Strittige Szenen am 9. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das 1:0 von Würzburg, die nicht gegebenen Elfmeter für Magdeburg, Würzburg, Osnabrück, Zwickau, Kaiserslautern, Dortmund II und Wiesbaden, ein Foulspiel von Jansen an Neudecker und das 3:1 von Saarbrücken: Am 9. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zehn Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Jason Ceka (Magdeburg) wird am eigenen Strafraum von Robert Hermann (Würzburg) gefoult, Schiedsrichter Patrick Alt lässt weiterlaufen. Aus dem Angriff fällt das 1:0 für Würzburg. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Ceka legt sich den Ball kurz vor dem gegnerischen Strafraum an Hermann vorbei. Dieser stellt ihm klar das Bein in den Weg und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein Foulspiel, es hätte einen Freistoß für Magdeburg sowie die gelbe Karte gegen Hermann wegen einer Vereitelung einer guten Angriffschance geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 2: Marvin Pourié (Würzburg) dringt in den Strafraum ein und geht im Duell mit Tim Sechelmann (Magdeburg) zu Fall – kein Elfmeter, entscheidet Alt. [TV-Bilder – ab Minute 49:00]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf kurz vor dem Strafraum will Pourié in den Sechzehner eindringen. Dabei bleibt Gegenspieler Sechelmann demonstrativ stehen, um den Angreifer nicht durch ein mögliches Beinstellen zu stoppen und einen Freistoß zu verursachen. Das gelingt ihm auch, wenngleich Pourié trotzdem zu Fall kommt. Doch selbst wenn es den Kontakt gibt, ist das kein strafbares Vergehen, denn diesen hätte Pourié gesucht und verursacht. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 3: Nach einem Foul von Louis Breunig (Würzburg) an Jason Ceka (Magdeburg) auf der Strafraumlinie gibt der Schiedsrichter nur Freistoß statt Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Ceka wird am gegnerischen Strafraum angespielt und hat Gegenspieler Breunig im Rücken. Als er den Ball annehmen will, bekommt er genau auf der Strafraumlinie einen Tritt von Breunig in die Beine und kommt deshalb zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und da die Strafraumlinie zum Strafraum gehört, hätte es einen Elfmeter für Magdeburg geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu geben. Allerdings ist es sowohl für den Schiedsrichter als auch für den Assistenten wirklich schwierig, den genauen Tatort zu erkennen – das ist Millimeterarbeit. Selbst in der Bundesliga ist so etwas nur durch den Videobeweis aufzulösen.

 

Szene 4: Einen Schuss von Sebastian Klaas (Osnabrück) wehrt Ole Käuper (Meppen) im Strafraum mit dem Arm ab. Statt Elfmeter entscheidet Schiedsrichter Mitja Stegemann jedoch auf Offensivfoul und gibt Freistoß für Meppen. [TV-Bilder – ab Minute 34:25]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf ist überhaupt kein Kontakt vom Osnabrücker Angreifer auszumachen, geschweige denn ein Foulspiel. Für den Schiedsrichter liegt aber ein Offensivfoul vor, womöglich weil er durch die Reaktion des Verteidigers am Boden ein Foulspiel vermutet. Allerdings tut sich der Verteidiger selbstverschuldet weh und hält sich nur deshalb den linken Fuß. Dieser Pfiff hätte nicht erfolgen dürfen.

Die anschließende Szene ist aber relevant und hätte geahndet werden müssen. Klaas will im gegnerischen Strafraum den Ball in die Mitte bringen, dabei geht der Arm von Käuper aktiv zum Ball, und er klärt mit diesem das Spielgerät. Diese Armhaltung ist beabsichtigt, zumal kurz zuvor die Arme von Käuper hinter dem Rücken sind, damit kein Risiko eines möglichen Handspiels eingegangen wird. Dennoch wird die Hand im letzten Moment herausgenommen, sodass ein strafbares Handspiel vorliegt. Es hätte somit einen Elfmeter für Osnabrück geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu geben und stattdessen ein Offensivfoul gesehen zu haben. Die anschließend erleichterte Reaktion von Käuper verdeutlicht, dass er eigentlich mit einem Pfiff gegen sich gerechnet hat, was einen Elfmeter für den Gegner bedeutet hätte.

 

Szene 5: Maximilian Jansen (Zwickau) geht rüde in einen Zweikampf mit Richard Neudecker (1860), Schiedsrichter Tom Bauer belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:02:05]

Babak Rafati: An der Seitenlinie kommt es zu einem Zweikampf zwischen Jansen und Neudecker. Der Zwickauer kommt von hinten und trifft Neudecker in die Hacke. Allerdings ist die Aktion von Jansen nicht übermäßig hart oder gesundheitsgefährdend. Er trifft den Münchner mit dem Nachziehbein, sodass der Treffer nicht so schlimm ist, dass man eine rote Karte zeigen muss. Die Dynamik und Intensität sind zudem absolut im Rahmen. Das ist ein Foulspiel, die gelbe Karte ist für dieses Vergehen vertretbar. Die Reaktion von Jansen ist sogar, nachdem er die Gewissheit hat, lediglich die gelbe Karte zu sehen, vielsagend: Er kümmert sich glaubwürdig um Neudecker und bekundet damit sein Bedauern. Eine wirklich sportliche beziehungsweise faire Geste von Jansen, nachdem er seinen Gegenspieler eher unglücklich trifft und nicht etwa bösartig.

Szene 6: Im Strafraum bekommt Yannik Möker (Zwickau) von Philipp Steinhart (1860) einen Tritt auf den Fuß, einen Elfmeter gibt es jedoch nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:47:05]

Babak Rafati: Bei diesem Duell im Strafraum ist Möker schneller am Ball, tickt diesen an und wird anschließend von Steinhart auf den Fuß getroffen, da der 1860-Verteidiger einen Moment zu spät ist. Dieser Treffer ist ein Foulspiel, und es hätte einen Elfmeter für Zwickau geben müssen. Somit eine Fehlentscheidung. Weiterspielen ist aber aus Schiedsrichter-Sicht nachvollziehbar, da Möker sich total sportlich verhält und erst versucht weiterzulaufen, aber kurze Zeit später wegen der Schmerzen doch noch zu Fall geht. Für den Schiedsrichter ist das "zaghafte" Fallen ein ungewohntes Bild, und daher wird er vermutlich Zweifel gehabt haben, ob der Kontakt tatsächlich auch ausreichend für ein Foulspiel ist und hat deshalb schlussendlich weiterspielen lassen.

 

Szene 7: Im Strafraum geht Mike Wunderlich (Kaiserslautern) gegen Torhüter Niclas Thiede (Verl). Einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Wolfgang Haslberger aber nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:00]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Strafraum von Verl eilt Keeper Thiede zurück, nachdem er außerhalb des Strafraumes nicht klären konnte. Er spielt den Ball sauber und spitzelt ihn Gegenspieler Wunderlich vom Fuß. Diese Aktion ist absolut regelkonform, somit liegt kein Foulspiel vor. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 8: Tim Rieder (Türkgücü) wird von Alexander Groiß (Saarbrücken) im Mittelfeld zu Fall gebracht, Schiedsrichter Florian Exner lässt weiterlaufen. Aus dem Angriff fällt das 3:1 für Saarbrücken. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf spielt Groiß zwar nicht den Ball, begeht aber auch kein Foul, sondern "stellt" nur seinen Gegenspieler Rieder – auch wenn dieser anschließend zu Fall kommt. Im Oberkörperbereich ist der Armeinsatz im Rahmen des Erlaubten, im Fußbereich ist auch kein Foulspiel auszumachen. Wenn überhaupt liegt ein minimaler Kontakt vor, der aber nicht ursächlich für das Zufallkommen von Rieder ist. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 9: Im Strafraum bekommt Bjarke Jacobsen (Wiesbaden) einen Schuss von Berkan Taz (Dortmund II) an die Hand. Kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Tobias Reichel. [TV-Bilder – ab Minute 24:10]

Babak Rafati: Nach einem Torschuss von Taz wehrt ein Verteidiger von Wiesbaden den Ball im eigenen Strafraum ab. Bei dieser Abwehraktion prallt das Spielgerät aus sehr kurzer Distanz billardartig an den Arm von Jacobsen. Dadurch, dass Jacobsen den Arm schon vor dem zuvor geschossenen Ball unnatürlich hochreißt, nimmt er in Kauf, den Ball an den Arm zu bekommen. Diese Spielweise ist daher strafbar, auch wenn der Ball aus kurzer Distanz an den Arm springt. Hier hätte es einen Elfmeter für Dortmund geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 10: Ein Schuss von Benedict Hollerbach (Wiesbaden) rutscht Fritz Pfanne (Dortmund II) im Strafraum auf die Hand, einen Elfmeter gibt es nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:25]

Babak Rafati: Bei einem Abwehrversuch im Strafraum von Dortmund trifft Pfanne den Ball nicht richtig und rutscht zudem bei dieser Aktion aus. Der Ball bleibt unmittelbar in der Gefahrenzone, und als das Spielgerät in der gleichen Aktion zu ihm zurückspringt, nimmt er am Boden liegend aktiv die linke Hand zur Hilfe und berührt das Spielgerät. Das ist ein absichtliches Handspiel, sodass es einen Elfmeter für Wiesbaden hätte geben müssen. Durch die Berührung des Balles durch Pfanne wird der Ball etwas abgestoppt und verliert dadurch seine Dynamik in der Bewegung. Somit wird den Wiesbadenern eine klare Torchance genommen, auch wenn der Angreifer noch zum Schuss kommt. Trotzdem liegt ein Vergehen vor, sodass es in dieser Situation auch die rote Karte wegen Torverhinderung gegen Pfanne hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen Elfmeter sowie die rote Karte nicht zu geben.

 

Weiterlesen: Wer bisher am häufigsten benachteiligt wurde

 

   

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