Strittige Szenen am 14. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Die nicht gegebenen Elfmeter für Kaiserslautern, Duisburg, 1860, Mannheim und Ingolstadt, der verwehrte Treffer von Kaiserslautern, das 2:1 für Kaiserslautern, die Foulspiele von Koronkiewicz und Wein, der Platzverweis gegen Hartmann und das 2:0 von Verl. Am 14. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zwölf Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).
Szene 1: Einen Freistoß des 1. FC Kaiserslautern wehrt Max Jansen (Duisburg) im eigenen Strafraum mit dem ausgefahrenen Arm ab. Kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Tobias Fritsch. [TV-Bilder – ab Minute 1:15]
Babak Rafati: Nach einer Freistoßhereingabe in den Strafraum von Duisburg wird der Ball per Kopf verlängert und dann durch Jansen mit dem ausgestreckten Arm aufgehalten. Der Arm von Jansen geht aktiv und bewusst zum Ball, sodass ein absichtliches Handspiel vorliegt. Es hätte einen Strafstoß für Kaiserslautern sowie die gelbe Karte gegen Jansen geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 2: Marvin Pourié (Kaiserslautern) geht im Strafraum bei einem Duell mit Vincent Gembalies (Duisburg) zu Boden. Das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 56:10]
Babak Rafati: Nach einer Hereingabe in den Strafraum von Duisburg gehen Pourié und Gembalies zum Ball, beide verpassen ihn aber. Das liegt daran, dass der Duisburger Verteidiger seinen Gegenspieler Pourié von hinten in die Beine trifft und zu Fall bringt. Das ist ein klares Foulspiel und hätte somit einen Strafstoß für Kaiserslautern geben müssen. Warum der Schiedsrichter, der einen sehr guten Blick auf die Szene hat, nicht pfeift, bleibt sein Geheimnis. Eine Fehlentscheidung, erneut keinen Strafstoß für Kaiserslautern zu pfeifen.
Szene 3: Arne Sicker (Duisburg) läuft in den Strafraum und kommt im Duell mit Daniel Hanslik (Kaiserslautern) zu Fall. Fritsch pfeift auch hier nicht. [TV-Bilder – ab Minute 58:40]
Babak Rafati: Bei dieser Szene im Strafraum von Kaiserslautern grätscht Hanslik im Kampf um den Ball gegen Sicker und spielt mit dem linken Fuß klar und eindeutig den Ball. Erst unmittelbar danach trifft er Sicker im natürlichen Bewegungsablauf mit dem linken Fuß und bringt ihn zu Fall. Diese Aktion ist aber klar ballorientiert, und der anschließende Fußtreffer ist kein Foulspiel, sondern ein und dieselbe "Schwungaktion." Wäre der Ball nicht getroffen worden oder der Fußtreffer mit dem anderen Fuß geschehen, würde das die Sachlage natürlich verändern. So aber ist es eine völlig richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 4: Nach einem Freistoß bringt Kevin Kraus (Kaiserslautern) den Ball mit der Hacke im Tor unter, wird aber aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition zurückgepfiffen. [TV-Bilder – ab Minute 1:41:25]
Babak Rafati: Nach einem Freistoß in den Strafraum von Duisburg geht der Ball unberührt über Freund und Feind hinweg und kommt schließlich zu Kraus, der zum Zeitpunkt des Abspiels tendenziell mit der linken Schulter im Abseits steht, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, den Treffer zu verwehren. Der Assistent mit dem besten Blickwinkel wird das sicherlich richtig gesehen und bewertet haben.
Szene 5: Der bereits gelb-verwarnte Marvin Pourié (Kaiserslautern) behauptet an der Strafraumgrenze den Ball, fährt aber den Arm aus und trifft Sauer (Duisburg) im Gesicht. Der anschließende Treffer von Pourié zählt. [TV-Bilder – ab Minute 2:55]
Babak Rafati: Pourié wird kurz vor dem gegnerischen Strafraum angespielt, nimmt im Zweikampf den Arm gegen Sauer heraus und berührt ihn auch im Gesicht. Anschließend kommt Sauer zu Fall, und Pourié trifft zum Anschlusstreffer. Bei dieser Aktion liegt kein Schlag von Pourié vor, sodass es vertretbar ist, diesen Zweikampf weiterlaufen zu lassen. Eine richtige Entscheidung, nicht abzupfeifen und den anschließenden Treffer anzuerkennen. Dieser Armeinsatz ist sicherlich nicht ursächlich für das Zufallkommen des Duisburger Verteidigers, ähnliche Situationen passieren zigfach in jedem Spiel hüben wie drüben.
Szene 6: Patrick Koronkiewicz (Köln) tritt Fabian Greilinger (1860) bei einem Zweikampf im Mittelfeld auf das Schienbein, sieht von Schiedsrichter Harm Osmers aber keine Karte. [TV-Bilder – ab Minute 35:45]
Babak Rafati: Greilinger wird auf der linken Angriffsseite angespielt und hat Probleme bei der Ballannahme, sodass der Ball etwas nach vorne springt. Als er nachsetzt und zum Ball geht und diesen gerade noch zu einem Mitspieler weiterleitet, kommt Koronkiewicz etwas zu spät und will sicherlich auch an den Ball, tritt Greilinger aber mit offener Sohle und durchgestrecktem Bein mit den Stollen voraus auf das Schienbein. Das ist eine ähnliche Szene wie in der Vorwoche bei Dressel (1860), sodass es auch eine rote Karte gegen Koronkiewicz hätte geben müssen. Diese Spielweise ist eine Gesundheitsgefährdung des Gegenspielers und somit liegt eine Fehlentscheidung vor, diese Aktion nicht zu ahnden.
Genau das sind die Aktionen, warum wir Woche für Woche heftige Proteste bei den Betroffenen erleben, weil die Vereine berechtigterweise eine einheitliche Regelauslegung wünschen. Für mich ist der Ärger der Betroffenen absolut nachvollziehbar, weil die Verhältnismäßigkeit einfach nicht stimmt und mit zweierlei Maß entschieden wird. Eine Einheitlichkeit der Regelanwendung wäre wünschenswert.
Szene 7: Im Strafraum wird Sascha Mölders (1860) von Maximilian Rossmann (Köln) zu Fall gebracht. Kein Elfmeter, entscheidet Osmers. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]
Babak Rafati: Mölders hat aus circa 8-9 Metern vor dem gegnerischen Tor eine aussichtsreiche Torchance und holt zum Schuss aus. Dabei wird er allerdings im Kampf um den Ball von seinem Gegenspieler Rossmann deutlich am Standbein getroffen und zu Fall gebracht, sodass er nicht mehr ungestört zum Torschuss kommt und den Ball nicht mehr voll trifft. Hier hätte es einen Strafstoß für 1860 München und die gelbe Karte gegen Rossmann (nicht Rot, weil Kampf um den Ball und nicht gegnerorientiert) geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 8: Nach einem Foul von Daniel Wein (1860) an Timmy Thiele (Köln) belässt es der Schiedsrichter bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 57:15]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Mittelfeld erkennt Wein, dass er bereits ausgespielt ist, und versucht dann, um jeden Preis den Gegenangriff zu verhindern, und riskiert dabei schon einiges. Er springt von hinten rein und spitzelt gerade noch den Ball weg, trifft dabei aber auch seinen Gegenspieler Thiele – zum Glück aber nicht voll. Somit umgeht er eine rote Karte und erspart Thiele zudem eine schwere Verletzung. Eine richtige Entscheidung, diesen Zweikampf im Mittelfeld mit Gelb zu ahnden.
Szene 9: Für ein Ballwegschießen sieht der bereits gelb-verwarnte Marco Hartmann (Dresden) von Schiedsrichter Max Burda Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]
Babak Rafati: Hartmann wird im Mittelfeld angespielt und bekommt den Ball an die Hand, was man auch als Handspiel pfeifen kann, aber nicht gelbwürdig ist. Der Schiedsrichter pfeift es ab. Nach dem Pfiff schießt Hartmann den Ball unsportlich weg und lässt seinem Ärger freien Lauf. Das ist eine Unsportlichkeit und veranlasst den Schiedsrichter dazu, Hartmann, der bereits verwarnt ist, die gelb-rote Karte zu zeigen. Eine richtige Entscheidung.
Das lange Überlegen des Schiedsrichters könnte damit zusammenhängen, dass der Schiri über eine grobe Unsportlichkeit nachgedacht hat, da der Ball in seine Richtung geschossen wurde. Dann wäre eine rote Karte auch möglich gewesen, was aber eine harte Entscheidung gewesen wäre.
Szene 10: Joseph Boyamba (Mannheim) stürmt auf das Tor zu, dringt in den Strafraum ein und geht im Duell mit Marin Sverko (Saarbrücken) zu Fall. Schiedsrichter Lukas Benen lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 55:00]
Babak Rafati: Boyamba läuft in den gegnerischen Strafraum und wird von Sverko im Laufduell verfolgt. Dabei nimmt Sverko zwar den Arm zur Hilfe und hält/drückt den Angreifer ein wenig an der Schulter. Das ist jedoch nicht ursächlich für das Zufallkommen des Mannheimers. Ursache und Wirkung passen einfach nicht zueinander, auch wenn der Angreifer den Kontakt dankend annimmt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 11: Nach einem Handspiel von Marvin Thiel (Lübeck) an der Strafraumgrenze entscheidet Schiedsrichter Dr. Matthias Jöllenbeck auf Freistoß. [TV-Bilder – ab Minute 1:44:50]
Babak Rafati: Bei dieser Flanke von der rechten Angriffsseite schießt ein Ingolstädter aus kurzer Entfernung Thiel an den Arm, der den Ball blockt. Der Arm ist am Körper angelegt und zudem in natürlicher Haltung und wird nicht vorher zur Vergrößerung der Körperfläche eingesetzt. Eine Fehlentscheidung, dieses Handspiel überhaupt zu pfeifen. Wenn das Handspiel allerdings absichtlich gewesen wäre, wäre der Tatort innerhalb des Strafraums oder mindestens auf der Torlinie gewesen und hätte folglich mit einem Strafstoß geahndet werden müssen.
Szene 12: Nach einem Zweikampf zwischen Janek Sternberg (Halle) und Philipp Sander (Verl) gibt Schiedsrichter Patrick Glaser Freistoß, aus dem das 2:0 für Verl fällt. [TV-Bilder – ab Minute 21:20]
Babak Rafati: Sternberg geht absolut regelkonform zum Kopfball, spielt diesen und begeht überhaupt kein Foulspiel. Kein Armeinsatz, kein Schieben, einfach nichts. Was Sander dazu veranlasst, zu Fall zu gehen und sich anschließend an den Hals-/Brustbereich zu fassen, bleibt sein Geheimnis. Sicherlich sorgt seine Reaktion für den Pfiff des Schiedsrichters, der sehr spät und nicht nachvollziehbar erfolgt. Eine Fehlentscheidung.
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