Saisonprognose #2: Verl, Duisburg, Halle, Köln

Es wurde Zeit: Der Saisonauftakt steht vor der Tür, und wir gehen mit einem hochspannenden Teilnehmerfeld auf die Reise durch das bereits 15. Jahr in der 3. Liga. Wer wird oben mitspielen, wer muss den Abstieg befürchten? Wer überrascht und wer enttäuscht? In fünf Teilen unterzieht liga3-online.de alle Teams dem großen Check. Nun sind die Plätze 13 bis 16 der Vorsaison unter der Lupe.

Sportliche Lage: Lange sah es für die Ostwestfalen nach einem folgerichtigen Abstieg aus, der an der Poststraße niemanden sonderlich überrascht hätte. Stattdessen ein ganz starkes, im Eifer des Aufstiegskampfes fast etwas untergegangenes Comeback an den Schlussspieltagen: Der SC Verl schaffte nach dem Trainerwechsel hin zu Michél Kniat tatsächlich noch den Kurswechsel, verdiente sich das dritte Drittliga-Jahr. Und nun die alte Leier wieder von vorn: Einmal mehr ist der Sportclub einer der kleinsten Vereine, einer derer mit einem kaum konkurrenzfähigen Etat. Dazu auch einer, der sein Heimstadion mindestens bis Januar 2023 nicht nutzen darf, sondern nach Paderborn ausweichen muss. Als Ausreden nutzt der Verein diese Umstände nicht, vielmehr als Ansporn. Klappt es noch einmal mit dem "Wunder von der Poststraße"?

Transfers: Die Schwachstelle der Verler war in der Vorsaison eine bisweilen wenig kompromisslose Innenverteidigung, die munter wackelte und so eine Menge Tore von der Abteilung Offensive einforderte. Nun ist Verstärkung da: Torge Paetow von Weiche Flensburg stand schon lange auf der Liste des Sportclubs, ist als Stammspieler eingeplant. Weitere Transfers wie Tobias Knost (1. FC Magdeburg), Dominik Klann (Preußen Münster) und Leon Bürger sowie Maximilian Wolfram (Carl Zeiss Jena) verstärken Verteidigung und Mittelfeld, Niclas Thiede und Tom Baack konnten nach erfolgreichen Leihen fest verpflichtet werden. Dazu angelte sich Verl viele Nachwuchsspieler des benachbarten SC Paderborn. Schmerzhaft sind sechs Verluste: Kasim Rabihic (Saarbrücken), Christopher Lannert (1860), Leandro Putaro (Osnabrück), Ron Berlinski (Essen) und Lukas Petkov (Leihrückkehr/Augsburg), dazu der emotionale Abschied vom langjährigen Torwart Robin Brüseke. Ihn ersetzt als Thiede-Herausforderer künftig Tim Wiesner (zuletzt Osnabrück). Kommen könnte noch ein Linksverteidiger.

Vorbereitung: Auf einen 9:1-Kantersieg gegen Viertligist Rehden folgte gegen Paderborn und Wuppertal jeweils ein 2:2, ehe die Ostwestfalen gegen Schalke 04 die erste Niederlage hinnehmen mussten. Achtbar war anschließend das 3:1 nach Rückstand gegen den niederländischen Zweitligisten Heracles Almelo. Mit Borussia Dortmund (Donnerstag) und dem dänischen Erstligisten SønderjyskE Fodbold (Samstag) folgen zum Abschluss der Vorbereitung noch zwei Härtetests.

Prognose: Verl in der 3. Liga, das ist Leben am Limit. Und darum steht hier die immergleiche Prognose, dass die Westfalen unter normalen Bedingungen absteigen müssten. Warten wir mal ab, wie sie uns in diesem Jahr das Gegenteil beweisen. Platz 16 bis 20.

 

Sportliche Lage: Diese Vorsaison zu vergessen ist keine leichte Aufgabe. Mit zwei blauen Augen und einer satten Ohrfeige ist der MSV aus einem Alptraumjahr hervorgegangen, schaffte nach zwei verschlissenen Trainern und 71 Gegentoren schließlich doch noch mit Hängen und Würgen den Ligaverbleib . Und das alles mit einem Kader, der für so viel mehr geschaffen sein sollte, aber in ganz vielen Enttäuschungen auch bei erfahrenen, vermeintlichen Führungsspielern mündete. Jetzt beginnt Torsten Ziegners Mission erst so richtig: Er muss den Absturz der Meidericher dauerhaft stoppen, sonst wird es früher oder später wirklich in die Regionalliga gehen – ein schwer verkraftbares Szenario. Über Aufstiegsträume redet an der Wedau derzeit jedenfalls niemand mehr, zumal es zuletzt auch eher Ernüchterndes aus den ersten Testspielen gab.

Transfers: Da es im Vorjahr nicht viele Leistungsträger gab, konnte der MSV die meisten Abgänge verkraften. Schmerzhaft war die Trennung von Torhüter Leo Weinkauf nach insgesamt drei Jahren Leihe von Hannover 96. Auch die zwölf Saisontore des wechselhaften Orhan Ademi müssen erst ersetzt werden, zumal Aziz Bouhaddouz und Moritz Stoppelkamp (beide 35) auch nicht mehr jünger werden. Weinkaufs Nachfolger wird Vincent Müller, der aus Eindhoven kommt und die Liga aus Würzburg kennt Die höchst wacklige Verteidigung sollen Sebastian Mai (Dresden) und Marvin Senger aus St. Pauli, zuletzt für 18 Monate an Kaiserslautern verliehen, kitten. Im Sturm wurde noch nicht namhaft nachgerüstet, Philipp König (Kiel II) ist ein junger Hoffnungsträger, der aber Zeit brauchen wird.

Vorbereitung: Auch wenn es nur Testspiele waren: Von einer gelungenen Vorbereitung kann bei den Zebras keine Rede sein. Einzig gegen Kreisligist MTV Union Hamborn gelang zum Auftakt ein Sieg (13:1), in den weiteren Spielen gegen Hannover (2:5), Münster (1:1), Düren (2:4) und Leverkusen (1:6) zeigten die Zebras zum Teil dürftige Leistungen. Vor allem die letzten beiden Partien mit zehn Gegentoren binnen 24 Stunden ließen Trainer Ziegner ratlos zurück. "Ich würde es cool finden, wenn wir ein bisschen Selbstvertrauen mit in die Runde nehmen können", sagte er. Ob die Spiele gegen Borussia Mönchengladbach und Athletic Bilbao im Rahmen eines Blitzturniers am Sonntag dafür taugen?

Prognose: Von Aufbruchsstimmung nach zwei Jahren im Abstiegskampf ist am Niederrhein nichts zu erkennen. Ohne weitere Top-Verstärkung, das haben die bisherigen Testspiele gezeigt, droht erneut eine Saison im unteren Tabellendrittel. Auf dem Papier ist Qualität für einen sicheren Mittelfeldplatz vorhanden. Doch den Nachweis, dass sie diese abrufen können, sind die Zebras bislang schuldig geblieben. Mehr als Platz 10 bis 14 ist nicht drin. Auch eine böse Überraschung ist nicht auszuschließen.

 

Sportliche Lage: Im Verlauf der Saison 2021/22 wurde es für den HFC durchaus brenzlig, phasenweise spielten die Saalestädter wie ein Absteiger, hatten dazu große Verletzungssorgen. Schließlich war die Qualität groß genug für den Ligaverbleib, dennoch tat es weh, Rivale Magdeburg einsam seine Bahnen an der Spitze ziehen zu sehen. In Halle bewegt man sich offenbar seit Jahren am Limit, große Sprünge im Etat sind nicht möglich, daher geht es selten über das Mittelfeld hinaus. Im elften Drittliga-Jahr braucht es dabei neue Anreize, um die Fans bei der Stange zu halten. Ist das 15.000 Zuschauer fassende Leuna-Chemie-Stadion nichtmal zu einem Drittel gefüllt, wird es doch recht trostlos.

Transfers: 18 Spieler sind auf der Abgangsliste notiert, ein immenser Aderlass. Besonders schmerzhaft: Talent Jan Shcherbakowski ging nach Dresden, die beiden Torjäger Michael Eberwein (BVB II) und Elias Huth (Aue) laufen künftig auch für die Konkurrenz auf. Dazu nutzte der HFC die Gelegenheit, sich von vielen Durchschnittsprofis zu trennen, die wenig Entwicklungspotenzial offenbarten. Bedient hat sich Halle vorrangig in den Regionalligen, besonders spannend sind die Personalien Andor Bolyki, 15-Tore-Mann von Fast-Aufsteiger BFC Dynamo, sowie Tunay Deniz, der als Achter bei den Kickers Offenbach erstaunliche Tor- und Vorlagenquoten erzielte. Die eine oder andere erfahrene Kraft täte aber gut, zudem fehlt noch ein Stürmer.

Vorbereitung: Nachdem die Amateurklubs SV Romonta 90 Stedten und  SG BW 1921 Brachstedt zu Beginn der Saison-Vorbereitung jeweils mit 8:1 besiegt werden konnten, setzte es gegen den SC Paderborn (1:3), Hertha BSC II (1:3) und den FK Teplice (1:2) zuletzt drei Niederlagen in Folge. Mit den Queens Park Rangers wartet am Samstag noch ein echter Kracher auf den HFC, ehe es am Sonntag zur Generalprobe nach Erfurt geht.

Prognose: Ähnlich wie beim MSV Duisburg gilt auch für den Halleschen FC: Ein entspannteres Jahr wäre viel wert. Doch dafür müssen sich die Neuen adaptieren, die geringere Kaderbreite (bislang nur 24 Spieler) darf nicht ins Gewicht fallen. Die obere Tabellenhälfte wird der HFC nicht zu Gesicht bekommen, Platz 11 bis 14 scheint realistisch.

 

Sportliche Lage: Etwas abseits des Scheinwerferlichts hat sich Viktoria Köln mit einer sehr ordentlichen 26-Punkte-Rückrunde vorzeitig den Klassenerhalt gesichert. Doch ist man damit am Höhenberg wirklich zufrieden? Eigentlich sind die Ziele der ambitionierten Klubführung andere, gerne würde man mal am Tor zur 2. Bundesliga klopfen. Doch angesichts der Konkurrenz, die in diesem Jahr wartet, ist das ein hehres Unterfangen. Vielleicht muss einfach akribischer gearbeitet werden: Zuletzt filmte die Viktoria heimlich das Training von Auftaktgegner Mannheim, doch die Scouts flogen auf. Und erhielten Spott vom Waldhof: "Leider habt ihr das Training ausgesucht, in dem gar nicht taktisch gearbeitet wurde…"

Transfers: Im Fokus standen bislang die Torhüter, Innenverteidiger und Außenbahnspieler. Düsseldorf-Talent Jamil Siebert und Würzburgs Lars Dietz könnten das neue Abwehrduo bilden, die letztjährige Leihgabe Elias Bördner ist nun fest verpflichtet und hat Chancen, Stammkeeper zu werden. Der 20-Jährige und der nur ein Jahr ältere Ben Voll bilden das wohl jüngste Keeper-Duo der Liga, Reserveteams ausgenommen. Weiter vorne punktet die Erfahrung: Rechtsaußen Kevin Lankford (SVWW) hat 51 Zweitliga-Einsätze in petto, Linksaußen Luca Marseiler (Paderborn) 99 Mal in der 3. Liga gespielt. Was im Vorjahr schon fehlte, war ein Goalgetter im Zentrum – Neuzugang André Becker muss nun aber erstmal verletzt passen. Schmerzhaftester Abgang ist ganz sicher Kai Klefisch, der Mittelfeldmotor beweist sich künftig beim SC Paderborn. Fällt dort aber mit einem Knöchelbruch noch lange aus. Spannend und kurios zugleich wäre, sollte sein jüngerer Bruder Ben Klefisch, ebenfalls zentraler Mittelfeldspieler und ausgeliehen von RB Leipzig, das Fehlen kompensieren.

Vorbereitung: Die unterklassigen Gegner BW Königsdorf (4:0), SV Adler Dellbrück (12:2) und FC Remscheid (7:0) stellten die Höhenberger vor keine Herausforderung. Für Aufsehen sorgte das 3:2 trotz zweimaligem Rückstand gegen den niederländischen Erstligisten Fortuna Sittard. In einem Blitzturnier reichte es nach einer Niederlage gegen Fortuna Düsseldorf II (4:5, n.E.) und einem Sieg gegen 1. FC Monheim (2:0) dagegen nur zu Platz 3. Am Mittwoch wartet noch Borussia Mönchengladbach.

Prognose: Punktuell große Qualität und ein erfahrener Coach Olaf Janßen, aber auch viele Talente und Inkonstanz. Köln ist höchstens Mittelfeld-Kandidat, zumal mit Becker und Jeremias Lorch (Kreuzbandriss) zwei fest eingeplante Spieler lange ausfallen. Auch Marseiler steht nach einem Teilriss des Innenbandes am Sprunggelenk vorerst nicht zur Verfügung. Platz 10 bis 13.

 

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