Kröger: ,,Zum Schluss werden die Mitglieder entscheiden müssen"
Die Jahreshauptversammlung beim VfL Osnabrück steht vor der Tür. Die Vereinsführung strebt eine Ausgliederung der Profi-Fußballabteilung in eine Kapitalgesellschaft an (GmbH & Co KGaA). Doch sind sich die Mitglieder noch uneinig darüber, für welches Modell sie sich letztendlich entscheiden sollen. Denn auch eine professionelle Vereinslösung inklusive erneuerter Satzungsvariante wurde in der Arbeitsgruppe "Professionalisierung der Strukturen" entworfen. liga3-online.de sprach mit dem Leiter dieser Arbeitsgruppe, Dr. Christian Kröger, welcher auch als Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Osnabrück tätig ist, über die Ausgliederung, die Gründung einer Fanabteilung und über den Kampf der Etablierung der Niedersachsen unter den besten 36 Profivereinen in Deutschland.
liga3-online.de: Herr Kröger, viele Fans sehen sie als Vertrauensperson, welche sowohl die Interessen der Vereinsführung als auch die der Fans und Mitglieder vertritt. Außerdem finden ihre Vorträge auf den bisherigen Infoveranstaltungen viel Lob. Sind die zufrieden mit ihrer Arbeit rund um den VfL?
Ja, ich denke, wir können zufrieden sein. Alle beteiligten Parteien arbeiten mittlerweile konstruktiv an der Sache und das ist gut für unseren VfL. Und die sportliche Seite macht ja auch derzeit viel Freude.
Sie befürworten die Ausgliederungsvariante für den VfL. Worin sehen sie die Vorteile?
Der VfL benötigt professionellere Strukturen, darin sind sich ja alle Mitglieder einig. Mit der Ausgliederung in Form der KGaA erhält der Verein sofort strukturell professionellere Strukturen, zudem ist mit dieser Form gewährleistet, dass der Verein das notwendige Kapital erhält, dass er für eine bessere Zukunft benötigt. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Verein vor wenigen Monaten fast pleite war. In der Vereinslösung ist dies zunächst nicht sichergestellt und das ist ein großes Risiko für den VfL. Weitere Gründe für die Ausgliederung liegen in Haftungsfragen und dem Schutz der übrigen Abteilungen des VfL Osnabrück (Schwimmen, Tischtennis, Gymnastik und so weiter). Das werden die meisten Mitglieder des VfL auch so sehen.
Jedoch existiert auch eine abstimmungsreife Vereinslösung, welche sowohl ein hauptamtliches Präsidium als auch einen Aufsichtsrat vorsieht. Außerdem ist diese Variante im Rahmen des Sale & Lease Back Verfahrens ebenfalls ,,ratskonform“. Würden Sie diesen Weg der Professionalisierung ebenfalls unterstützen?
Es gibt in der Tat auch Vereine im Profibereich, die die Vereinslösung haben (zum Beispiel der HSV). Viele dieser Vereine wollten ausgliedern, haben dafür aber keine notwendige Mehrheit der Mitglieder erhalten. Die Vereinslösung geht also auch, aber hier benötigt der VfL Personen, die die Verantwortung übernehmen und vor allem sicherstellen, dass das notwendige Kapital aufgebracht wird. Dies ist wesentlich schwerer als in der ausgegliederten Lösung, das bestätigen auch andere Clubs, aber möglich. Beim VfL ist derzeit nicht zu erkennen, wer dies sein kann und wie das Kapital eingeholt werden kann. Solange dies nicht sichergestellt ist, sollte der Verein kein Risiko eingehen und nicht die Vereinsvariante wählen. Die wirtschaftlichen Probleme bleiben in der Vereinsvariante doch bestehen. Wenn jetzt aber jemand in den kommenden Wochen kommt und sagt, ich bringe die nötige fachliche Kompetenz mit, verfüge über das notwendige Kapital und habe die Kontakte, dann ist auch die Vereinsvariante sinnvoll. Dies ist allerdings zum heutigen Zeitpunkt nicht zu erkennen. Das ist nun mal derzeit die Realität. Ob die Vereinsvariante ratskonform ist, kann noch nicht abschließend gesagt werden. Zum heutigen Zeitpunkt ist es meines Erachtens nicht ratskonform, da keine handelnden Personen hiermit verbunden werden können. Die öffentlichen Finanziers möchten, dass der Verein ausgliedert. Aber wie gesagt, wenn Personen in den kommenden Wochen an die Öffentlichkeit gehen, die die öffentlichen Finanziers und den Rat überzeugen können, will ich dies nicht ausschließen. Derzeit ist dies aber nicht zu erkennen.
Die Mitgliederinitiative "Nur für diesen Verein" (NfdV) erstellte vor Kurzem ein Konzept für die Einführung einer Fanabteilung. Was ist aus Ihrer Perspektive wichtig bei der Ausgestaltung der Fanabteilung, damit diese ein Erfolg wird und Zuwachs bekommt?"
Der VfL braucht eine Fanabteilung, dies ist auch die Meinung von unserem Präsidenten Gert Lehker. Wir werden noch im November eine Arbeitsgruppe einrichten, die sich mit der Umsetzung der Fanabteilung beschäftigen wird. Dazu werden die wichtigen Verbände und Gruppen des Vereins eingeladen, um dann ein Konzept für die kommenden Monate zu erarbeiten. Wir werden uns viele Modelle anderer Vereine anschauen und dann eine gute Lösung für den VfL erarbeiten.
Für das Modell der Ausgliederung wird eine ¾ Mehrheit benötigt. Diese scheint jedoch in der aktuellen Situation schwer erreichbar. Was stimmt sie optimistisch, dass die Stimmen der Mitglieder am Ende dennoch ausreichen?
Es bleibt eine Frage der Alternativen. Wenn sich die Situation nicht ändert und wir kein Präsidium für die Vereinsvariante finden, das die Fans, Sponsoren und Investoren überzeugt, werden die Mitglieder ihre Verantwortung wahrnehmen und für die Ausgliederung stimmen. Die Mitglieder wollen doch auch in Zukunft Profifußball sehen und es ist zum jetzigen Zeitpunkt wesentlich wahrscheinlicher, dass dies mit der Ausgliederung gelingen wird.
Die Ultras lehnen sich strikt gegen eine Ausgliederung und schreiben auf ihrer Internetseite, dass eine Ausgliederung zu „englischen Verhältnissen“ führe und somit auch der rote Teppich für undurchsichtige Investoren gelegt werden würde. Was halten Sie von solchen Äußerungen?
Ich schätze die Ultras, bin hier aber anderer Meinung. Die englischen Verhältnisse sind bald durch Financial Fair Play vorbei, Manchester City macht 80 Millionen Umsatz und 80 Millionen Verlust, kein Mensch will so etwas. Aber die Ultras haben Recht, die wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs in Deutschland (Medienpräsenz und so weiter) wird weiter zunehmen, und hier muss sich der VfL positionieren. Deswegen brauchen wir für den Fall einer Ausgliederung eine Osnabrücker Lösung und die sieht vor, dass kein undurchsichtiger Investor jetzt und auch später in den Verein kommen kann. Dies ist durch die Satzungen ausgeschlossen, absolut. Der VfL bleibt Herr im Hause!
Mitglieder vom ,,NfdV“ stellen sich die Frage, ob im Falle einer Ausgliederung frisches Geld in Form von Liquidität fließen wird und ob mit den späteren Vereinsanteilen auch Verbindlichkeiten gegenüber Privatgläubigern bedient werden, die den VfL in der Vergangenheit unterstützt haben. Wie stehen Sie dazu?
Das ist ein wichtiger Punkt. Der VfL braucht für die Ausgliederung frisches Kapital. Auf der anderen Seite gibt es Kreditgeber im Verein, die den Verein in einer sehr schwierigen Zeit unterstützt haben. Das sind doch die besten Kreditgeber, die sich ein Verein vorstellen kann. Falls diese privaten Kreditgeber umwandeln möchten, fände ich es gut, dass darüber hinaus ausreichend frisches Kapital aufgebracht wird. Mir ist bekannt, dass hier an einer guten Lösung für den VfL gearbeitet wird. Es wäre gut, wenn hier zur Mitgliederversammlung am 9. Dezember die richtigen Signale gegeben werden.
Die zahlreichen Anhänger der Lila-Weißen wünschen sich nichts mehr als die Rückkehr in die zweite Bundesliga. Wie schwer ist es wirklich, den VfL in der Spitzengruppe der besten 36 Profivereine zu etablieren?
Sehr schwer, aber möglich. Das ist die zentrale sportliche und wirtschaftliche Herausforderung für den VfL in den nächsten Jahren. Der Wettbewerb zwischen den Vereinen ist enorm, dafür benötigen wir ja auch professionellere Strukturen, um hier mithalten zu können. Aber ich bin optimistisch, dass dies gelingen kann. Das Umfeld ist super, die Fans und vor allem die Ostkurve sind bundesweit bekannt, deswegen sollten wir alle dafür weiter kämpfen, dass wir uns das erhalten. Vor einem Jahr war der Verein fast pleite, dies darf nicht wieder passieren. Der Verein sollte darüber hinaus aber versuchen, sein Vereinsleben weiter zu entwickeln, auch die Fanabteilung gehört zu einem professionellen Club.
Es fällt auf, dass der Spaß Sie bei der Debatte um die Neustrukturierung begleitet und Sie bei ihrer Aufgabe mit viel Engagement dabei sind. Sehen Sie eine Zukunft ihrer Person in einem Gremium des Vereins und wenn ja, gilt dies für beide Professionalisierungsvarianten?
Ja, ich könnte mir eine Mitarbeit in den Gremien in der ausgegliederten Variante vorstellen. In der Vereinsvariante auch, aber hier sind die Bedingungen viel größer, insbesondere müsste hier ein Präsident gefunden werden, der das nötige Kapital mitbringt oder die Kontakte hat. Dies ist derzeit wie gesagt nicht abzusehen. Aber am Ende werden die Mitglieder entscheiden, wer in die Gremien einzieht. Da bin ich eher etwas demütig und lasse unser höchstes Organ, die Mitglieder, entscheiden. Eitelkeiten sind hier fehl am Platz.
Abschließend vielleicht ein kurzes Statement zum kürzlich von NfdV vorgestellten Präsidentschaftskandidaten Ludger Rolfsen der im Falle der professionalisierten Vereinslösung als hauptamtlicher Präsident antreten würde. Können Sie sich eine gemeinsame Zusammenarbeit vorstellen?
Das war schon eine Überraschung, ich kenne Ludger Rolfsen, ich habe zusammen mit seinem Bruder Andreas in einer Schülermannschaft Fußball gespielt („Jugend trainiert für Olympia“). Wir waren erfolgreich und das hat viel Spaß gemacht. Ich habe ihn 25 Jahre nicht gesehen und nicht gesprochen und freue mich natürlich ihn wiederzusehen. Inwieweit die Voraussetzungen für ein hauptamtlichen Präsidenten auch im Rahmen einer Vereinsstruktur gegeben sind, wird sich dann zeigen bzw. darüber werden zum Schluss die Mitglieder entscheiden müssen.
Vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Daniel Rynio.