Es begann mit dem Aufstieg: FWK seit eineinhalb Jahren auf Talfahrt

Es ist erst ein Spieltag im neuen Jahr absolviert, und doch offenbaren die Würzburger Kickers bereits alle Probleme, die einen ganz heißen Abstiegskandidaten ausmachen. Bereits seit dem Aufstieg 2020 befinden sich die Unterfranken auf Talfahrt – und drohen den Erfolg von damals nun mit dem Abstieg in die Regionalliga bezahlen zu müssen.

Es ist alles schiefgelaufen

93. Minute. Anrennen, immer weiter, nicht nachdenken, alles nach vorne werfen. Noch ein Freistoß. Flanke – Handspiel? Handspiel! Elfmeter! Wer schießt? Schuppan, natürlich. Es steht 1:2 gegen den Halleschen FC, die Würzburger Kickers stehen auf dem Relegationsplatz, Schuppan läuft an, trifft, Explosion am leeren Dallenberg. 2:2! Die Kickers steigen auf, es ist das dramatischste Aufstiegsfinale, das die 3. Liga gesehen hat. Wir schreiben den 4. Juli 2020.

93. Minute. Ein weiter Befreiungsschlag. Hendrik Bonmann visiert den hohen Ball an, merkt wohl schon währenddessen, dass es knapp wird. Klären will der Torhüter den Ball doch nur, stattdessen köpft er ihn hoch in die Luft – und vor die Füße von Cyrill Akono. Der Verler lässt Würzburgs Keeper links liegen, grätscht ein letztes Mal über den umgepflügten Lotter Rasen. 2:0, der Abstiegsgipfel ist entschieden. 30 mitgereiste Fans vergraben das Gesicht in den Händen, nie waren die Würzburger Kickers der Regionalliga in dieser Saison näher. Wir schreiben den 16. Januar 2022.

Anderthalb Jahre liegen zwischen diesen Momenten. Anderthalb Jahre, in denen bei keinem deutschen Profifußballverein, nicht einmal bei Schalke 04, so viel schiefgelaufen ist wie bei den Würzburgern. 42 Punkte holten sie seither aus 55 Ligaspielen, stiegen sang- und klanglos aus der zweiten Bundesliga ab und schafften es als klarer Außenseiter sogar noch, ein völlig chaotisches Bild abzugeben: Zwei Spiele hielt Aufstiegstrainer Michael Schiele im Herbst 2020 nur noch durch, dann war der minimale Rückhalt schon aufgebraucht.

Erinnert sich noch jemand an all die Namen, die dann folgten? Marco Antwerpen, Bernhard Trares, Ralf Santelli und der zum Sportvorstand aufgestiegene (und mittlerweile ebenso längst entlassene) Schuppan als Interimslösung, Torsten Ziegner – und jetzt Danny Schwarz, dessen destruktive Herangehensweise sich beim 0:2 in Verl nicht auszahlte, im Gegenteil. Es war der neue Tiefpunkt. Einer, der so wehtat, dass auch Trainer Schwarz kurzzeitig resigniert wirkte ob dessen, was er gesehen hatte.

Hohe Fluktuation mit ungutem Ende

Kann ein Aufstieg "zu früh" kommen? Gerne werden solche Bemerkungen bei Klubs bemüht, die sich beim Versuch des Etablierens in höheren Ligen schlicht verheben. Würzburg hätte weiter sein können, hatte 2016/17 bereits ein einjähriges Intermezzo in der 2. Bundesliga. Dieses Mal war das Fundament wackliger, Unterschiedsspieler wie Simon Rhein, Fabio Kaufmann, Torwarttalent Vincent Müller und allen voran der heutige Zweitliga-Torjäger Luca Pfeiffer (Darmstadt 98) waren vor oder kurz nach dem Saisonbeginn weg, Schuppan selbst hatte seine Karriere beendet. Dann kauften der FWK um Hauptsponsor Flyeralarm und den damaligen Strippenzieher Felix Magath ein, holten Leute aus Slowenien, Brasilien, Tschechien, Bulgarien, Schweden, den USA und Spanien. Die Mischung passte ebenso wenig wie die, die sich Würzburg im Sommer 2021 zusammenstellte.

Jetzt, nach mehr als einer halben Saison in der 3. Liga, bleibt nur ein Urteil: Trotz finanzieller höchster Konkurrenzfähigkeit haben sich die Rothosen keinen Kader zusammengestellt, der zur Spielklasse und ihren Tugenden passt. Wer in 21 Partien erst 14 Tore erzielt hat (0,67 pro Spiel) und damit Negativrekorde aus 14 Jahren Drittliga-Historie einstellt, ist ein Universum entfernt von einer erfolgreichen Spielidee. Wer dazu auch mit einer Defensivtaktik nicht regelmäßige Erfolge vorweist, der steht wenig überraschend fünf Zähler hinter Platz 16. Abseits des derzeit corona-bedingt ausfallenden David Kopacz fehlt es völlig an Kreativpotenzial, der noch beste Strafraumstürmer Marvin Pourié ist und bleibt wegen mannschaftsinterner Verfehlungen suspendiert, auf einen Nachfolger warten die Fans der Unterfranken noch. Ohne Pourié führt die interne Torjägerliste, auch das ist bezeichnend, ein Innenverteidiger an: Tobias Kraulich hat dreimal genetzt, vornehmlich durch Kopfbälle.

Acht Siege müssen es nun wohl sein

Auch ob das Team mit jener Anzahl an Charakterspielern ausgestattet ist, die sich selbst bei massivem Gegenwind und peitschendem Regen aufrichten und ihre Mannschaft vorwegziehen, ist fraglich. Fest steht nur die Zielrichtung: Über notfalls dreckigste Siege muss sich Würzburg an das hintere Mittelfeld klemmen, benötigt werden wohl mindestens acht Siege aus 17 Spielen – damit würde sich der FWK in Richtung der 45-Punkte-Marke bewegen.

Als vielleicht letzte Patronen hat Würzburg nun Marvin Stefaniak und Peter Kurzweg präsentiert: Stefaniak kennt aus Dresdener Zeiten vornehmlich das obere Drittel der 3. Liga, Kurzweg bringt aus 92 Pflichtspielen für die Kickers (2015-17, 2018/19) beim mittlerweile dritten Engagement am Dallenberg Stallgeruch mit. Weitere Transfers sind bis zum 31. Januar möglich, es fehlt der besagte Stürmer, vielleicht auch ein echter "Dreckfresser" als Leader. Ist Würzburg zu retten? Es sieht alles danach aus, als müsste dafür viel zusammenkommen.

   

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