Strittige Szenen am 18. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Die nicht gegebenen Elfmeter für Essen, Aue, 1860, Köln, Wiesbaden und Freiburg II, der Strafstoß für Verl sowie Foulspiele von Brackelmann, Sarpei, Arslan und Antonitsch. Am 18. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zwölf strittige Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 52-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.
Szene 1: Im Strafraum will Ron Berlinski (Essen) zum Ball, wird aber von Alexander Winkler (Halle) getroffen und geht zu Boden. Schiedsrichter Frank Willenborg pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]
Babak Rafati: Bei einem Zweikampf im Strafraum trifft Winkler mit beiden Beinen Berlinski in dessen Füße und bringt ihn dadurch zu Fall. Dabei trifft er überhaupt nicht den Ball. Das ist ein klares Foulspiel, das einen Elfmeter nach sich ziehen muss. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen durch den Schiedsrichter, der eigentlich aus bester Position mit freier Sicht zum Geschehen das Vergehen erkennen müsste.
Szene 2: Omar Sijaric (Aue) läuft alleine auf das Tor zu und geht im Duell mit Calvin Brackelmann (Ingolstadt) zu Fall. Schiedsrichter Robert Hartmann pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:35]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf ist Sijaric in der klar besseren Position, sodass Brackelmann hinter ihm gar keine Chance mehr hat einzugreifen. Deshalb kann er sich nur noch mit einem Foulspiel helfen, indem er seinem Gegenspieler einen kleinen Stoß von hinten verpasst. Bei dem Lauftempo des Angreifers reicht es aus, diesen aus dem Tritt zu bringen und am Weiterlaufen zu hindern. Somit liegt ein Foulspiel vor, das zudem mit der roten Karte sanktioniert werden müsste, da eine Notbremse vorliegt. Die zwei weiteren Spieler hätten nicht mehr eingreifen können. Das sieht man sehr gut, wenn man das Bild zum Zeitpunkt des Foulspiels anhält. Eine Fehlentscheidung, das Spiel weiterlaufen zu lassen und den fälligen Freistoß sowie die rote Karte nicht zu geben.
Szene 3: Bei einer FCE-Ecke springt der Ball im Strafraum an die Hand von Calvin Brackelmann (Ingolstadt), das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:55]
Babak Rafati: Nach einer Ecke ist der Ball lange unterwegs und kommt dann in den Fünfmeterraum. Dabei ist Brackelmann wohl überrascht, dass die Spieler vor ihm den Ball verpassen. Er weiß sich deshalb nur noch durch ein Handspiel zu helfen, um an den Ball zu kommen, indem er klar den Arm ausstreckt und das Spielgerät annimmt. Damit verhindert er, dass sein Gegenspieler hinter ihm an den Ball kommt. Dass der Ball vorher aufkommt, spielt dabei keine Rolle. Es hätte daher einen Elfmeter für Aue geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt. Sicherlich ist diese Szene vom Schiedsrichter auch sehr schwierig zu sehen, da einige Spieler seine Sicht versperren, zumal er nicht falsch postiert ist. Hier könnte womöglich der Assistent auf dieser entsprechenden Seite helfen.
Szene 4: Der bereits gelb-verwarnte Sarpei (Ingolstadt) trifft Besong (Aue) im Strafraum am Fuß, es gibt Elfmeter. Gelb-Rot sieht Sarpei von Hartmann aber nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]
Babak Rafati: Die Elfmeterentscheidung ist unumstritten. Für solch eine Szene muss eine gelbe Karte ausgesprochen werden, da ein sehr guter Angriff unterbunden wird. Somit hätte der bereits gelb-verwarnte Sarpei die gelb-rote Karte sehen müssen. Eine Fehlentscheidung, die Ampelkarte nicht zu zeigen.
Szene 5: Nach einer Flanke in den Strafraum will Meris Skenderovic (1860) zum Ball, wird jedoch von Alexander Rossipal (Mannheim) gezogen und geht zu Fall. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Tobias Stieler. [TV-Bilder – ab Minute 55:50]
Babak Rafati: Nach der Flanke in den Strafraum kommt es zu einem Zweikampf, bei dem Rossipal seinen Gegenspieler Skenderovic ein wenig festhält, dieser aber weiterläuft und erst dann zu Fall kommt. Derartige Haltevergehen sind gängige Praxis und stellen nicht immer ein Foulspiel dar. Bei diesem Halten ist das Vergehen nicht ursächlich für das Zufallkommen, sodass dieses branchenüblich und weiterspielen die richtige Entscheidung ist. Nicht jedes Halten ist gleichzeitig ein Foulspiel.
Szene 6: Patrick Sontheimer (Köln) geht im Strafraum bei einem Zweikampf mit Timo Beermann (Osnabrück) zu Fall. Einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Patrick Ittrich nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf geht Beermann sehr ungestüm zu Werke, verpasst den Ball, berührt ihn dabei auch überhaupt nicht und trifft Sontheimer schlussendlich am Fuß. Das kann man durch die Hintertorkamera gut erkennen. Auch wenn die Intensität nicht so hoch ist, liegt ein Foulspiel vor, sodass es einen Elfmeter für Köln hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu verhängen.
Szene 7: Einen Schuss von Ivan Prtajin (Wiesbaden) bekommt Maurice Neubauer (Elversberg) im Strafraum an die Hand. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Benjamin Brand. [TV-Bilder – ab Minute 3:25]
Babak Rafati: Bei dieser versuchten Hereingabe mit der Hacke von Prtajin bekommt Neubauer den Ball aus kürzester Entfernung zunächst gegen das Bein, und von da aus springt ihm der Ball gegen den Arm, den er dabei noch versucht wegzuziehen. Somit liegt kein absichtliches Handspiel vor und der Arm wurde auch vorher nicht unnatürlich zur Vergrößerung der Körperfläche eingesetzt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 8: An der Seitenlinie wird Ivan Prtajin (Wiesbaden) vom bereits gelb-verwarnten Nico Antonitsch (Elversberg) gehalten. Der Elversberger kommt mit einer Ermahnung davon. [TV-Bilder – ab Minute 2:02:30]
Babak Rafati: Bei dieser Aktion kann man durchaus einen Freistoß geben. Allerdings ist es ein Vergehen im Laufduell und das normale Foul wird eher dankend vom Angreifer angenommen und ist weniger taktisch, wie es der Reporter nennt. Somit ist eine gelbe Karte nicht erforderlich. Eine richtige Entscheidung, keine weitere gelbe Karte zu zeigen
Szene 9: Der bereits gelb-verwarnte Ahmet Arslan tritt Ole Käuper (Meppen) im Mittelfeld auf den Fuß, kommt bei Schiedsrichter Bastian Dankert aber mit einer Ermahnung davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:54:45]
Babak Rafati: Dieses Foulspiel im Mittelfeld von Arslan an Käuper ist unstrittig, allerdings nicht gelbwürdig. Das Trefferbild zeigt ein Foulspiel, dessen Bewertung im Ermessensspielraum des Schiedsrichters liegt. Daher liegt eine richtige Entscheidung vor, keine zweite gelbe Karte gegen Arslan zu zeigen.
Szene 10: Im Strafraum wird Joel Grodowski (Verl) von Philipp Treu (Freiburg II) am Fuß getroffen, Schiedsrichter Marco Fritz zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]
Babak Rafati: Bei dieser Aktion im Strafraum nimmt Grodowski den Ball an, dabei kommt Treu einen Moment zu spät und will auch das Spielgerät spielen respektive aus der Gefahrenzone wegschießen. Er trifft hierbei aber den Angreifer am Fuß. Auch wenn sich der Angreifer aus dieser Situation nicht wie üblich bei derartigen Vergehen einen Vorteil verschaffen will und sich nicht sofort fallen lässt, liegt ein Foulspiel vor. Eine richtige Entscheidung, auf Elfmeter zu entscheiden. Ein Foulspiel liegt nicht nur dann vor, wenn ein Spieler in Folge eines Vergehens zu Boden geht, sondern kann auch wie in dieser Szene unabhängig davon vorliegen.
Szene 11: Nach einem Schuss von Oscar Wiklöf (Freiburg II) monieren die Breisgauer, dass Daniel Mikic (Verl) den Ball auf der Strafraumlinie mit der Hand abgewehrt habe. Die Partie läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]
Babak Rafati: Nach einer Flanke von Wiklöf nimmt Mikic den Arm aktiv heraus und blockt damit eine Hereingabe genau auf der Strafraumlinie. Dieses Vergehen ist absichtlich, und somit hätte es einen Elfmeter für Freiburg geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und das Handspiel nicht zu ahnden.
Szene 12: Julian Stark (Freiburg II) dringt in den Strafraum ein und kommt im Duell mit Daniel Mikic (Verl) zu Fall. Die Pfeife des Schiedsrichters bleibt stumm. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]
Babak Rafati: Bei dieser Aktion im Strafraum kreuzen sich die Laufwege des Angreifers und des Verteidigers. Dabei läuft Stark zum Ball und gleichzeitig gegen die Beine des Verteidigers. Hierbei liegt ein sogenannter "Unfall" und keinesfalls ein Foulspiel vor. Der Verteidiger ist in einem normalen Bewegungsablauf, sodass es eine richtige Entscheidung ist, weiterspielen zu lassen.
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