Türkgücü vor dem endgültigen Aus? Es braucht jetzt Klarheit
Nur zwei Spiele noch, dann könnten die Lichter bei Türkgücü München endgültig ausgehen. Gerüchte, wonach sich der insolvente Klub Ende März vom Spielbetrieb zurückziehen wird, und die Liga damit gehörig durcheinanderwirbelt, halten sich hartnäckig. Es braucht endlich Klarheit – und zwar jetzt. Ein Kommentar.
Neuer Investor nicht in Sicht
Beim 1:0 gegen die U23 von Borussia Dortmund feierte Türkgücü München am Samstag den ersten Auswärtssieg seit dem 25. August. Den Erfolg als Lebenszeichen im Kampf um den Klassenerhalt zu bezeichnen, wäre allerdings zu viel des Guten. Noch immer sind die Münchner nach dem Abzug von elf Punkten abgeschlagen Letzter und haben neun Zähler Rückstand auf das rettende Ufer – bei nur noch neun Spielen. Doch dass Türkgücü diese Partien allesamt noch austragen wird, gilt als unwahrscheinlich.
Bekanntlich ist der Spielbetrieb nur noch bis Ende März gesichert, anschließend benötigen die Münchner einen neuen Investor, um die Gehälter der 40 Spieler und Angestellten bis zum Saisonende zahlen zu können. Bislang lief die Suche nach einem Geldgeber jedoch erfolglos. Kein Wunder, müsste der Nachfolger von Hasan Kivran doch eine beträchtliche Summe – wohl im Millionen-Bereich – investieren. Und das in eine Mannschaft, die am Saisonende mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ohnehin absteigen wird. Allein die Heimspiele im April und Mai würden wohl mit 160.000 Euro für Miete und Stadion-Security zu Buche schlagen. Welchen Sinn hätte ein Investment zu diesem Zeitpunkt also?
Die "Bild" mutmaßte daher zuletzt bereits, dass die Münchner den Spielbetrieb nach dem Spiel gegen Wiesbaden (19. März) "aller Voraussicht nach einstellen müssen" – zumal Anfang April das Insolvenzverfahren eröffnet werden soll. Zwar hat Türkgücü Einspruch gegen den Elf-Punkte-Abzug eingelegt, doch dass der DFB diesen mindert, ist genauso unwahrscheinlich wie ein rasch steigendes Fan-Interesse an der "türkischen Kraft".
Eine "absolut unfaire Situation"
Noch haben die Verantwortlichen die Hoffnung scheinbar aber nicht aufgeben – sowohl, was die Suche nach einem neuen Investor, als auch einen erfolgreichen Einspruch beim DFB angeht. Und so wird der 1. FC Magdeburg am kommenden Samstag gemeinsam mit zahlreichen Fans nach München reisen, ohne zu wissen, ob die Partie zwei Wochen später überhaupt noch einen sportlichen Wert haben wird. Tabellarisch könnte der FCM ein Türkgücü-Aus Ende März und eine damit verbundene Annullierung aller Spiele der Münchner angesichts des großen Vorsprungs auf die Konkurrenz sicherlich verkraften – ganz im Gegenteil zu anderen Klubs.
Während der 1. FC Kaiserslautern und Eintracht Braunschweig jeweils drei Punkte verlieren würden, müsste der FCS satte sechs Zähler abgeben. Die Folge: Der Rückstand zu den Aufstiegsplätzen würde sich auf einen Schlag mehr als verdoppeln (fünf statt zwei Punkte). "Es wäre eine absolut unfaire Situation, wenn wir, die das Optimum aus den Spielen herausgeholt haben, dann schlechter dastehen als Mannschaften, die sportlich weniger Glück hatten", sagte Trainer Uwe Koschinat am vergangenen Freitag. Auch Mannheim und Osnabrück müssten jeweils vier Zähler abgeben, während 1860 nur einen Punkt verlieren würde, nur noch drei statt fünf Zähler Rückstand auf Rang 3 hätte und damit der großer Profiteur der Pleite beim Stadtrivalen wäre.
Auf den Abstiegskampf hätte ein endgültiges Türkgücü-Aus ebenfalls unterschiedliche Folgen: Während der TSV Havelse acht statt sechs Punkte zum rettenden Ufer aufholen müsste, würde sich der Vorsprung des FSV Zwickau von sieben auf acht Zähler erhöhen. Und je nach Ausgang der Partien in den nächsten zwei Wochen sind noch gravierendere Konstellationen möglich, die das Tabellenbild vor den letzten sieben Spieltagen ordentlich durcheinander wirbeln könnten.
Türkgücü muss Antworten liefern
Ein Zustand, der so kurz vor der alles entscheidenden Phase der Saison nicht hinnehmbar ist. Daher muss Türkgücü nun Antworten liefern, nachdem sich die Verantwortlichen seit Wochen in Schweigen hüllen. Wie viel Geld wird benötigt, um die Saison zu Ende spielen zu können? Gibt es aussichtsreiche Gespräche mit Investoren? Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen? Oder läuft es tatsächlich darauf hinaus, dass ab Ende März Schluss ist? In diesem Fall erscheint es sinnvoller, wenn Türkgücü München schon jetzt zurückzieht. Dann wären die Folgen für den Auf- und Abstiegskampf zwar immer noch gravierend, aber immerhin hätten die Klubs dann ein bisschen Planungssicherheit und könnten entsprechend reagieren.
Das Szenario, dass Türkgücü erst innerhalb der letzten fünf Spieltag zurückzieht, würde zwar eine Annullierung aller Partien verhindern, gleichzeitig aber ebenfalls zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führen. So könnte es etwa dazu kommen, dass Eintracht Braunschweig vor dem letzten Spieltag genau weiß, wie viele Tore gegen Viktoria Köln nötig sind, um den 1. FC Kaiserslautern noch von Platz 2 zu verdrängen. Das Heimspiel der Roten Teufel gegen Türkgücü würde nämlich nicht stattfinden, sodass die Antwerpen-Elf im schlimmsten Fall tatenlos mit ansehen müsste, wie der BTSV noch vorbeizieht, da die nicht ausgetragene Partie gegen Türkgücü "nur" mit 2:0 für Lautern gewertet werden würde. Von den finanziellen Verlusten eines sicherlich ausverkauften Fritz-Walter-Stadions völlig abgesehen.
Auch der DFB ist gefordert
Um absurde Konstellationen wie diese zu verhindern, braucht es jetzt Klarheit – im Sinne von Türkgücü und allen anderen Klubs. Und der DFB muss die Fragen beantworten, ob er den Münchnern unter die Arme greifen kann, um ein regulären Ende der Saison zu ermöglichen, und wie solche Hängepartien künftig zu verhindern sind. Zumal es eine ähnliche Situation schon im letzten Jahr mit dem KFC Uerdingen gegeben hatte. Dass die Vereine neun Spieltage vor Saisonende nicht zu wissen, mit welcher Ausgangslage sie in den Endspurt gehen, ist einer Profiliga unwürdig – und darf sich in den nächsten Jahren nicht wiederholen.