Zwischenfazit & Prognose: Die untere Tabellenhälfte

Die Viertelmarke der neuen Saison wird in der 3. Liga schon am nächsten Spieltag überschritten, der Auftakt ist damit definitiv abgeschlossen. Zur zweiwöchigen Länderspielpause blicken wir auf alle 20 Teams, analysieren die Leistungsentwicklung sowie auffällige Spiele und prognostizieren, was in den verbleibenden acht Spielen bis zur langen WM-Pause die Zielsetzung sein wird. Den Auftakt machen die Klubs aus der unteren Tabellenhälfte:

Lage: Schreck lass nach: Aue setzt für Fehlstarts von Zweitliga-Absteigern ganz neue Maßstäbe. Selbst das ebenso chancenlose Würzburg hatte vor einem Jahr zum gleichen Zeitpunkt wenigstens schon sieben Punkte gesammelt. Im Erzgebirge sind es genau drei, nicht ein Spiel wurde gewonnen und beide emotionalen Sachsenderbys mal aus Pech und Unvermögen (0:1 gegen Dresden), mal per Nichtleistung (0:1 gegen Zwickau) verloren. Dazu knallte es beim 1:5 gegen den SV Wehen Wiesbaden mächtig. Jüngst verkündete Präsident Helge Leonhardt seinen Rücktritt, was nach massivem Druck aus Fan- und Sponsorenlandschaft unvermeidbar war. Seit Dienstagabend ist auch Trainer Timo Rost Geschichte. Ein dringend benötigter frischer Wind wird also bald wehen, aber genügt das? Ob sportlich oder abseits des Platzes, die Krawalle gegen Zwickau wirken ja ebenso nach: Professionell wirkt der langjährige Zweitligist in jedweder Hinsicht nicht mehr.

Prognose: Tief im Team schlummert allemal mehr Qualität als Platz 20. Gelingt es dem Rost-Nachfolger, das Potenzial abzurufen und aus den Spielern eine echte Einheit zu formen? Nur so wird der FCE den Weg aus dem Keller schaffen, muss dafür allerdings schon fünf Punkte aufholen. Über dem Strich in die WM-Pause zu gehen, wird ein schwieriges, aber durchaus mögliches Unterfangen. Im Winter muss beim Kader dann nachjustiert werden. Zunächst braucht Aue aber erstmal einen Sportdirektor …

 

Lage: Regionalliga und 3. Liga sind zwei verschiedene paar Schuhe, das bekommen die Bayreuther bislang deutlich zu spüren. Nur ein Sieg gegen den VfL Osnabrück, zuletzt der allererste Auswärtspunkt in Oldenburg – dem entgegen stehen sechs Niederlagen, allen voran das 0:6 daheim gegen Saarbrücken, wo jegliche Schwächen im Abwehrverbund knallhart offengelegt wurden. Legt man die schwächste Offensive und die schwächste Defensive der Liga (5:18 Tore) nebeneinander, scheint Bayreuth mit dem Zwischenstand noch gut bedient. Auch die Leistungen passen zu denen eines 19., der überdurchschnittliche Teamspirit, mit dem das individuell mit am schwächsten besetzte Team punkten muss, ist bis dato kaum zu erkennen. Trainer Thomas Kleine sitzt trotzdem noch fest im Stuhl. Ein Eingeständnis, dass der bayrische Liganeuling schon an den natürlichen Grenzen operiert?

Prognose: Der mächtige Rückstand von sieben Punkten auf den ähnlich einzuschätzenden Mitaufsteiger Oldenburg schmerzt, überhaupt ist es stets schwierig für einen Aufsteiger, wenn die dazugehörige Euphorie sofort verpufft. Ein Sprung in die Nichtabstiegszone bis November wäre ein großer Erfolg.

 

Lage: Seismographen notierten am Samstagnachmittag ungewohnte Ausschläge, so groß waren die Steine, die BVB-Trainer Christian Preußer vom Herzen fielen: Endlich hatte seine Mannschaft das Potenzial umgesetzt, in Zwickau aus einem 0:1 ein verdientes 2:1 gemacht. Damit endete eine Krise, die die Westfalen so lange nicht erlebt hatten: Vier Niederlagen am Stück gab es. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass das Auftaktprogramm (Dresden, Ingolstadt, Waldhof, Saarbrücken) ein mächtiges war. Auch klappt die große, für eine zweite Mannschaft übliche Rotation – 26 Spieler wurden bereits eingesetzt – bislang selten wie gewünscht. Weitere Herausforderungen warten nun auf infrastruktureller Seite: Mindestens bis zum neuen Jahr wird der BVB seine Heimspiele – das gegen 1860 findet allerdings nochmal im großen Bundesliga-Stadion statt – aufgrund von Umbauarbeiten in der "Roten Erde" außerhalb Dortmunds austragen müssen.

Prognose: Spieler wie Jayden Braaf, Abdoulaye Kamara und Prince Aning sollen perspektivisch Bundesliga-Profis werden. Adaptieren sie die Drittliga-Härte vollständig, sollte Dortmund zeitnah ins Mittelfeld voranziehen. Zu groß ist der nackte qualitative Unterschied zu vielen der den BVB umgebenden Teams.

 

Lage: Neun Spiele, acht Punkte und ein gar nicht mal so unzufriedener Blick auf die Gemengelage: Der SC Verl müht sich in die neue Saison und klagt nicht groß darüber. Weil mit Blick auf einen quantitativ üppig, aber qualitativ in der Breite dem Etat entsprechend dünn besetzten Kader genau dieser Abstiegskampf erwartet werden durfte. Siege wie das jüngste 1:0 über Duisburg, in dem die Abwehrreihe einen ganz starken Tag erwischte, werden da zu Feiertagen. Nicht vergessen werden darf, obgleich es sich längst gewohnt anfühlt: Verl hat 38 Auswärtsspiele zu absolvieren, durfte bis dato als einziger Klub dieser Saison nicht im eigenen, weiterhin nicht drittliga-tauglichen Stadion spielen. Dafür lösen sie es in der Ausweichstätte Paderborn sehr passabel, haben dort alle Saisonpunkte geholt –  nun sollen Erfolgserlebnisse auf den anderen Plätzen der 3. Liga folgen, und sei es nur ein erstes Unentschieden.

Prognose: Sie wollen das dritte Wunder in Folge. Ob es klappt? Mit Aue, Dortmund und Essen umgibt den SCV Konkurrenz, die noch viel Zeit hat, mit exquisit besetzten Mannschaften durchzustarten. Bei maximaler Wehrhaftigkeit kann Verl Platz 16 bis zum Jahresende halten.

 

Lage: Halle ist ein anderes Kaliber als Verl, was sich beim direkten Duell – ein 5:1-Kantersieg für den HFC – auch deutlich zeigte. Umso erstaunlicher, dass sie Punktestand und Bilanz teilen. Die Feiertage an der Saale waren bis dato rar gesät: In sechs von neun Spielen gab es mindestens zwei Gegentore, so auch beim jüngsten Match gegen den so starken Aufsteiger Elversberg. Eine 1:3-Niederlage, die die Ernüchterung in Halle abermals vergrößert hat. "Wir haben die Grenzen aufgezeigt bekommen", räumte Trainer André Meyer ein. Geht es wirklich gegen den Abstieg? Kein Klub aus dem Osten will dieses Schicksal, zu mörderisch ist die Regionalliga geworden mit einem halben Dutzend Teams, die wieder aufsteigen wollen – Cottbus, Jena und Chemnitz heißen die jüngsten Namen, die vorerst im Amateurbereich steckengeblieben sind. Mit Blick auf den Kader, der insbesondere in der Offensive kaum noch nachgewiesene Drittliga-Qualität aufbietet, und den wackligen Auftakt sind Sorgenfalten nicht unberechtigt.

Prognose: Platz 14 aus der Vorsaison scheint derzeit ein realistisches Ziel, Klubs wie Oldenburg, Meppen und Zwickau sind noch in Reichweite. Für mehr fehlt derzeit die Fantasie, und schon ein kleiner Einbruch könnte Halle in den nächsten acht Wochen mitten in die Abstiegszone spülen.

 

Lage: Das darf man wohl eine turbulente Rückkehr auf die Bühne Profifußball nennen: Rot-Weiss Essen kam mit viel Brimborium, ist angesichts des regelmäßig vollen Stadions an der Hafenstraße auch fraglos eine Bereicherung für diese Spielklasse. Doch das Lehrgeld, das RWE zu zahlen hatte, fiel zunächst üppig aus: Mit dem 1:5 gegen Elversberg badeten die Rot-Weißen gleich zum Auftakt in Eiswürfeln, Trainer Christoph Dabrowski musste vom Hurra-Fußball rasch umstellen auf defensive Kompaktheit – die perfekte Balance fand er in den Folgewochen zunächst nicht, nur Schlusslicht Aue wurde mit Ach und Krach besiegt. Kolossal war die Erleichterung am Montag, als der erste Sieg über ein Spitzenteam folgte, Saarbrücken niedergerungen wurde. Zwar eher mit Kampf denn mit spielerischer Klasse, doch hier genießt auch ein finanziell gut gebetteter Aufsteiger Welpenschutz.

Prognose: Finden die starken Einzelkönner im Kader zusammen und tüftelt Dabrowski erfolgreich an der richtigen Mischung, die sich doch so langsam finden sollte, dann kann Essen rasch weiter aus dem Tabellenkeller klettern und einen Sprung in die Region zwischen Platz 9 und 12 machen.

 

Lage: Zur Kategorie "Teams, die gemäß der Erwartung platziert sind" zählt fraglos auch der FSV Zwickau, der sich im hinteren Mittelfeld eingenistet hat. Mehr als punktuelle Ausrufezeichen wie der Derbysieg in Aue und die Erfolge über Bayreuth und Halle waren bislang nicht möglich. Stattdessen gab es auch die eine oder andere schmerzhafte Niederlage: ein 0:3 in Meppen, ein 0:3 beim SC Verl, gar ein 0:5 bei Aufsteiger Elversberg – der einzigen Topmannschaft, gegen die die Zwickauer bislang spielen mussten. Die gewohnte Stärke nach Standards und Flanken, oft getreten von Patrick Göbel, zündet längst nicht mehr immer, es fehlen ein Torjäger und Stabilität in der Defensive. Schlicht nicht 1:1 zu kompensieren ist trotz Nachverpflichtung der monatelange Ausfall von Torwart, Kapitän und Anführer Johannes Brinkies. Trainer Joe Enochs gibt seit Jahren sein Bestes, aus wenig viel zu machen, große Entwicklungsschritte sind aber auch nicht zu verzeichnen.

Prognose: Spielerische Qualität ist in dieser Mannschaft auch mangels finanzieller Möglichkeiten eher rar gesät. Einmal mehr müssen es die Grundtugenden richten, die Zwickau mustergültig abrufen kann, wenn sich der Gegner schwertut. Und trotzdem: Große Sprünge sind bis zur Winterpause unter diesen Voraussetzungen nicht möglich.

 

Lage: Auch der zweite Verein in lila-weißen Farben verfehlt seine Ansprüche, wenn auch nicht ganz so krass wie die Auer Veilchen. In Osnabrück gab es bekanntlich schon einen Trainerwechsel, nicht weil man mit Daniel Scherning nicht zufrieden war, sondern weil dieser an Zweitligist Arminia Bielefeld verkauft wurde. Nachfolger Tobias Schweinsteiger holte vier Punkte aus drei Partien, stabilisierte nach der besonders schmerzhaften 3:4-Niederlage in Oldenburg die Defensive, auf eine echte Glanzstunde wartet der durchaus anspruchsvolle Anhang nach neun Saisonpartien allerdings vergeblich. Dass man mindestens fünf, sechs Plätze zu tief angesiedelt ist, zehrt schon am Nervenkostüm, vom Aufstieg wird derzeit gar nicht gesprochen. Dazu fehlt dem VfL nach dem Abgang von Schlüsselspielern und Akteuren, die das Vorjahresniveau derzeit nicht mehr erreichen, auch Qualität.

Prognose: So erfahren wie der VfL ist in der 3. Liga kaum ein anderer Verein, dazu macht Trainer Schweinsteiger einen mindestens soliden Eindruck. Ein richtiger Absturz bis hin zum Abstiegskampf würde daher schon überraschen, eher sollte es bis November noch in die obere Tabellenhälfte gehen – mehr wird angesichts des Zwölf-Punkte-Rückstands auf Platz 2 schwierig.

 

Lage: Drei Siege in Folge! Im August mussten sich die Fans des MSV zuweilen kneifen, so gut lief es sportlich – Torhütertore und Kabinettstückchen von Altstar Moritz Stoppelkamp inklusive. Die, die pessimistisch blieben, zählten alle Punkte auf dem Weg zur 45-Zähler-Grenze, die den vorzeitigen Klassenerhalt bedeuten sollte. Und sie dürften recht behalten: Duisburg stürzte zuletzt so schnell ab, wie der Aufschwung gekommen war. Und waren die Niederlagen gegen 1860 (1:4) und Dresden (0:1) noch verschmerzbar, so wurde das 0:1 beim SC Verl am vergangenen Sonntag zum echten Tiefschlag. Von einem "Rückfall in alte Zeiten" war gar die Rede. Die bitteren Erkenntnisse: In der Abwehr ist die Stabilität längst noch nicht so groß wie erhofft, dazu kommen unnötige Aktionen, etwa der Platzverweis gegen Marvin Senger. Vorne macht weiterhin nur Stoppelkamp Alarm – wehe, wenn der sich mal verletzt! Ohne ihn in Bestform sind die Zebras harmlos. Torsten Ziegner muss den MSV weiterentwickeln.

Prognose: Im Vorjahr gab es den Klassenerhalt am vorletzten Spieltag. Noch ist die Lage nicht so prekär wie damals, was aber einzig am guten August liegt. Duisburg muss aufpassen – und liefert derzeit Argumente, warum in den kommenden Woche maximal eine Seitwärtsbewegung beim Tabellenplatz möglich ist.

 

Lage: Im Emsland finden sich die Diplomaten der Liga, denn nirgendwo werden die Punkte so gerne geteilt wie beim SV Meppen: Fünf von neun Partien endeten im Remis, darunter die vergangenen vier in Folge. Kleines Problem: Zuletzt gab es von Köln und Verl zweimal spät den Ausgleich, vier Punkte wurden einfach verschenkt. Stefan Krämer führt seine Farben dennoch bis dato solide durch das Mittelfeld der Liga, recht kurzweilig sind die Spiele dazu auch, 30 Tore fielen in Begegnungen bereits, an denen die Meppener beteiligt waren. Was im Wesentlichen daran liegt, dass der SVM in der Abwehrkette Mut beweist und auf so manchen Entwicklungsspieler setzt, und vorne Marvin Pourié seinen Dienst erfüllt. Fünf Tore und drei Vorlagen, damit übertrifft der Routinier, dem stets der Ruf als extrovertierter Spieler hinterhereilt, die Erwartungen. Hervor stachen in der noch jungen Saison das 6:2 über Waldhof Mannheim, als Samuel Abifade einen Dreierpack mit teils wunderschönen Toren beisteuerte – und das peinliche 0:5 im Landespokal gegen Rivale Oldenburg.

Prognose: In den vergangenen Jahren war in Meppen alles möglich, vom plötzlichen Durchmarsch in Richtung Spitze bis hin zum kolossalen, nicht enden wollenden Sinkflug. Im höchst abwechslungsreichen Restprogramm ist aber Trendbestätigung das erste Ziel, und geht es sogar noch in die obere Hälfte der Tabelle, wird sich an der niederländischen Grenze niemand ärgern.

 

   

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