Ingolstadt und Aue: Zwei Zweitliga-Absteiger stehen schon beinahe fest
Das letzte Saisondrittel steht auch in der 2. Bundesliga erst noch bevor. Doch geschieht kein mittelschweres Wunder, ist über beide direkten Absteiger bereits entschieden worden. Erzgebirge Aue und Aufsteiger FC Ingolstadt liegen vor den letzten elf Spielen bereits zehn Punkte hinter dem Relegationsplatz. Wir listen die Gründe für die bevorstehende Rückkehr in die 3. Liga auf.
Die beste 2. Liga fordert ihre Opfer
Sie wurde angepriesen als die beste zweite Liga seit Bestehen, und neidlos darf anerkannt werden: Nach manchen Anlaufschwierigkeiten zeigen die Traditionsvereine Schalke, Bremen, Hamburg und Co. an der Tabellenspitze mittlerweile eine spektakuläre Show, es bahnt sich das mit Abstand spannendste Titelrennen aller drei deutschen Profiligen an. Die beiden Vertreter, um die es in diesem Text geht, können dort nur ehrfürchtig zuschauen. Obgleich zumindest einer von ihnen, der FC Ingolstadt, kürzlich den Bremern mächtig in die Suppe spuckte: Das späte 1:1, erzielt von Filip Bilbija, zerstörte ja immerhin die sieben Partien andauernde Siegesserie an der Weser. Das Problem: Für Werder war es Saisonpunkt Nummer 42, für die Schanzer der 15. seiner Art. Die einen sind Spitzenreiter, die anderen waren lange Letzter und sind jetzt? Richtig, Vorletzter. Was kaum hilft.
Letzter ist jetzt Erzgebirge Aue. Und das mittlerweile verdient. Denn während die Ingolstädter immerhin seit drei Spieltagen ungeschlagen sind, in der Rückrundentabelle im Mittelfeld liegen, ist die Bilanz der Veilchen erschütternd. Ein Pünktchen aus sechs Spielen der Rückserie, 18 kassierte Gegentore. Die wenigsten Siege, die meisten Niederlage, die wenigsten erzielten Tore, die meisten hingenommenen Tore. Was das Duo am Tabellenende eint, ist die Punktzahl. Und die immer näher rückende Gewissheit: Der Abstieg ist kaum vermeidbar.
"Wir werden weiterkämpfen, aber wir müssen anfangen, für die 3. Liga zu planen. Es tut sehr weh." Das sagte Teamchef Marc Hensel nach dem Auer 1:3 in Düsseldorf, der 14. Nullrunde in dieser Saison. Aue hatte einmal mehr völlig verdient verloren, musste sich wütenden Fans stellen. Längst wird im Klubumfeld die Qualitätsfrage gestellt, 32 Spieler umfasst der größte Zweitliga-Kader aus dem Erzgebirge schließlich, darunter zwölf Neuzugänge, drei davon im Winter nachverpflichtet. Doch kaum einer aus dieser Auswahl bringt das Zeug mit, ein Unterschiedsspieler zu sein. Ein Jan Hochscheidt ist mittlerweile 34, ein Dmitri Nazarov bald 32, beide spielen kein gutes Jahr. Torwart und Kapitän Martin Männel, bald 34 und Vereinsikone, hat ein Jahr mit wenigen Ausnahmeleistungen und einigen Fehlern hinter sich. Clemens Fandrich, 31, fehlte lange wegen der Spuck-Affäre, auch er spielt unteren Durchschnitt. Die Liste lässt sich fortführen, irgendwann tauchen dann auch die Neuzugänge auf. Fast alle drücken dem Klub nur einen ausgetrockneten Stempel auf, hinterlassen weder Ab- noch Eindruck.
Aues verhängnisvoller Versuch mit Shpilevski
Schon immer war Erzgebirge Aue eine Mannschaft, bei der für den souveränen Klassenerhalt einiges zusammenkommen musste, was erfreulich regelmäßig gelang. Dieses Jahr nicht. Helge Leonhardt, der mit seinem Naturell mancherorts in der Republik belächelt wird, diesen Klub aber wie eine große Familie zusammenhält, traf manch falsche Entscheidung. Allen voran steht dort Aleksey Shpilevski, der belarussische und gescheiterte Coach, der aus dem kasachstanischen Almaty kam und nach nur sieben Spieltagen ohne einen Sieg ins Nirgendwo entschwand. Aue hatte etwas riskiert, einem Talent vertraut wie einst bei Domenico Tedesco, der voll einschlug.
Doch die Lila-Weißen stehen eben nicht nur für die tollen drei Monate März bis Mai 2017 unter Tedesco, sondern auch die fast fünf Jahre danach, in denen fünf Nachfolger kamen, jeder mit seinen eigenen Ideen. Seit dem Shpilevski-Experiment versucht sich Hensel, der noch kein Fußballlehrer ist und daher Teamchef genannt wird, aber de facto Trainer ist. Pavel Dotchev kehrte schon im November als sportlicher Leiter – und formaler Cheftrainer – zurück, drei Wochen nach seiner Entlassung beim MSV Duisburg. Zum Heilsbringer wurde er beim zweiten Engagement in Sachsen (nach 2015-2017) bislang nicht. Schon jetzt muss er sich dafür mit Leonhardt die Frage stellen: Soll es mit Hensel, der in diesen Tagen den Lehrgang zur "Pro Lizenz" startet, in die 3. Liga gehen? Oder braucht es spätestens dann den nächsten Impuls?
Ingolstadt kommt zu spät in Form
Nicht nur Aue, sondern auch der FC Ingolstadt kann bereits jetzt auf das mahnende Beispiel der Würzburger Kickers schauen, die enorm gefährdet sind, unmittelbar in die Regionalliga durchgereicht zu werden. Auch der FWK durfte sich im Vorjahr lange auf den Abstiegsfall vorbereiten, umso erstaunlicher ist das bislang klägliche Scheitern. Ingolstadt zeigte zuletzt noch beeindruckende Lebenszeichen, der 5:0-Auswärtssieg beim bayrischen Duell in Nürnberg sorgte deutschlandweit für Aufsehen. Für Rüdiger Rehm, ähnlich wie Dotchev eine prägende Figur des vergangenen Drittliga-Jahrzehnts, und seine Spieler kommt der Aufschwung wohl zu spät. Zehn Punkte beträgt der Rückstand auch für den FCI, in weiter Ferne sind die Mitaufsteiger Dresden und Rostock sowie auch der SV Sandhausen auszumachen. Der SVS ist mit seinen elf Rückrundenpunkten auch der "Übeltäter" der prekären Lage im Keller. Seit er das Tempo angezogen hat, schaut insbesondere Aue in die Röhre.
Ingolstadt wird am Ende des Jahres auf die verpatzte Hinrunde schauen. Einen Sieg, jenen beim Gastspiel in Sandhausen am 5. Spieltag, gab es da nur, der Rückstand war schon zum Jahreswechsel riesig. Seitdem geht es zunächst um Schadensbegrenzung – die letzte Resthoffnung auf das Wunder schlummerte tief. Der Kantersieg in Nürnberg taugte zwar als Weckruf, doch die Ergebnisse der Konkurrenz erdeten den Audi-Klub umgehend. Zu vorsichtig hatte Ingolstadt auf dem Transfermarkt agiert, von den acht Sommertransfers – darunter der suspendierte, von Schalke ausgeliehene Flop Nassim Boujellab – schlug aus verschiedensten Gründen kaum einer ein. Erst suchte Roberto Pätzold vergeblich eine Stammelf mit Sicherheit, dann der erfahrene André Schubert. Beide wurden nach jeweils neun Pflichtspielen entlassen, der Trainerstuhl wurde zum Schleudersitz. Die Aufstiegseuphorie verflog, ohne sich einmal entfaltet zu haben.
Es folgten sechs Wintertransfers, ein klares Zeichen, das Unmögliche möglich machen zu wollen. Und siehe da: Mit dem mazedonischen Innenverteidiger Visar Musliu, Flügelstürmer Florian Pick aus Heidenheim, Torwart Dejan Stojanovic und Nunoo Sarpei als energischem Sechser ist der FCI endlich konkurrenzfähiger. Genau wie bei Rüdiger Rehm scheinen für den Moment die richtigen Schlüsse gezogen, die richtigen Personalien für den Abstiegskampf gefunden worden zu sein, fünf Punkte und nur ein Gegentor aus den vergangenen drei Spielen machen den Fans Lust auf das Saisonfinale, auch wenn es aller Voraussicht nach nur einer möglichst kurzweiligen Abschiedstour gleichkommen wird. Doch wenn einer der beiden Letzten für eine Aufholjagd infrage kommt, dann ist es dieser FC Ingolstadt.