Kommentar: Lettieri muss faire Chance bekommen

Gino Lettieri ist zurück beim MSV Duisburg, doch kritischer wurde ein Trainer von den Fans wohl selten aufgenommen. Noch bevor der 53-Jährige zum ersten Mal eine Trainingseinheit leiten darf, herrscht bei den Zebras bereits Alarm- statt Aufbruchsstimmung. Der Druck ist da, doch Lettieri muss eine faire Chance bekommen. Ein Kommentar.

Gemischte Erinnerungen

Rückblick: 16. Mai 2015. Zum alles entscheidenden Duell um den Aufstieg trafen sich der MSV Duisburg und Holstein Kiel an der Wedau, um im direkten Aufeinandertreffen am 37. Spieltag das Ding klarzumachen. Die Störche gingen in Führung, die Zebras schlugen zurück, gewannen 3:1 und feierten am Rathausplatz. In ihrer Mitte stand Gino Lettieri, der mit einem Drittliga-Punkteschnitt von 1,87 Zählern pro Partie die überraschende Rückkehr in die 2. Bundesliga im zweiten Jahr nach dem Zwangsabstieg feierte. Die MSV-Welt war zu diesem Zeitpunkt rosig.

Sechs Monate später musste Lettieri gehen, weil nur ein Sieg in 13 Spielen im Unterhaus folgte. Hinzu kam massives Verletzungspech, bis heute unterstellen ihm die Fans sogenannten "Angsthasenfußball" als Aufsteiger. Die Erinnerungen daran werden schnell wach, weil Lettieri nun nach fast exakt fünf Jahren zum MSV zurückkehrt. Aber das sollte dann nicht nur für das negative Ende der Zusammenarbeit gelten, sondern gerade für die positiven Erfahrungen miteinander. Dem Trainer gegenüber von vornherein negativ eingestellt zu sein – das wird weder den Fans, noch dem Klub in der aktuellen Situation weiterhelfen. Jetzt kommt es auf Unterstützung an.

Art der Kritik hilft nicht

Klar ist natürlich auch, dass die Entscheidung für Gino Lettieri als mutig und riskant eingestuft werden muss. Angesichts des großen Ausrufs vor genau 17 Monaten, dass die Meidericher in eine "neue Ära" gehen wollen, wird die Verpflichtung eines vermeintlich "gescheiterten" Ex-Trainers durchaus zurecht mit Skepsis aufgenommen. Das werden aber auch die MSV-Verantwortlichen gewusst haben – niemand wird geglaubt haben, dass die Rückholaktion ausnahmslos von tosendem Applaus begleitet wird. Scheitert nämlich Lettieri, dann wird auch Sportdirektor Ivica Grlic vermutlich kaum noch Rückhalt haben.

Die Vielzahl – und gerade die Heftigkeit – der Kritik in den sozialen Netzwerken ist allerdings auch eine Einstellungssache, mit der sich das Duisburger Publikum nun auseinandersetzen muss. Dass es dem MSV nicht gut geht, sportlich wie finanziell, liegt auf der Hand. Von Fan-Seite oben draufzuhauen ist aktuell leicht, auch aus der gesellschaftlich angespannten Lage heraus, wird aber dem Klub nicht helfen. Umso wichtiger wird es in den kommenden Partien sein, dass das Publikum dem Verein Mut zuspricht, um die Ergebnisse zu drehen. Auf der anderen Seite ist natürlich die Mannschaft in der Pflicht, jetzt auch Ergebnisse zu liefern. Aber auch Spieler lesen mit – und welches Bild gibt die aktuelle Situation für ein Team ab, das ohnehin schon am Zittern ist?

Lettieris faire Chance

Am Ende des Tages geht es nicht darum, zu jeder Vereinsentscheidung als Fan 'Ja und Amen' zu sagen. Kritik und Skepsis sind angebracht, aber ein Urteil kann nicht mit der Unterschrift gefällt werden. Es gilt, dem neuen Trainer – unabhängig von seinem Namen – eine faire Chance zu geben. Darum geht es nunmal im Sport. Tritt nämlich der umgekehrte Fall ein und die Rückkehr von Lettieri gelingt, dann werden die Geschichten über den 53-Jährigen in Duisburg wieder ganz anders wahrgenommen.

Das hat nun allerdings die Mannschaft in der Hand, die sich jetzt nicht mehr verstecken darf. Auf dem Platz, schon am kommenden Wochenende gegen Türkgücü München, muss die erste Reaktion folgen, um Verein, Fans und alle im Duisburger Umfeld zusammenzuschweißen. Denn dann kann auch Gino Lettieri wieder (!) der Mann werden, dem man gerne folgt. Und der Deutsch-Italiener hat schonmal gezeigt, dass er diesem Druck auch standhalten kann. Vor etwa fünfeinhalb Jahren, als man danach am Rathausplatz feierte.

   

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