Vier Szenarien, wie Türkgücü die Saison zu Ende spielen könnte
Gehen bei Türkgücü München nach den nächsten beiden Spielen die Lichter aus? Die Gerüchte, wonach sich der insolvente Klub Ende März vom Spielbetrieb zurückziehen wird, halten sich weiter hartnäckig. Die Folgen für die 3. Liga wären groß, würden doch alle Türkgücü-Spiele aus der Wertung fallen. liga3-online.de nennt vier Szenarien, wie die Münchner die Saison regulär zu Ende bringen können.
Szenario 1: Ligaexterner Investor
Noch bis Ende März werden die Gehälter der Spieler und Angestellten von der Agentur für Arbeit übernommen, ab dem 1. April muss Türkgücü die Kosten wieder selbst tragen – und benötigt dafür einen neuen Investor. Der Einstieg eines externen Geldgebers ist somit die naheliegendste Lösung, die eine Fortführung des Spielbetriebs bis zum Saisonende möglich machen würde. Wie "dieblaue24" erfahren haben will, soll Türkgücü zuletzt mit einem Investor aus den USA in Kontakt gestanden haben. Wie konkret die Gespräche verliefen und ob sie weiter fortgesetzt werden, ist nicht bekannt.
Was dafür spricht: Eigentlich spricht aufgrund der sportlichen Lage nicht wirklich viel dafür, dass ein neuer Investor einsteigt. Beim ebenfalls insolventen KFC Uerdingen bestand in der vergangenen Saison nach dem Ausstieg von Mikhail Ponomarev immerhin noch eine gute Chance auf den Klassenerhalt, der dann zumindest sportlich auch erreicht wurde. Dass Türkgücü aber für Überraschungen gut ist, zeigte sich nur vier Tage nach dem Antrag auf Insolvenz, als mit dem US-Finanzdienstleister "Remitly" plötzlich ein neuer Hauptsponsor vorgestellt wurde.
Was dagegen spricht: Um für einen Investor interessant zu sein, benötigt Türkgücü eine Perspektive – und genau diese hat der Klub derzeit nicht. Durch den Elf-Punkte-Abzug, den der DFB am Mittwoch nach dem Widerspruch der Münchner nochmal bestätigte, belegt die Mannschaft von Trainer Andreas Heraf mit nur 18 Zählern den letzten Tabellenplatz und hat angesichts von neun Punkten Rückstand auf das rettende Ufer bei nur noch neun ausstehenden Partien kaum noch realistische Chancen auf den Klassenerhalt. Warum also sollte ein Investor zu diesem Zeitpunkt investieren? Allein die Tatsache, dass die Suche nach einem Geldgeber bereits seit Ende Januar läuft und bislang nicht erfolgreich war, lässt annehmen, dass am Ende kein Investor gefunden wird.
Szenario 2: Ligainterner Investor
Sollte sich kein externer Investor finden, wäre auch eine ligainterne Lösung möglich. Dieses Szenario wird seit einigen Tagen in Fan-Kreisen diskutiert. Zwar scheint eine solche Lösung außerhalb jeglicher Vorstellungskraft zu liegen, doch zumindest durchspielen kann man sie. Denkbar wäre etwa, dass sich eine Allianz aus mehreren der anderen Drittliga-Investoren bildet, die gemeinschaftlich in Türkgücü investiert. Nicht mit dem Ziel, Gewinn zu machen, sondern einzig und allein um zu verhindern, dass sich die Münchner vom Spielbetrieb zurückziehen und so sämtliche Spiele annulliert werden.
Was dafür spricht: Sowohl sportliche als auch finanzielle Argumente lassen eine Investition in Türkgücu für bestimmte Klub-Gelbgeber durchaus denkbar erscheinen. Etwa für die regionale Investorengruppe des 1. FC Kaiserslautern. Gelingt es – vielleicht auch durch die Unterstützung weiterer Investoren – ein vorzeitiges Aus von Türkgücü abzuwenden, würde der FCK nicht nur seine drei Punkte aus dem 2:1-Erfolg im Hinspiel behalten, sondern – und das fällt noch stärker ins Gewicht – hätte am letzten Spieltag, wenn die Münchner auf dem Betzenberg gastieren, nicht spielfrei. Damit müsste der FCK zum einen nicht tatenlos zusehen, wie etwa Eintracht Braunschweig im letzten Moment noch vorbeizieht, und dürfte sich zum anderen über satte Zuschauereinnahmen freuen. Das letzte Heimspiel der Saison würde sicherlich 40.000 Zuschauer anlocken, was dem FCK wohl einen Umsatz in niedriger siebenstelliger Höhe bescheren dürfte. Diese Einnahmen würden dem Klub, und damit auch den Investoren, verloren gehen, wenn Türkgücü sich vorzeitig vom Spielbetrieb zurückziehen sollte. Eine Investition in die Münchner käme die Geldgeber möglicherweise sogar "günstiger" zu stehen – vor allem dann, wenn der Aufstieg tatsächlich gelingen sollte.
Unterstützung könnten die FCK-Investoren möglicherweise aus Saarbrücken erhalten. Denn auch der FCS hat größtes Interesse daran, dass die Türkgücü-Spiele in der Wertung bleiben, würden die Saarländer doch sonst sechs Punkte verlieren. Sollte Saarbrücken dadurch den Aufstieg verpassen, käme das die Geldgeber um Präsident Hartmut Ostermann sicherlich teurer zu stehen als in Türkgücü zu investieren.
Was dagegen spricht: Keine Frage: Dass Investoren anderer Klubs in einen insolventen Ligakonkurrenten ohne echte Perspektive investieren, erscheint eigentlich kaum vorstellbar. Zum einen, weil die Investition mit sehr großem Risiko verbunden ist (Türkgücü könnte sich etwa zu einem späteren Zeitpunkt immer noch zurückziehen), und zum anderen, weil das investierte Geld in jedem Fall weg ist. Außerdem könnten die FCK-Geldgeber argumentieren, dass die Investition gar nicht nötig ist, weil Lautern den Aufstieg auch so schafft und das verlorene Geld aus dem Türkgücü-Heimspiel in der kommenden Zweitliga-Saison locker wieder reinholt.
Szenario 3: Unterstützung von anderen Fans
Neben den Investoren der im Auf- und Abstiegskampf von einem Türkgücü-Aus betroffenen Klubs dürften auch die Fans der entsprechenden Vereine Interesse daran haben, dass Türkgücü die Saison zu Ende spielt – so unbeliebt der Klub auch ist. Eine denkbare Lösung daher: Die Fans greifen Türkgücü finanziell unter die Arme – etwa in Form von virtuellen Rettertickets. Diesen hätten zwar keinen materiellen Wert, könnten aber dazu beitragen, den eigenen Klub über den Umweg Türkgücü zu unterstützen. Wenn die Münchner eine solche Aktion entsprechend vermarkten, dürfte das durchaus einige Anhänger ansprechen. Schon 20.000 Tickets zum Preis von 15 Euro würden Einnahmen von 300.000 Euro bedeuten, die dazu beitragen könnten, dass Türkgücü die Saison zu Ende spielen kann.
Was dafür spricht: Viele Fans werden nicht tatenlos zusehen wollen, wie der eigene Klub im Auf- oder Abstiegskampf zurückgeworfen wird, weil ein anderer Verein die Saison nicht zu Ende spielt.
Was dagegen spricht: Neben der Tatsache, ausgerechnet einen unbeliebten und bankrotten Klub zu unterstützen, wäre der Kauf eines Tickets mit großem Risiko verbunden. Denn zieht sich Türkgücü vom Spielbetrieb zurück, wäre das Geld weg, ohne einen Gegenwert dafür haben.
Szenario 4: Gehaltsverzicht der Spieler
Will Türkgücü die Saison regulär zu Ende bringen, ist wohl nicht nur einer Investor notwendig, sondern auch eine deutliche Reduzierung der Kosten. Den mit Abstand größten Posten stellen die Gehälter für Spieler und Trainer. In der vergangenen Saison lag der Profietat bei rund vier Millionen Euro. Legt man diesen Wert auch für die laufende Spielzeit zu Grunde, wären das monatlich rund 330.000 Euro. Wohl zu viel, um wenigstens noch die Gehälter für April und Mai zahlen zu können. Die Lösung daher: ein Gehaltsverzicht der Spieler.
Was dafür spricht: Tragen die Spieler über einen Gehaltsverzicht dazu bei, dass der Spielbetrieb weitergeht, hätten sie bis zum Saisonende in sieben weiteren Spielen die Gelegenheit, sich für andere Klubs zu empfehlen. Und nur darum geht es für die aktuelle Mannschaft jetzt noch. Zudem könnten sie weiterhin trainieren. Ohne die nötige Fitness dürfte es für alle Akteure schwierig werden, neue Vereine zu finden. Zudem würden die Spieler im Falle einer Einstellung des Spielbetriebs ab Ende März gar nichts mehr kassieren.
Was dagegen spricht: Durch die Insolvenz mussten die Spieler zuletzt auf einen Großteil ihrer Gehälter verzichten und haben damit bereits unfreiwillig Einbußen hinnehmen müssen. Denkbar daher, dass sie nicht zu weiteren Einschnitten bereit sind.
Fazit
Dass Türkgücü die Saison regulär zu Ende spielen wird, ist nach aktuellem Stand mehr als fraglich. Alle denkbaren Szenarien sind mit großen Unwägbarkeiten verbunden. Inwiefern der DFB den insolventen Münchnern unter die Arme greifen könnte, dazu wollte der Verband auf Anfrage keine Auskunft geben. Unbestritten ist aber, dass der DFB als Ligaträger großes Interesse daran hat, dass alle 38 Spieltage ordnungsgemäß durchgeführt werden. Eine direkte finanzielle Unterstützung ist derweil allein schon aus steuerrechtlichen Gründen allerdings nicht möglich. Und auch was den Abzug der elf Punkte angeht, gibt es keinen Spielraum.
Denkbar wäre aber zum Beispiel, dass die letzte TV-Rate in Höhe von 250.000 Euro nicht erst im Mai, sondern schon Anfang April ausgezahlt wird. Tritt dazu noch eines (oder bestenfalls mehrere) der aufgeführten Szenarien ein, könnte Türkgücü die Saison möglicherweise doch zu Ende spielen. Und zwar bis zum 38. Spieltag. Es wäre ohne Frage die beste Lösung für alle Beteiligten, denn selbst wenn sich Türkgücü nach Ostern zurückziehen sollte und die bisher absolvierten Duelle in der Wertung blieben, würde der Wettbewerb durch die Anrechnung von 2:0 Toren für alle nicht ausgetragenen Spiele verzerrt werden.