Strittige Szenen am 18. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die Elfmeter für 1860, Freiburg II und Duisburg, die gelbe Karte gegen Antwerpen, der nicht gegebene Treffer von Köln, die verwehrten Elfmeter für Mannheim, Duisburg und Halle, das Tor von Mannheim, die Platzverweise gegen Corboz, Frick und Lewald sowie Foulspiele von Greilinger, Moll, Zuck und Kraus: Am 18. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 16 strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Bei einem Zweikampf im Strafraum geht Stefan Lex (1860) gegen Leon Bell Bell (Magdeburg) zu Fall, nach kurzem Zögern gibt Schiedsrichter Patrick Glaser Elfmeter für 1860. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Im eigenen Strafraum spielt Bell Bell den Ball. Dabei kommt Lex hinzu, will den Ball blocken, macht das Bein lang, und kommt bei dieser Aktion ohne Fremdverschuldung zu Fall. Somit liegt kein Foulspiel vor. Warum der Schiedsrichter zuerst weiterspielen lässt und nach kurzem Zögern trotzdem auf Elfmeter für 1860 entscheidet, ist nicht nachvollziehbar. Somit eine Fehlentscheidung.

Szene 2: An der Strafraumgrenze wird Jason Ceka (Magdeburg) von Fabian Greilinger (1860) zu Fall gebracht, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 38:20]

Babak Rafati: Nach einem langen Ball kommt es an der Strafraumgrenze von 1860 München zu einem Zweikampf. Dabei guckt Ceka zum Ball in der Luft und hat seinen Gegenspieler Greilinger im Rücken. Dieser will auch zum Ball laufen und bedrängt Ceka in regelkonformer Weise. Trotzdem kommt Ceka aus dem Gleichgewicht und stürzt zu Boden, gleiches gilt für Greilinger. Es liegt allerdings kein Vergehen vor, sodass diese Aktion ein "Unfall" ist und somit eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

Szene 3: Quirin Moll (1860) geht mit dem Ellenbogen voran in einen Zweikampf mit Baris Atik (Magdeburg), eine Karte sieht er nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:54:40]

Babak Rafati: Im Mittelfeld nimmt Atik den Ball an und wird dabei von seinem Gegenspieler Moll gefoult, indem Moll von hinten in den Mann geht und den Arm voraus einsetzt. Das ist ein Allerweltsfoul, sodass der Freistoßpfiff allein ohne eine persönliche Strafe angemessen ist.

 

Szene 4: Vor der Trainerbank des 1. FC Kaiserslautern kommt es nach einem Foulspiel zu einer Rudelbildung. FCK-Coach Marco Antwerpen regt sich über ein Handspiel auf und sieht von Schiedsrichter Lukas Benen Gelb, während die Viktoria-Bank ohne Karte davon kommt. [TV-Bilder – ab Minute 53:00]

Babak Rafati: Nachdem sich Antwerpen beschwert, verlässt ein Offizieller der Kölner die Coaching-Zone und beschwert sich über Antwerpens Verhalten. Hierfür hätte der Schiedsrichter ebenso die gelbe Karte zeigen müssen. Bei solchen Szenen, bei denen beide Seiten beteiligt sind, muss jeweils eine Karte gezeigt werden, da sonst ein Ungleichgewicht entsteht. Eine Fehlentscheidung, lediglich Antwerpen die gelbe Karte zu zeigen und den Vertreter von Köln zu verschonen. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass ein Spieler von Köln ebenso die gelbe Karte sieht. Vergehen müssen einfach geahndet werden.

Szene 5: Bei einem Laufduell um den Ball kommt es zu einem Zusammenprall zwischen Hendrick Zuck (Kaiserslautern) und Florian Heister (Köln). Zuck sieht die gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 1:00:20]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf ist die Aktion von Zuck zwar zum Ball gerichtet, und er spielt diesen auch, allerdings geht er rücksichtslos in den Zweikampf und räumt hierbei auch Gegenspieler Heister ab. Das ist ein Foulspiel, welches eine gelbe Karte nach sich zieht, sodass die Entscheidung vollkommen richtig ist.

Szene 6: Kevin Kraus (Kaiserslautern) geht in einen Zweikampf mit Luca Marseiler (Köln) und sieht Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:04:55]

Babak Rafati: Bei diesem Luftzweikampf geht zwar der Arm von Kraus raus und berührt Gegenspieler Marseiler im Halsbereich, was man auch als Foulspiel auslegen kann, jedoch ist kein Schlag oder Ähnliches auszumachen, sodass der Freistoßpfiff ausreicht und keine Karte hierfür erforderlich ist. Somit ist die gelbe Karte eine Fehlentscheidung.

Szene 7: Nach einer Ablage von Nikolay Möller trifft Simon Handle zum 1:3 für Köln, wird aber aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition zurückgepfiffen. [TV-Bilder – ab Minute 1:34:15]

Babak Rafati: Nach den vorliegenden TV-Bildern ist nicht zweifelsfrei aufzulösen, ob beim Kopfballzuspiel von Möller eine Abseitsposition vorliegt. Tendenziell bin ich aber beim Assistenten, denn es scheint, dass sich Handle knapp in Abseitsposition befindet.

 

Szene 8: Joseph Boyamba (Mannheim) kommt im Strafraum an den Ball und läuft zum Tor, geht aber im Duell mit Maximilian Thiel (Wiesbaden) zu Boden und fordert Elfmeter. Schiedsrichter Patrick Kessel pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:02:20]

Babak Rafati: Boyamba legt sich im gegnerischen Strafraum den Ball an Thiel vorbei und kommt anschließend plötzlich zu Fall, obwohl sich Thiel absolut regelgerecht verhält. Im Oberkörperbereich ist alles im grünen Bereich, auch wenn der Arm ein wenig herausgeht, aber das ist handelsüblich. Im Fußbereich ist auch keine aktive Bewegung des Verteidigers auszumachen, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen. Das ist eher eine Schwalbe.

Szene 9: Wiesbaden-Keeper Arthur Lyska will eine Flanke aus dem Strafraum fausten, wird dabei allerdings von Jasper Verlaat (Mannheim) behindert, sodass der Ball über seine Faust ins Tor fliegt. Der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]

Babak Rafati: Nach einem langen Ball in den Strafraum von Wiesbaden will Keeper Lyska den Ball vor Verlaat in der Luft durch eine Faustabwehr klären. Dabei nimmt Verlaat den linken Arm heraus und trifft klar den rechten Arm des Keepers, sodass dieser behindert wird und den Ball nicht richtig abwehren kann. Der Arm von Verlaat hat dort nichts zu suchen, zudem liegt keine natürliche Haltung des Armes im Zweikampf vor, vielmehr wird dieser aktiv im Zweikampf gegen den Keeper eingesetzt. Das ist ein klares Foulspiel, sodass dieser Treffer für Mannheim nicht hätte zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung, diesen Treffer zu geben.

 

Szene 10: Nach einem Einwurf für den MSV Duisburg bekommt Yannik Engelhardt (Freiburg II) den Ball im Strafraum an die Hand, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Florian Lechner nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Nach einem Einwurf ist der Ball lange in der Luft. Dabei will ein Freiburger Verteidiger den Ball klären, erreicht das Spielgerät aber nicht mehr. Unmittelbar hinter ihm steht Engelhardt und ist sichtlich überrascht, dass der Ball zu ihm gelangt. Er nimmt somit im letzten Moment den Arm aktiv heraus, um den Ball zu stoppen. Das ist ein absichtliches Handspiel, sodass es einen Elfmeter für Duisburg hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu geben.

Szene 11: Beim Elfmeter für den MSV Duisburg laufen mehrere Freiburger deutlich zu früh in den Strafraum. Wiederholt wird der Elfmeter nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]

Babak Rafati: Die Spieler dürfen erst nachdem der Elfmeter ausgeführt wurde zum Ball laufen. Wenn – wie in diesem Fall – ein oder mehrere Verteidiger zu früh loslaufen und der Ball nicht ins Tor geht, gibt es eine Wiederholung des Elfmeters. In dieser Szene ist es sogar so eindeutig, dass der Verteidiger Brau-Schumacher bei der Ausführung schon so früh losläuft, dass er fast neben dem Schützen Ademi steht. Eine Fehlentscheidung, den Elfmeter nicht zu wiederholen.

Szene 12: Einen Schuss von Rolf Feltscher (Duisburg) bekommt Vincent Vermeij (Freiburg II) im Mittelfeld an den Arm, das Spiel läuft weiter. Aus dem anschließenden Angriff resultiert der Elfmeter, der zum 1:0 für Freiburg führt. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]

Babak Rafati: Nach einem Kopfball von Feltscher bekommt Vermeij den Ball zwar an den Arm, allerdings ist der Arm angelegt, sodass kein absichtliches Handspiel von ihm vorliegt. Somit eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 13: Niklas Landgraf (Halle) dringt in den Strafraum ein und geht gegen Dennis Waidner (Würzburg) zu Fall. Der HFC fordert Elfmeter, doch Schiedsrichter Patrick Ittrich entscheidet auf Schwalbe und zeigt Landgraf zudem die gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 2:15]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Strafraum von Würzburg läuft Landgraf Richtung Tor. Gegenspieler Waidner kommt hinzu und berührt ihn maximal mit dem Arm – und das im normalen Bewegungsablauf. Er zieht dabei demonstrativ die Beine zurück, um den Laufweg von Landgraf nicht zu kreuzen und keinen einen Foulelfmeter zu verursachen. Landgraf nimmt diese Aktion trotzdem dankend zum Anlass, sich fallen zu lassen und einen Elfmeter zu schinden. Das ist eine klare Schwalbe, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, Landgraf für diese Unsportlichkeit die gelbe Karte zu zeigen und das Spiel mit einem Freistoß für Würzburg fortzusetzen. Es sei angemerkt, dass eine Schwalbe nicht nur dann vorliegt, wenn gar kein Kontakt stattfindet, sondern auch dann, wenn es zu einem Täuschungsversuch kommt. Das ist in dieser Szene gegeben.

 

Szene 14: Davy Frick (Zwickau) bringt Justin Steinkötter (Saarbrücken) im Strafraum zu Fall. Schiedsrichter Florian Heft gibt Elfmeter, zudem sieht Frick Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:00]

Babak Rafati: Steinkötter wird im gegnerischen Strafraum angespielt und hat eine klare Torchance. Dabei kommt Gegenspieler Frick hinzu, kreuzt den Laufweg von Steinkötter. stellt ihm somit ein Bein und bringt ihn zu Fall. Zudem umklammert er ihn. Diese Spielweise ist nicht mehr ballorientiert, sondern gegnerorientiert, sodass die Notbremse-Regelung eintritt. Wäre das Umklammern nicht geschehen, sondern nur das Fußvergehen, wäre die Aktion ballorientiert und somit hätte es nur die gelbe Karte geben müssen. Bei zwei Vergehen des gleichen Spielers wird das schwerere Vergehen geahndet. Bemerkenswert, dass der Schiedsrichter nach der Elfmeterentscheidung, die er sehr überzeugend trifft, einen Moment wartet, bis er sich nach einer kurzen Bedenkzeit und richtigen Einordnung der Vergehen festlegt. Eine vorbildliche Vorgehensweise, die am Ende zur richtigen Entscheidung führt.

 

Szene 15: Für ein Foul an Immanuël Pherai (Dortmund II) sieht der gelb-verwarnte Mael Corboz (Verl) von Schiedsrichter Florian Exner Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]

Babak Rafati: Bei diesem Foulspiel im Mittelfeld von Corboz gegen Pherai handelt es sich um ein taktisches Foulspiel durch Beinstellen, sodass ein guter Angriff unterbunden wird. Somit eine richtige Entscheidung, hierfür die gelbe Karte zu zeigen, die für den bereits verwarnten Corboz die gelb-rote Karte zur Folge hat.

 

Szene 16: Der bereits gelb-verwarnte Jakob Lewald (Berlin) setzt zur Grätsche gegen Eric Hottmann (Türkgücü) an und sieht dafür von Schiedsrichterin Dr. Riem Hussein Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]

Babak Rafati: Auf der linken Außenbahn legt sich Hottmann den Ball vor und Gegenspieler Lewald grätscht ins Leere. Hottmann kommt ohne gegnerische Einwirkung zu Fall, womöglich weil er erkennt, dass er sich den Ball etwas zu weit vorgelegt hat. Somit liegt statt eines Foulspiels von Lewald eine Schwalbe von Hottmann vor. Es hätte somit anstatt der Ampelkarte gegen Lewald für ein vermeintliches Foulspiel die gelbe Karte gegen Hottmann wegen Unsportlichkeit geben müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor. In dieser Szene ist für mich aber nicht die Schiedsrichterin die, die kritisiert werden muss, sondern der Angreifer. So eine Szene ist für die Schiedsrichter äußerst schwierig zu sehen und zu beurteilen, weil es eine Millimeter-Entscheidung ist, selbst nach TV-Zeitlupen.

Weiterlesen: Wer bisher am häufigsten benachteiligt wurde

 

 

   

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