Zauber auf "Weichbodenmatte": VfL macht Abstiegskampf vergessen
Auch wenn zwei Monate Pause dazwischenlagen, so kam Viktoria Köln als eines der formstärksten Teams und sicherlich nicht als Laufkundschaft zum VfL Osnabrück. Die Art und Weise, wie dieser sich komplizierteste Bedingungen zu Eigen machte, lässt aufhorchen – die Grundlage für ein besseres 2023 ist geschaffen.
Fans feiern nach Abpfiff weiter
Kein Spieler war mehr zu sehen, das Stadion ziemlich verlassen, nur die Tropfen platschten unaufhörlich in die etlichen Pfützen. Doch auf der Ostkurve hüpften und sangen einige hundert Anhänger kurzerhand im Zusammenspiel mit den Stadionlautsprechern noch eine neue Blockhymne zum Beat von US-Superstar Ava Max ein. Die Fanszene des VfL Osnabrück konnte von diesem Nachmittag im Dauerregen gar nicht genug bekommen, schließlich hatte ihr VfL ein Spiel gezeigt, das wie maßgeschneidert zu den erwünschten Tugenden an der Bremer Brücke gepasst hatte. Das 3:1 über Viktoria Köln am Samstag war ein Zeichen, in welche Richtung es gehen kann – obgleich die grenzwertigen Bedingungen bei rein sportlichen Aspekten nur wenig Aufschluss gaben. Für Kampf und Anpassungsfähigkeit durfte an die Hausherren aber ohne Umschweife die Note 1 verteilt werden.
Wer die ersten 20 Minuten sah, dem war schnell klar: Hier spielt eine Mannschaft, die noch vehemente Ambitionen entwickeln könnte, in die oberen Regionen vorzupreschen. Zwischen kleineren und größeren Pfützen und einem vor der Südtribüne gar nahezu unbespielbaren Rasen lieferte der VfL Osnabrück einige Kombinationen zum Ohrenschlackern. Hier eine Steil-Klatsch-Kombination, da das blinde Verständnis und eine Eingespieltheit, die nicht nach zwei Monaten Pause aussah. Für diese Verhältnisse im windigen Dauerregen spielte der VfL einen sehr respektablen Ball. Die zwei Abstaubertore waren logische Folge, "eine super Anfangsphase", resümierte Cheftrainer Tobias Schweinsteiger bei "MagentaSport".
Engelhardt setzt Serie fort
Erik Engelhardt schrieb nach nur sechs Minuten die erste Geschichte des neuen Jahres. Kurz formuliert lautete sie: Ein Stürmer vergaß, dass Winterpause war. Engelhardt war im Oktober und November aufgeblüht und bewies früh den nötigen Torriecher, als er nach Noel Niemanns Distanzschuss zur Stelle war: Sein achter Scorerpunkt im jahresübergreifend sechsten Ligaspiel, dazu war der unermüdliche Kampf des 24-Jährigen bis in die eigene Hälfte hinein bemerkenswert. "Das ging richtig schön in die Waden rein", sagte Engelhardt im Anschluss bei der
"Neuen Osnabrücker Zeitung" und vermutete sich angesichts des triefend nassen Rasens zuweilen auf einer "Weichbodenmatte". Auch Niemanns furioser Start war derweil bemerkenswert, denn vorab hatte es nach nur bedingt überzeugender Vorbereitung nicht nach einem Startplatz für den Sommer-Neuzugang aus Bielefeld ausgesehen.
Ob Engelhardt und Niemann, ob der stets konzentrierte, technisch saubere und Sicherheit verkörpernde Robert Tesche, ob ein an die Stärke der Vorsaison erinnernder Lukas Kunze oder Kapitän Timo Beermann, der nach seiner Vertragsverlängerung in entscheidenden Situationen all seine Routine ausspielte: Es ließen sich viele hervorheben an jenem Nachmittag, an dem einzig in der Viertelstunde vor dem Pausenpfiff die Souveränität abhandenkam. Ja, auch das 28. Gegentor gehörte zur Wahrheit dieser Saison: ein kurzer unachtsamer Moment, Kunze war nicht beim
Gegner, Torwart-Rückkehrer Philipp Kühn, der den Vorzug von Daniel Adamczyk erhielt, am kurzen Pfosten orientiert und ein einziges Mal geschlagen. Lieber sprach der 30-Jährige über das mehrheitlich Positive vom Jahresauftakt: "Jeder ist mit seiner Mentalität hereingeflogen", beschrieb er die Startphase des Spiels bei "MagentaSport". "Wir haben auf diesen Restart gebrannt und das hat hoffentlich jeder gesehen." Das stimmte, denn das späte wie verdiente 3:1 hätte schon deutlich früher fallen können, vielleicht auch müssen.
"So gespielt, wie wir gesehen werden wollen"
25 Punkte und eine wieder ausgeglichene Bilanz von sieben Siegen, vier Remis und sieben Niederlagen – vom Abstiegskampf, immerhin Realität des vergangenen Herbstes, hat sich der VfL mit Nachdruck verabschiedet. Die spielerischen Ansätze, die sich hinter witterungsbedingt Dutzender hoher Spieleröffnungen verbargen und für situative Glanzmomente sorgten, machen dem lila-weißen Anhang Mut für ein besseres Sportjahr. "Wir haben so gespielt, wie wir gesehen werden wollen", sagte Schweinsteiger. "Ich glaube, man hat heute gesehen, für welchen Fußball und welche Mentalität wir stehen." Auch nach der ersten gemeinsamen Vorbereitung mit seinem Team sei die Entwicklung noch längst nicht abgeschlossen, merkte Schweinsteiger an.
War es eine nett verpackte, nur zwischen den Zeilen wahrnehmbare Warnung an die Konkurrenz? Der erste Härtetest bei scheußlichem Wetter bot sogar einige Argumente, warum dieses Team 20 Spieltage vor dem Saisonende auch für eine Aufholjagd noch nicht völlig abgeschrieben werden sollte.