?
Jeder unterschiedlich. Was ich auf jeden Fall sagen kann, ist, dass am Ende keiner mehr bei 100 Prozent war. Alle hatten hin und wieder kleinere Wehwehchen. Ein solches Szenario habe ich noch nie erlebt. Die gesamte Situation nach dem Re-Start war grenzwertig und hat alle Klubs vor eine riesige Herausforderung gestellt. Der von einigen Leuten angestellte Vergleich mit Spitzenklubs aus der 1. Bundesliga, für die eine solche Belastung mit Liga sowie nationalem und internationalem Pokal fast Routine ist, hinkt meiner Meinung nach. Wir sprechen dabei von Top-Teams aus einer Liga, in der es deutlich professionellere Infrastrukturen und damit einhergehende bessere Regenerationsmöglichkeiten gibt.
Nach einer so kräftezerrenden Saison mit so emotionalem Ende wurde der Klassenerhalt sicherlich gebührend gefeiert!
Das stimmt. Die Rückfahrt aus Mannheim war bereits eine einzige Party. (lacht) Wie wir dann bei der Ankunft in Zwickau von den Fans empfangen wurden, war einmalig. Ein Moment zum Genießen. Auch ich habe sicher das eine oder andere Bier mitgetrunken, muss aber sagen, dass ich bereits beim Feiern sehr reflektierend war. Ich habe darüber nachgedacht, wie wir es überhaupt so weit kommen lassen konnten, dass wir erst am letzten Spieltag den Abstieg verhindern. Es stand schließlich viel auf dem Spiel – nicht nur die sportliche Zukunft des FSV Zwickau, sondern unter anderem auch Arbeitsplätze in der Geschäftsstelle. Seitdem feststeht, dass wir auch nächste Saison in der 3. Liga spielen, denke ich darüber nach, wie wir uns verbessern können.
Heißt das, es steht gerade noch viel Arbeit an und der Sommerurlaub muss noch warten?
Korrekt. Wir kümmern uns aktuell um einige organisatorische Dinge, die beispielsweise den Vorbereitungsstart und ein mögliches Trainingslager betreffen. Außerdem ziehen wir intern auch noch ein Saisonfazit. Im Fokus steht natürlich auch die Kaderplanung. Wir wollen die Leistungsträger halten und uns punktuell mit Spielern verstärken, die unsere uns auszeichnende Mentalität verinnerlichen. Ende nächster Woche finde dann aber auch ich mal Zeit zum Abschalten. Meine jüngere Tochter, die noch zur Schule geht, hat dann endlich Ferien. (lacht) Dann werden wir mit der Familie in den Urlaub fahren.