"Absoluter Witz": Lübeck-Fans kritisieren Riedel-Suspendierung
Weil er Sportdirektor Rocco Leeser in einem Interview kritisiert hatte, ist Lübecks Florian Riedel am Dienstag vorläufig suspendiert worden. Außerdem hat er eine Geldstrafe erhalten, ist als stellvertretender Kapitän abgesetzt und zukünftig nicht mehr Teil des Mannschaftsrats. In den sozialen Netzwerken üben die Fans scharfe Kritik. Derweil könnten die Sanktionen zum Eigentor werden. Ein Kommentar.
Mit "Kanonen auf Spatzen geschossen"
Schaut man sich in den sozialen Netzwerken des VfB Lübeck um, wird schnell deutlich: Die große Mehrheit der Fans steht hinter Florian Riedel. "Öffentlich die Mannschaft anzuzählen und dann bei einer Reaktion sofort zu suspendieren, ist absolut unprofessionell", schrieb ein Fan auf der Facebook-Seite des VfB. Die Maßnahmen gegen den Vize-Kapitän seien ein "absoluter Witz", zumal Leeser den Stein mit seinen Äußerungen nach dem Spiel gegen Dresden, als den Charakter der Mannschaft in Frage gestellt hatte, erst ins Rollen gebracht habe. In einer anderen Reaktion hieß es: "Ich finde die Suspendierung eines Spielers, der als Vize-Kapitän seine Meinung sagt, wesentlich vereinsschädigender als der Spieler, der sich vor seine Kollegen stellt."
Für viele Fans werde mit "Kanonen auf Spatzen geschossen", immer wieder ist von einer "Fehlentscheidung" die Rede. Es sei zudem ein "Unding", dass sich Riedel für seine Worte entschuldigen musste: "Als Nächstes lesen die Spieler das Interview wohl vom Zettel ab, den sie vom Vorstand bekommen haben, weil der die Wahrheit nicht hören will", heißt es in einer entsprechenden Reaktion. Für viele Anhänger ist die Strafe "kontraproduktiv" und "nicht zielführend", teilweise ist auch von einem "Schuss ins eigene Knie" zu lesen.
Kritik war nicht beleidigend
Und in der Tat muten die Vorgänge durchaus skurril an. Statt alle Kräfte für den Klassenerhalt zu bündeln, werden Nebenkriegsschauplätze aufgemacht – auch wenn Riedel daran nicht ganz unbeteiligt ist. Seine Wortwahl im besagten Interview war aber keinesfalls beleidigend, vielmehr hatte er sich vor die Mannschaft gestellt und sie verteidigt. Wer lässt sich schon gerne den Charakter absprechen? Sicherlich war der Zeitpunkt des Interviews, unmittelbar vor dem wichtigen Spiel gegen Türkgücü, unglücklich. Aber Kritik auch aus den eigenen Reihen müssen die Verantwortlichen abkönnen – gerade in der aktuellen Situation. Nun derart dünnhäutig darauf zu reagieren und gleich mehrere Sanktionen auszusprechen, zeugt nicht unbedingt von Souveränität. Eine Geldstrafe allein hätte es sicherlich auch getan.
Die Mannschaft jedenfalls scheint geschlossen hinter Riedel zu stehen: Wie Ex-Kapitän Daniel Halke, der offenbar noch guten Kontakt zu den ehemaligen Mitspielern pflegt, dem "NDR" sagte, habe das Team Riedels Geldstrafe aus der Mannschaftskasse gezahlt. Auch die Berateragentur des 30-Jährigen steht hinter Riedel. Das Interview sei "in keinster Weise vereinsschädigend" gewesen, "daher finden wir den Umgang mit unserem Spieler für alle Beteiligten in der aktuellen Situation nicht zielführend und bedauern das Handeln der führenden Personen", heißt es in einem Statement.
Riedel fehlt auch sportlich
Denn abgesehen davon, dass die Sanktionen den für den Klassenerhalt notwendigen internen Frieden bedrohen, schwächt sich der VfB auch sportlich. Bis auf die ersten beiden Spiele stand der 30-Jährige immer auf dem Platz, in der Regel sogar von Beginn an. Mindestens beim Duell in Halle wird der Verteidiger dem Schlusslicht nun aber fehlen. Und da er anschließend für eine weitere Woche mit den Reservisten trainieren soll, scheint er auch gegen Rostock und Köln keine Option zu sein. Ob sich die Verantwortlichen damit ein Gefallen tun? Intern hofft man wohl darauf, dass die Mannschaft enger zusammenrückt und auf dem Platz eine Antwort geben will. Sorgen die Sanktionen sowie die Unruhen hinter den Kulissen aber für eine Verstimmung innerhalb der Mannschaft, könnten sich die Maßnahmen als Eigentor erweisen – mit möglicherweise schweren Folgen.