"Ich schäme mich": Erzgebirge Aue und der Abstieg mit Ansage

Am Samstagabend um 22:21 Uhr war er besiegelt, der dritte Abstieg des FC Erzgebirge Aue aus der 2. Bundesliga. Beim 0:6 in Darmstadt zeigte sich nochmal deutlich, warum es nach sechs Jahren zurück in die 3. Liga geht. Es war ein Abstieg mit Ansage.

"Dafür gibt es keine Entschuldigung"

Auch wenn die Chancen auf den Klassenerhalt ohnehin nur noch theoretischer Natur waren: Das 0:6 in Darmstadt schmerzte dann nochmal so richtig. Allein zwischen der 16. und 19. Minute schlug es gleich dreimal im Tor der Sachsen ein, drei weitere Gegentreffer folgten danach noch – und es hätten noch mehr werden können. "Ich kann gar nicht viel über meine Mannschaft sagen, denn sie war nicht auf dem Platz", fand Trainer und Sportdirektor Pavel Dotchev nach der Partie deutliche Worte. Drei Gegentore binnen drei Minuten habe er in seiner langen Trainerlaufbahn noch nicht erlebt.

Im "MDR"-Interview sprach der Bulgare von einer "sehr schlechten Leistung" und davon, dass sein Team "wie ein Absteiger gespielt" habe. Es sei "sehr traurig, was wir geliefert haben". Für so eine "desolate Leistung" gebe es "keine Entschuldigung." Dennoch entschuldigte er sich bei den Fans: "Es tut mir sehr leid. Ich schäme mich dafür." 20 Niederlagen und 62 Gegentore nach 32 Spielen bedeuten einen Negativrekord in der Vereinsgeschichte des FCE. Nicht zuletzt an Dynamo Dresden zeigt sich, wie schwach Aue in dieser Saison war. Der sächsische Rivale ist mittlerweile seit 15 Spielen sieglos und musste dennoch nicht fürchten, von Aue eingeholt zu werden. Acht Punkte liegen die Veilchen derzeit hinter der SGD – genauso viele Zähler waren es bereits nach dem 18. Spieltag.

Zwei große Fehler im Sommer

Über die Gründe für den Abstieg wollte Dotchev unmittelbar nach der Klatsche in Darmstadt nicht sprechen, machte aber deutlich, dass "viele Fehler" gemacht worden seien. Der erste war ohne Frage die Verpflichtung von Trainer Aliaksej Schpileuski im vergangenen Sommer. Statt nach der Trennung von Dirk Schuster auf einen Trainer zu setzen, der zumindest etwas Erfahrung im deutschen Profifußball hat, holte Präsident Helge Leonhardt einen völlig unbekannten Coach, der die 2. Liga überhaupt nicht kannte und im Erzgebirge ein Spielsystem implementieren wollte, wie er es zuvor im Nachwuchs von RB Leipzig gemacht hatte. Viel Ballbesitz und hohes Pressing lautete fortan die Devise.

Und weil ein echter Strafraumstürmer wie Pascal Testroet, der in 99 Spielen für Aue an 56 Treffern beteiligt war und die Lebensversicherung war, nicht mehr ins System passte, wurde er abgegeben – und das auch noch an einen direkten Konkurrenten: den SV Sandhausen. Der zweite große Fehler der Veilchen. Für die Kurpfälzer netzte der 31-Jährige in 28 Spielen zehnmal ein und trug damit nicht unwesentlich zum Klassenerhalt des SVS bei. Einen Ersatz fand Aue nicht – auch nicht im Winter, als Jann George (aus Regensburg) und Prince Owusu (aus Paderborn) verpflichtet wurden. Zwei Spieler von der Resterampe, die zusammen gerade mal zwei Tore erzielten. So reichen Antonio Jonjic schon sechs Treffer, um sich Top-Torjäger zu nennen – und das, obwohl er seit Mitte November nur noch einmal getroffen hat.

Mehr Trainer als Heimsiege

Überhaupt waren die allermeisten Personalentscheidungen alles andere als glücklich: Neben Testroet wurde auch der Abgang von Abwehrchef Steve Breitkreuz nicht kompensiert, stattdessen holte Aue Spieler wie Antonio Mance, die ihre Tauglichkeit für die 2. Liga nie unter Beweis stellen konnten. "Die großen Teams drücken kleine Vereine wie Aue nach unten", meinte Dotchev. "Wir haben einen der kleinsten Etats der Liga. Das macht sich in der Qualität der Spieler bemerkbar."

Doch auch auf der Trainerbank wagte Aue mehrere Experimente: Nachdem Shpileuski schon nach nur acht Spielen gehen musste, übernahm Co-Trainer Marc Hensel, der aber nicht über die nötige Fußballlehrer-Lizenz verfügte, sodass Dotchev zurückkam und auf dem Papier als Chefcoach fungierte. Eine Entscheidung, die durchaus überraschte: Zwar hatte der 56-Jährige den FCE einst in die 2. Liga geführt, war bei seinen letzten Stationen in Köln und Duisburg jedoch alles andere als erfolgreich. Seit Ende Februar steht Dotchev wieder selbst an der Seitenlinie, jedoch ohne Erfolg: Aus neun Spielen gab es gerade mal acht Punkte. Der Rekordtrainer der 3. Liga ist der dritte FCE-Coach in dieser Saison. Damit hatte Aue mehr Übungsleiter (3) als Heimsiege (2).

Neuanfang im Sommer

In den letzten beiden Partien gehe es nun darum, sich "sauber zu verabschieden", gab Dotchev die Richtung vor. Anschließend soll ein Neuanfang eingeleitet werden – mit neuem Trainer und neuer Mannschaft. Ob Leonhardt dieses Mal ein besseres Händchen beweist als im letzten Sommer? So groß die Verdienste des Unternehmers für Erzgebirge Aue in der Vergangenheit auch waren: An der Rückkehr in die 3. Liga trägt der 63-Jährige in jedem Fall eine Mitschuld. Es war ein Abstieg mit Ansage.

   

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