Hansa Rostock: Zweitliga-Aufstieg im neunten Anlauf?

Einen Titel hat der F.C. Hansa Rostock schon sicher, bevor die Saison überhaupt gestartet ist: Gemeinsam mit dem Halleschen FC ist die Kogge "dienstältester" Drittligist, nachdem Preußen Münster nach neun Jahren abgestiegen ist. Nach dem neunten Jahr soll sich nun auch die Spielklasse von Hansa ändern – aber natürlich in die andere Richtung.

Wie lief die Vorsaison?

Eigentlich gar nicht übel. 59 Punkte sammelten Trainer Jens Härtel und seiner Spieler ein, in der Drittliga-Periode seit 2012 holte der Klub einzig in der Saison 2017/18 noch einen Punkt mehr. Gleich dreimal hintereinander ist Hansa auf dem sechsten Platz ins Ziel gekommen – der klassische Verfolger der Spitzenteams, zu denen Rostock so gerne gehören würde. Nun: So nah wie im Frühsommer 2020 war man an der Warnow den begehrten Plätzen noch nie. Bis zum 38. Spieltag bestand eine dann zugegebenermaßen nur noch theoretische Chance, in die Relegation einzuziehen. Verspielt hatte die Kogge eine bessere Ausgangslage bereits in der Hinrunde: Ein schwacher Start, ein starker Frühherbst, ein umso schlimmerer Spätherbst – Konstanz wäre so viel wert gewesen angesichts ebenso schwächelnder Konkurrenz. Aber: Schwamm drüber. Besser machen.

Wer ist gekommen, wer ist gegangen?

Ein Sommer ohne größeren Umbruch ist an der Ostsee selten. Und auch jetzt stehen einem guten Dutzend Abgängen bereits acht Neuzugänge gegenüber. Schmerzhaft ist der Verlust von Flügelspieler Aaron Opoku, der zurückkehrt zum Hamburger SV und dort unter Trainer Daniel Thioune auf den Durchbruch hoffen darf. Etwas verwunderlich war der Wechsel von Mittelfeldspieler Mirnes Pepic, der offen mit der 2. Bundesliga kokettierte – nun aber im MSV Duisburg bei der direkten Konkurrenz unterschrieben hat. Die emotionale Komponente spielt bei den Verlusten von Kai Bülow und auch Maximilian Ahlschwede eine Rolle, beide beenden ihre sportliche Karriere.

Bei den bisherigen Neuzugängen baut Trainer Härtel unter anderem auf ihm bekannte Spieler. In Manuel Farrona Pulido, Flügelspieler des VfL Osnabrück, und Defensivspieler Björn Rother, der direkt vom FCM kommt, setzt er auf zwei ehemalige Mitstreiter seiner Zeit beim 1. FC Magdeburg. In Kombination mit dem soliden Linksverteidiger Damian Roßbach (Karlsruher SC) und Flügelstürmer Aaron Herzog von Borussia Mönchengladbach wurden einige der namhaften Abgänge quantitativ wie qualitativ bereits mindestens kompensiert. Schlüsselspieler könnte aber der ballsichere Box-to-Box-Mittelfeldspieler Bentley Baxter Bahn werden. Drittliga-Stammspieler, etablierter Standardschütze, tolle Tor- und Scorerwerte für seine Position in den vergangenen Jahren – dieser Transfer schürt Erwartungen. Dazu ist in Maurice Litka (Münster) ein technisch beschlagener Offensivspieler dazugekommen.

Wie kommt Hansa durch die Corona-Krise?

Hansa ist vom Ausbleiben der Zuschauer in der 3. Liga mit am stärksten getroffen – pro Heimspiel fehlen gut 15.000 Fans, in den Sommermonaten und zu Beginn einer Saison, wenn die Erwartungen und Hoffnungen auch nach einigen enttäuschenden Jahren stets aufflackerten, gerne auch noch mehr. Mit kreativen Aktionen münzte Hansa die Treue seiner Fans in bares Geld um, etwa, indem die Anhängerschaft im Frühjahr den Fanshop des FCH leerkaufte. 2.500 Dauerkarten hatte der Verein zuletzt bereits abgesetzt, obwohl kein Inhaber weiß, wann er sein Saison-Abo wird nutzen können. Vorstandschef Robert Marien rechnet pro Heimspiel ohne Zuschauer mit einem Fehlbetrag von mehr als 200.000 Euro. Da käme – hochgerechnet auf eine ganze Saison – schnell ein niedriger Drittliga-Personaletat zusammen…

Dem gegenüber steht das ebenso ordentliche Sponsoring-Aufkommen, das im Vorjahr rund fünf Millionen Euro betrug. Auch der Hansa-Investor und umtriebige Geschäftsmann Rolf Elgeti wird den Klub in der Krise nicht "absaufen" lassen. Die zahlreichen frühen Transfers sind ein erstes Indiz dafür, dass die Kogge mit dem erzwungenen Sparkurs bislang zurechtkommt.

Und was geht in der kommenden Saison?

Was wäre diese Einschätzung ohne einen Blick in die Glaskugel. Bislang haben wir unter anderem die Neuen thematisiert. Doch auch das bisherige Gerüst, aus dem der Kader besteht, ist massiv. Angefangen beim Schlussmann Markus Kolke, der seit Jahren zur Drittliga-Spitze gehört, über die Innenverteidigung mit Kapitän Julian Riedel und Sven Sonnenberg, bis hin zum 15-Tore-Stürmer Pascal Breier und den individuell mit so viel Talent ausgestatteten Nik Omladic und Korbinian Vollmann: Hansa ist in der Lage, eine tolle erste Elf auf den Platz zu bringen. Eine Lehre der Vergangenheit ist aber, dass in dieser Spielklasse oft qualitativ breit besetzte Kader notwendig sind. Vielleicht hapert es daran im 24-Mann-Kader noch – allerdings werden während der Corona-Pandemie mehrere Klubs diese Probleme haben.

Kurzum: Hansa besitzt nach jetzigem Stand wieder das Potenzial, mindestens eine Verfolgerrolle einzunehmen. Findet das Team zu Harmonie und Konstanz, bleibt das Umfeld – ob im Stadion oder außerhalb – geerdet und ohne übertriebene Erwartungen ab der ersten Saisonminute, kann hier durchaus ein Aufstiegskader reifen. Die Würzburger Kickers haben jüngst vorgemacht, wie es klappen kann. 

   

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