Vorkommnisse im Derby: Unwürdig von Anfang bis Ende

Es sollte doch einfach nur ein kurzweiliges Südwest-Derby sein. Übrig bleibt vom Spiel zwischen Kaiserslautern und Mannheim (0:0) aber nur die Erinnerung an eines der dunkleren Kapitel der Drittliga-Historie, meint unser Autor Jan Ahlers. Mit Sport hatte dieser Kleinkrieg in der ersten Halbzeit nichts zu tun – und daran trug nicht der Schiedsrichter die Hauptschuld. Ein Kommentar.

Mehr Gaffer als Fußballfan

Was sich am Samstagnachmittag in der ersten Halbzeit auf dem Rasen des Betzenbergs abgespielt hat, war über weite Strecken schwer zu ertragen. Sehen wollten die immerhin rund 13.000 Zuschauer ein heißes Derby zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Waldhof Mannheim. Torchancen, aber auch Emotionen, Strafraumszenen genauso wie knackige Zweikämpfe – eben das, wofür ein solches Highlight der Saison in der 3. Liga auch stehen darf. Nach sportlichen, aber auch menschlichen Kriterien ist das Spiel durchgefallen. Und wer als Neutraler zuschaute, verlor während der ersten Halbzeit das Gefühl, ein Fußballfan zu sein. Es war vielmehr zu vergleichen mit den neugierigen Blicken auf einen Verkehrsunfall: Man weiß, dass es unanständig ist, hinzuschauen. Doch man tut es trotzdem. Gaffen am Betzenberg, mehr war es nicht, wie MagentaSport-Kommentator Christian Straßburger korrekt feststellte.

Im Fokus der Beteiligten stand zuvorderst Schiedsrichter Florian Heft, eben weil im Fußball der Unparteiische eigentlich immer als Erster herhalten muss. Ein dankbares Opfer: Verteidigen kann er sich nicht, das Team der Referees ist auf vier Personen beschränkt. Acht Augen stehen gegen 26.000 plus übermotivierte Spieler, Trainer und Verantwortliche – das kann nicht gutgehen. Stellen wir das zunächst klar: Natürlich hätte Heft früher zu ersten Verwarnungen gegen Rossipal und Höger greifen können, vielleicht es auch beim fiesen, aber nicht überharten Foul von Kenny Redondo bei Gelb belassen können. Erst danach, als ihm die Profis keine Wahl mehr ließen, ahndete er konsequent – das Kartenfestival war unvermeidbar.

Die Mannschaften verloren die Kontrolle

Doch wer die erste rote Karte als Anlass für die darauffolgende, erschreckende und eines Profifußballspiels völlig unwürdige Phase heranzieht, der macht es sich viel zu leicht. SVW-Sportchef Jochen Kientz turnte schon vor Redondos Foul wie ein Irrwisch über den Rasen, ehe ihm in der besagten Szene die Sicherungen durchbrannten. Nur mit Mühe konnte er durch die Stadion-Ordner zurückgehalten werden, bevor ihn Heft auf die Tribüne schickte. Viel Testosteron ließ bei manchem den Verstand aussetzen – und das soll ein Unparteiischer, dem aus dem Fanblock wie selbstverständlich Feuerzeuge und Bierbecher entgegenfliegen, mit ein, zwei Entscheidungen wieder kitten? Nein: Zwei Mannschaften verloren die Kontrolle, entschieden sich selbst aktiv dazu, das Fußballspiel hintenanzustellen und lieber durch gegenseitige Provokation und grenzwertiges Schauspiel persönliche Strafen für den Gegner zu erzwingen. Bezeichnend war zu guter Letzt, wie FCK-Trainer Marco Antwerpen nach Schlusspfiff zunächst wutentbrannt auf Heft zustürmte und ihm, der Miene nach zu urteilen, sicher keine Nettigkeiten mitteilte.

Für manchen Fan bleibt nun wohl einzig die Leistung des Unparteiischen in Erinnerung. Er ist nicht selten Katalysator des Frustes nach schwachen Spielen, und um auch das klarzustellen: Hat ein Schiedsrichter wie am Samstag einen schlechten Tag, gehört das – in gutem Ton – auch angesprochen. Die Teams und noch mehr die Trainer damit aber aus der Verantwortung zu nehmen, geht hingegen nicht. Jochen Kientz darf in seiner Funktion ein solcher Aussetzer nicht unterlaufen, Lauterns Teammanager Florian Dick darf nicht dem Linienrichter an der Eckfahne die Meinung geigen. Sie sind in diesen Szenen schlechte Vorbilder, zuallererst für ihre eigenen Spieler, die davon ebenso zusätzlich angestachelt werden wie von Antwerpens wiederkehrender, heftiger Kritik an den Referees. Die bleibt überdies einseitig: Wann hat sich eigentlich das letzte Mal ein Schiedsrichter über das Trainerverhalten an der Seitenlinie derart beschwert, wann über Becherwürfe? Wer versetzt sich an solchen Tagen einmal in die Lage des Gespanns? Glaubt tatsächlich jemand, Florian Heft konnte nach diesem Spiel ruhig schlafen?

Der Sport schneidet sich selbst ins Fleisch

Zu guter Letzt sei deshalb allen, die an der Entwicklung dieser Partie ihren Anteil hatten, noch zur Weitsicht geraten: Das sich abzeichnende Problem des fehlenden deutschen Schiedsrichter-Nachwuchses ist bekannt. Zunächst spüren das die Amateurklubs, irgendwann aber auch diejenigen, die sich Profis nennen: Aus quantitativem wird qualitativer Mangel, junge Menschen haben andere Interessen, als aus tausenden Kehlen Mordaufrufe in die eigene Richtung zu hören und sich ständig zum Buhmann zu machen. Ein Tag wie dieser, an dem manchen Klubs offenbar schon die Einsicht fehlt, mitschuldig an der Eskalation auf dem Rasen zu sein, beschleunigt diesen Teufelskreis allenfalls noch. Kurzum: Der Fußball schneidet sich selbst ins Fleisch. Vielleicht fällt das aber auch manchem Drittliga-Protagonisten erst auf, wenn plötzlich niemand mehr an der Seitenlinie steht.

   

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