Pokal-Streit: BFV fühlt sich von Türkgücü getäuscht
Es war ein Paukenschlag, als das Landgericht München am Freitagnachmittag per einstweiliger Verfügung entschied, dass Türkgücü München anstelle des 1. FC Schweinfurt für den DFB-Pokal gemeldet werden muss. Wie es nun weitergeht, ist offen. Der bayrische Fußballverband (BFV) fühlt sich derweil von Türkgücü getäuscht.
Kivran soll Verzicht auf Klage erklärt haben
Eigentlich wäre das Pokalspiel zwischen Schalke 04 und dem 1. FC Schweinfurt schon wieder Geschichte. Doch jetzt stehen weder Gegner des Bundesligisten noch Datum fest. Ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte des DFB-Pokals. “Wir waren völlig überrascht, dass Türkgücü Klage eingereicht hat", erklärte BFV-Präsident Dr. Rainer Koch am Sonntagabend bei "Blickpunkt Sport" im bayrischen Fernsehen. Überrascht reagierte Koch deshalb, weil er sich am 31. Juli laut eigener Aussage mit Türkgücü-Präsident Hasan Kivran getroffen hatte. "Bei dem Treffen ging es darum, ob Türkgücü die Rechtslage akzeptiert oder vor Gericht zieht." Wie der BFV-Präsident erklärte, habe ihm Kivran versichert, keine Klage einzureichen zu wollen.
Andernfalls hätte Koch auf ein schnelles Verfahren gedrängt, "damit nicht zwei Tage vor einem Termin eine einstweilige Verfügung erwirkt wird". Doch genau das ist passiert. Entsprechend sieht sich Koch getäuscht: "Offensichtlich ist es jetzt aufgrund der Streitigkeiten zwischen Schweinfurt und Türkgücü so gewesen, dass sich Herr Kivran nicht mehr an das halten wollte, was klar vereinbart war." Eine rechtsverbindliche Vereinbarung war seinerzeit allerdings nicht getroffen worden, wie der BFV-Boss eingestand.
Offensichtlich bestand dafür auch keine Notwendigkeit, da sich der Verband seiner Sache sicher war. Am 8. Mai hatte der Vorstand beschlossen: "Aus der Regionalliga Bayern wird der Klub zur Teilnahme an der Drittliga-Saison 2020/21 beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) gemeldet, der sportlich zum Datum des Ablaufs der Meldefrist an der Tabellenspitze steht. Gleiches gilt für den bayerischen Startplatz in der ersten DFB-Pokal-Hauptrunde 2020/21, der dem Bayerischen Amateurmeister als bestem Amateurteam aus der Regionalliga Bayern zusteht."
Streit um die Satzung
Zum Zeitpunkt des Beschlusses stand Türkgücü München mit neun Punkten vor Schweinfurt an der Tabellenspitze. Doch nachdem Türkgücü Mitte Juni wie erwartet vom BFV zum Aufsteiger gemeldet worden war, wurden die Spiele des Klubs kurz danach aus der Wertung der Regionalliga Bayern gestrichen. Die Satzung hatte der Verband zuvor entsprechend angepasst. Der Hintergrund: Im Gegensatz zu den anderen Regionalliga-Staffeln wurde die Saison in Bayern nicht abgebrochen, sondern wird ab dem kommenden Wochenende fortgesetzt. Und da ein Verein nicht in zwei Ligen gleichzeitig spielen kann, war die Annullierung der Türkgücü-Spiele aus Sicht des Verbandes unumgänglich. So kam es, dass zum Ablauf der Meldefrist für den DFB-Pokal der 1. FC Schweinfurt an der Tabellenspitze stand – und entsprechend gemeldet wurde. Da diese Meldung allerdings erst am 6. September erfolgte, konnte Türkgücü laut Geschäftsführer Max Kothny auch erst danach Einspruch einlegen.
Das tat der Klub auch deswegen, weil Schweinfurt laut Kothny wiederum juristische Schritte gegen den DFB wegen der Drittliga-Lizenz für Türkgücü eingeleitet haben soll. "Als wir das mitbekommen haben, konnte ich nicht anders handeln, als gegen die Pokal-Entscheidung vorzugehen", so Kothny. Koch bestreitet das Schweinfurt-Vorgehen allerdings. Und Kothny wiederum widerspricht Koch, was das Treffen mit Kivran angeht. Dass der BFV einen Tag vor der Meldung den Satz "Sollte zum Zeitpunkt der DFB-Pokal-Meldefrist der Spielbetrieb in der Regionalliga Bayern fortgesetzt worden sein, spielt die zu dem Datum beste Amateurmannschaft im DFB-Pokal" aus der Satzung strich, wertete Kothny derweil als Schuldeingeständnis des BFV.
"Schwerwiegender Eingriff in die Verbandsautonomie"
Jetzt muss das Gericht entscheiden. Nachdem das Landgericht den BFV-Beschluss als "nicht von der Satzung gedeckt" und damit "als rechtswidrig" bezeichnet hatte, wird sich in Kürze wohl das Oberlandesgericht damit beschäftigen.
Während Kothny gute Chancen für Türkgücü sieht, kommt Jan F. Orth, Vorsitzender Richter am Landgericht Köln, zu einer anderen Auffassung: "Die Leistungsverfügung des Landgerichts München I ohne mündliche Verhandlung an einem Freitagnachmittag über ein Ereignis am kommenden Sonntag ist offensichtlich gegen alle Üblichkeiten ergangen und stellt einen anmaßenden und schwerwiegenden Eingriff in die Verbandsautonomie des BFV dar, der nicht zu rechtfertigen ist", twitterte er. Der Beschluss sei daher "offensichtlich rechtswidrig" und müsse auf den Widerspruch des BFV, spätestens durch das OLG München aufgehoben werden". Mit einer schnellen Entscheidung rechnet Koch allerdings nicht. Noch ist aber etwas Zeit, da die zweite Pokalrunde erst am 22./23. Dezember ausgetragen wird.