Teutonia Ottensen: Ein Hamburger Stadtteilklub peilt die 3. Liga an

Die 3. Liga hat seit ihrer Gründung im Jahr 2008 schon so manchen "kleinen" Verein liebgewonnen, man denke zurück an die Sportfreunde Lotte oder nun den SC Verl. Größe ist nicht immer das entscheidende Kriterium – das denkt sich auch Regionalligist Teutonia Ottensen, der im Gegensatz zu vielen anderen Klubs aus der Regionalliga Nord nun die Lizenzunterlagen für den Aufstiegsfall eingereicht hat. Wir stellen den Hamburger Verein näher vor.

"Haben eine starke Vision"

Teutonia – schon der Vereinsname weckt bei vielen Amateurfußballern Kreisliga-Gefühle und mag die ehemaligen oder aktiven Studenten im Zweifel an dubiose Burschenschaften erinnern. Hinter Teutonia 05 Ottensen aber steckt viel mehr, womöglich ab dem kommenden Sommer sogar ein Drittliga-Aufsteiger. Der Weg bis dahin ist nicht nur weit, sondern aufgrund des Spielstopps in der Regionalliga Nord noch mit zahlreichen Unwägbarkeiten behaftet. Doch: "Wir haben eine starke Vision […] und haben uns aufgrund der augenblicklichen unklaren Situation entschlossen, schon für die kommende Saison die Unterlagen einzureichen" – so ließ sich Liborio Mazzagatti, Geschäftsführer des Hamburger Stadtteilklubs, in einer Pressemitteilung zitieren.

Das kostet üblicherweise einen fünfstellligen Betrag, folglich muss dieser Schritt gerade für kleinere Vereine in mehr begründet sein als einer bloßen Bierlaune. Tabellarisch ist der Wunsch nach 3. Liga nicht völlig unbegründet: Ottensen ist Zweiter in der Gruppe Nord der in diesem Jahr zweigeteilten Nord-Regionalliga, deutlich hinter Weiche Flensburg, die sich den Schritt ins Profitum inmitten der Corona-Pandemie allerdings nicht trauen und das Zulassungsverfahren sausen ließen. Nun sind die Grundlage der Tabelle allerdings zehn absolvierte Spieltage, der letzte davon Ende Oktober – seitdem liegt der gehobene Amateurfußball in den nördlichen Bundesländern brach. Doch wenn innerhalb der jeweils elf Klubs umfassenden Gruppen zumindest eine Hinrunde komplett absolviert werden kann, gäbe es eine erste Grundlage, die Mini-Saison zu werten.

Der sportliche Weg zur 3. Liga ist noch weit

Dann müsste Ottensen sich noch in einer wie auch immer gearteten Meisterrunde gegen die übrigen Drittliga-Anwärter im Norden, sowie anschließend gegen den Besten der Regionalliga Bayern durchsetzen – auch dort gibt es noch Diskussionen, wie der Spielbetrieb überhaupt fortgesetzt werden soll. Es zeigt sich also: Der Weg zum Drittliga-Aufstieg ist noch weit. Dabei hatte der Klub jetzt mehr als vier Monate Zeit, sich von einer anbahnenden Krise zu erholen: Ottensen verlor seine letzten vier Spiele sogar vor dem zweiten Corona-Lockdown allesamt, profitierte damals aber von seinem Traumstart mit 16 Punkten aus sechs Partien. Ein Konkurrent, der nur einen Punkt hinter Ottensen ankert, kommt aus der Nachbarschaft: Auch der Hamburger SV hat mit seiner zweiten Mannschaft Interesse daran, aufzusteigen.

Der Aufstieg der Schwarz-Weißen war ein rasanter: Die Mannschaft aus dem Hamburger Westen war erst im vergangenen Sommer erstmalig in die vierthöchste Spielklasse aufgestiegen: Lange in der sechstklassigen Landesliga Hamburg aktiv, gelang 2017 der Sprung in die Oberliga. In der Hamburger Fußballszene ist der Klub aus dem Bezirk Altona fest verwurzelt, hat sich unter anderem durch seine Jugendarbeit und die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund einen Namen gemacht. Stolz sind sie auf den größten Spieler, den Teutonia hervorgebracht hat: Eric-Maxim Choupo-Moting begann als Nachwuchsspieler in Ottensen, die Karriere des Deutsch-Kameruners gipfelte zuletzt bei Paris Saint-Germain und dem FC Bayern München.

"Herkulesaufgabe" Infrastruktur

Nicht zu übersehen ist das, was Mazzagatti eine "Herkulesaufgabe" nennt: Die Bedingungen des DFB zu erfüllen, ist für Teutonia Ottensen alles andere als leicht. Das Vereinsgelände, gequetscht in die Wohnsiedlungen der 1,8 Millionen Einwohner zählenden Stadt, besteht aus einem Sportplatz, den sie in Hamburg nur "Kreuze" nennen, weil die Türme der benachbarten Kreuzkirche eine besondere Silhouette schaffen. Der Kunstrasenplatz erfüllt allerdings schon die Anforderungen für die Regionalliga nicht, und so oft der Fußballverband auch für seine Ansprüche an potenzielle Drittligisten kritisiert wird – dort ist die Infrastruktur für Profifußball definitiv nicht vorhanden.

Eine Lösung sieht Teutonia im Stadion an der Lohmühle im 70 Kilometer entfernten Lübeck, sodass sich 2021/22 je nach Ausgang der laufenden Saison ähnlich wie an der Grünwalder Straße in München dort mehrere Drittligisten einen Spielort teilen würden. Es gibt bereits eine Absichtserklärung zwischen den Klubs, die eine Grundlage für ein Mietverhältnis bietet. Die zwei profifußballtauglichen Hamburger Arenen, das Millerntor des FC St. Pauli sowie der Volkspark des HSV, scheinen mit ihrem Bundesliga-Standard überdimensioniert und eine mögliche Miete kaum bezahlbar. Der Klub ließ wissen: "Wir sind hier von den Profivereinen in Hamburg abhängig und appellieren an die Solidarität der dortigen Entscheider!"

Ordentliche Sponsorenkraft

Dabei ist der außerhalb Hamburgs bislang kaum bekannte Stadtteilverein nur auf den ersten Blick mehr als eine Nummer zu klein für die 3. Liga – zumindest finanziell soll es eine Grundlage geben. Schon das Logo des Hauptsponsors lässt aufhorchen: Der russische Ölgigant Lukoil kommt auf Jahresumsätze an der Schwelle zum dreistelligen Milliardenbereich, auch aus der Schifffahrtsbranche sollen potente Gönner hinter Ottensen stehen.

Wie viele Zuschauer die Schwarz-Weißen mobilisieren könnten, darüber ist nach einem Jahr Pandemie nur zu rätseln, denn vor Corona war Teutonia Fünftligist, danach könnten sie Drittligist sein. Ob eine kleine vierstellige Kulisse möglich wäre? Bei einem Heimspiel im August 2019 kamen allerdings lediglich 153 Fans. Mut macht ein Blick in die anderen Millionenstädte: Ob Berlin, Köln oder München – in all diesen Städten ist Platz für (mindestens) drei professionell geführte Vereine, die entweder bereits in der 3. Liga spielen oder aber gute Aussichten besitzen, bald dort vertreten zu sein. Warum sollte das in Hamburg – mit Teutonia Ottensen – nicht ebenfalls gelingen?

   

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