Wie der SC Verl als Aufsteiger die 3. Liga aufmischt
Bis zum Sonntag schrieben sich die Geschichten über einen sensationellen Aufsteiger fast von selbst – der 1. FC Saarbrücken schob sich bis an die Tabellenspitze. Nun wurde der FCS entthront von einem, den wohl bedeutend weniger Experten auf der Rechnung hatten: Der Sportclub Verl ist in die Spitzengruppe vorgestoßen und belegt mit 13 Punkten aus sieben Spielen den vierten Platz. liga3-online.de nennt die Gründe für den Höhenflug der Ostwestfalen.
Erfahrene Achse
Die Mannschaft des SC Verl mochte bis auf wenige Ausnahmen nicht sonderlich viele Drittliga-Spiele auf dem Buckel haben, dafür aber sind so manche Vereinsurgesteine an Bord. Von Torhüter Robin Brüseke über das Innenverteidiger-Duo Julian Stöckner und Daniel Mikic – Letzter hat sich vom Regionalliga-Reservisten zum Drittliga-Stammspieler gemausert – bis hin zu den offensiven Edeljokern Matthias Haeder und Nico Hecker finden sich im Verler Kader viele Symbolfiguren, die auch die zahlreichen Neuzugänge schnell "eingenordnet" haben. Vorneweg marschiert Zlatko Janjic, der in Verl seinen zweiten Frühling erlebt und bald den zweiten Platz der Drittliga-Rekordtorjägertabelle einnehmen wird. Auch im Staff, vom Trainerstab über die medizinischen Betreuer bis zum Zeugwart, herrscht teils eine jahrzehntelange Verbundenheit zum Sportclub. Bezeichnend für den Zusammenhalt, der sich daraus entwickelt hat, ist das gemeinsame Siegerfoto aus der Kabine, das beim SC Verl zum liebgewonnenen Ritual geworden ist. Und das derzeit fast im Wochenrhythmus entsteht…
Starke Neuzugänge
Seien wir ehrlich: Der durchschnittliche Drittligist verpflichtet andere Kaliber – Verl verzichtete fast komplett auf erfahrene Zugänge, bediente sich allen voran in der Regionalliga. Mit Erfolg! Kasim Rabihic und Berkan Taz haben den Konkurrenzkampf auf den offensiven Außenbahnen erhöht und duellieren sich derzeit gegenseitig um einen vakanten Platz neben dem gesetzten Duo Aygün Yildirim und Zlatko Janjic. Im Mittelfeld haben sich Philipp Sander und Julian Schwermann durchgesetzt und mehr als das: Sie haben das Duo Ron Schallenberg (SC Paderborn) und Jan Schöppner (1. FC Heidenheim), die sich derzeit beide in der 2. Bundesliga etablieren, fast vergessen gemacht. In der Viererkette hat sich zudem Steffen Lang etabliert. Dank einer gut durchdachten Kaderzusammenstellung kann derzeit sogar umfangreiches Verletzungspech kompensiert werden, von Schulterverletzungen über Innenband- bis hin zum Kreuzbandriss fehlen Verl derzeit ein halbes Dutzend Spieler.
Großes Trainertalent
Guerino Capretti steht als ein Macher des Erfolgs an der Seitenlinie. Der Trainer gilt als detailversessen, steht für eine offensive Ausrichtung und hat einen guten Draht zu seiner Mannschaft – nicht zuletzt, weil er bis vor wenigen Jahren noch selbst die Schuhe schnürte und es immerhin zu einem soliden Regionalliga-Verteidiger brachte. In seiner zweiten Karriere scheint für den im italienischen Kampanien aufgewachsenen Capretti auch in der 3. Liga noch nicht Schluss zu sein. Um für mögliche höhere Aufgaben gewappnet zu sein, absolviert der 39-Jährige derzeit den Lehrgang zum Fußballlehrer in Hennef. Angesprochen darauf, wird der Deutsch-Italiener immer entgegnen: "Ich konzentriere mich nur auf den SC Verl." In dreieinhalb Jahren Amtszeit hat er dort aus 119 Spielen mehr als respektable 199 Punkte geholt.
Unkompliziertes Umfeld
Die Erwartungen sind im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen in der ostwestfälischen Kleinstadt schlicht nicht so hoch – man ist dankbar über jede Drittliga-Minute und würde sich schon redlich freuen, wenn der Sportclub im kommenden Frühsommer vier Vereine hinter sich lässt. Ein Ziel hat der Klub dabei nicht ausgegeben. Man wolle einfach schauen, wie sich die Saison entwickelt, hat Vorsitzender Raimund Bertels, ein weiterer Vater des Verler Erfolgs, mehrfach gesagt. Erkennbar ist bereits, dass der SC Verl die speziellen Bedingungen mit zahlreichen Geisterspielen gut annimmt – man ist es aus der Regionalliga schlicht noch gewohnt, vor wenigen hundert Besuchern zu kicken. Die kleine, aber treue Fanbasis hängt den Spielern die Trauben zudem nicht weit in die Höhe – fast wichtiger als der maximale sportliche Erfolg ist für das Verler Publikum, dass die Profis nahbar bleiben. Bislang entpuppt sich die Mischung aus Umfeld, Mannschaft und Trainerteam als goldrichtig. Und wer weiß: Vielleicht taugt sie sogar, um längerfristig in der oberen Tabellenhälfte ein Wörtchen mitzureden?