Strittige Szenen am 38. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Der nicht gegebene Elfmeter für Braunschweig, die Strafstöße für Freiburg II und Meppen sowie der Treffer des VfL Osnabrück. Am 38. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de vier strittige Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.
Szene 1: Einen Schuss von Lasse Schlüter (Braunschweig) wehrt Jamil Siebert (Köln) im Fallen mit der Hand ab. Einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Eric Müller nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:00]
Babak Rafati: Nach einer Hereingabe von Schlüter grätscht Siebert zum Ball und bekommt das Spielgerät aus kurzer Entfernung an den Arm. Da der Arm aber vom Körper abgespreizt ist und dabei klar über der Schulterhöhe ist, wird mit dieser Spielweise ein Handspiel billigend in Kauf genommen, sodass regeltechnisch ein absichtliches Handspiel vorliegt. Es hätte somit einen Elfmeter für Braunschweig geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspeilen zu lassen und dieses Vergehen nicht zu ahnden.
Szene 2: Sascha Risch (Freiburg II) kommt im Strafraum bei einer Grätsche von Tobias Jänicke (Saarbrücken) zu Fall, Schiedsrichter Patrick Glaser gibt Elfmeter für Freiburg II. [TV-Bilder – ab Minute 0:30]
Babak Rafati: Bei einem Zweikampf im Strafraum von Saarbrücken grätscht Jänicke zum Ball, trifft womöglich minimal das Spielgerät, räumt dabei aber entscheidend seinen Gegenspieler Risch ab und bringt ihn rustikal zu Fall. Das ist ein klares Foulspiel, sodass die Elfmeterentscheidung vollkommen richtig ist.
Szene 3: Im Fallen bekommt Shinji Yamada (Berlin) einen Schuss von Christoph Hemlein (Meppen) an den Arm, Schiedsrichter Patrick Ittrich gibt Elfmeter für Meppen. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]
Babak Rafati: Nach einer Hereingabe von Hemlein im Strafraum von Berlin grätscht Yamada zum Ball und will das Spielgerät klären. Er blockt das Spielgerät am Boden liegend mit dem Arm, der sich über dem Kopf befindet. In dieser Szene wird der Arm zur Vergrößerung der Körperfläche eingesetzt, sodass ein absichtliches Handspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, auf Elfmeter für Meppen zu entscheiden.
Szene 4: Einen Pass von Marc Heider leitet Oliver Wähling (Osnabrück) ins Zentrum weiter, wo Sebastian Klaas zum 1:0 für den VfL erzielt. Der FCM reklamiert Abseits, Schiedsrichter Bastian Dankert gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:30]
Babak Rafati: In dieser Szene sind zwei aufeinanderfolgende Szenen relevant für eine mögliche Abseitsposition. Beim ersten Abspiel von Heider auf Wähling steht dieser nicht im Abseits. Das erkennt man sehr gut an den Rasenmarkierungen. Sollte das Abspiel nicht von Heider, sondern vom Gegenspieler erfolgt sein, würde sich die Sachlage folgendermaßen darstellen. Dadurch, dass die Abwehraktion des Verteidigers bewusst ist, er zum Ball geht, das Spielgerät berührt und dieses dann zum Gegenspieler gelangt, liegt eine absichtliche Abwehraktion (deliberate play) vor und es entsteht eine neue Spielsituation. Zu beachten ist dabei: Nicht kontrolliertes, sondern bewusstes Spielen des Balles ist maßgeblich, also mit dem Willen und dem Ziel, den Ball spielen zu wollen. Somit würde auch in diesem Fall keine strafbare Abseitsposition vorliegen, und der Treffer wäre folglich regulär.
Beim zweiten Abspiel von Wähling auf Klaas, dem anschließenden Torschützen, steht dieser hinter dem Ball. Das kann man erneut sehr gut an den Markierungen erkennen, diesmal an der Torraumlinie ("Fünfer"), da der Ball näher zu dieser Linie ist, als der Torschütze. Eine richtige Entscheidung, den Treffer für Osnabrück anzuerkennen.
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