Schweinsteiger im Interview: "Da geht dir als Coach das Herz auf"
19 Spiele an der Seitenlinie, 1,95 Punkte pro Spiel: Osnabrücks Trainer Tobias Schweinsteiger hat spürbare Euphorie rund um die Bremer Brücke entfacht. Im Interview mit liga3-online.de spricht der VfL-Coach über zwei emotionale Höhepunkte, seinen Führungsstil und den Derby-Charakter im Oldenburg-Spiel.
"Will nicht besser sein als mein Bruder"
liga3-online.de: Hallo Herr Schweinsteiger! Nach Ihrem Einstand im Hinspiel (3:4) schließt sich mit dem kommenden Spiel gegen den VfB Oldenburg ein kleiner Kreis. Was war der emotionale Höhepunkt dieser Reise?
Tobias Schweinsteiger: Da gab es mehrere, wobei keiner so groß ist, dass er alles überstrahlt. Herausheben möchte ich den ersten Sieg im folgenden Spiel gegen Rot-Weiss Essen sowie den Jahresabschluss 2022. Derby-Sieg und hinten die Null gegen Meppen – da geht dir als Coach das Herz auf.
Zuvor erlebte Sie zwischen Oktober und November eine Negativserie, als der VfL nur drei Punkte aus fünf Partien sammeln konnte. Kamen damals – angesichts Ihrer allerersten Cheftrainer-Station – Selbstzweifel auf?
Nein. Ich stehe zu meiner Meinung, dass wir – mit Ausnahme vom Elversberg-Spiel (1:4, Anm. d. Red.) – ordentlich performt haben. Sinnbildlich für diese Phase der Saison war die Partie gegen Dynamo Dresden, in der wir eine 2:0-Führung herschenken.
Wie ist das Gefühl, dem prominenten Bruder Bastian Schweinsteiger auf der Trainer-Karriereleiter mal voraus zu sein?
Ganz ehrlich: Das spielt für mich keine Rolle. Ich will nicht besser sein als mein Bruder, sondern versuche jeden Tag der beste Trainer für mein Team zu sein.
Von Ihnen hieß es: "Es gehört dazu, dass ich sanktioniere, wenn etwas nicht funktioniert". Dürfen Ihre Spieler dann auch am Strafen-Glücksrad drehen?
Ich bin eher ein Freund davon, dass eine Gruppe so etwas selbst regelt. Natürlich möchte ich Verantwortung und aktiven Dialog vorleben, aber am Ende bleibt Fußball ein Player-Game. Wenn mir ein Spieler eine verständliche Erklärung für eine Verspätung liefert oder warum eine Bananenschale im Obstkorb liegt, kann ich damit leben. Bestenfalls denkt – genau wie auf dem Platz – jemand für seinen Nebenmann mit und entwickelt ein Rollenverständnis.
"Schaue weder in die eine, noch in die andere Richtung"
Wie gelang seinerzeit der Turnaround, der wiederum in eine beeindruckende Siegesserie von sieben Partien mündete?
Die Serie geht auf die Entwicklung des Teams im Spät-Herbst zurück. Dazu kommt eine komplette Vorbereitung, die ich zu Beginn meiner Amtszeit nicht hatte. Hier konnte ich die Jungs besser kennenlernen, über persönliche Perspektiven und die Teamziele reden. Auch durch ein deutlich höheres Fitness-Level haben wir nicht so extreme Schwankungen im Spiel. Wir machen weniger individuelle Fehler, die zu Gegentoren führen und performen dadurch konstanter.
Typisch für die 3. Liga: Osnabrück hat vier Zähler Rückstand auf einen direkten Aufstiegsplatz und liegt ebenso nur vier Punkte vor Rang sieben. Wohin geht die Blickrichtung in den nächsten Wochen?
Als Coach schaue ich weder in die eine, noch in die andere Richtung. Obwohl eine breite Fanbase wie in Osnabrück gewisse Ansprüche schürt, würde ich sogar behaupten: Meine Spieler finden in den letzten Wochen mehr Geschmack daran, Siege vor unserer großartigen Kulisse an der Bremer Brücke zu feiern und auswärts eklig zu spielen als irgendwelcher Zahlen-Salat aus der Tabelle.
Eine Trumpfkarte könnte das Duo Erik Engelhardt/Ba-Muaka Simakala sein, das Osnabrück offensiv schwerer ausrechenbar macht!
Teams wie Dynamo Dresden und Wehen Wiesbaden sehe ich ähnlich breit aufgestellt. Wenn wir über Erik Engelhardt sprechen, reden wir über einen Spieler, der nach etwas Anlauf die Entwicklung vom Regionalliga-Niveau auf die 3. Liga geschafft hat. Ba-Muaka Simakala besitzt sicher das Potenzial, noch höher zu kicken. Es gibt aber auch Punkte – wie das Verhalten gegen den Ball – was dazu führt, dass er noch nicht in der 2. Liga angekommen ist.
Weiter geht es am Samstag mit dem Duell gegen Oldenburg. Ist der Derby-Charakter größer, nachdem die VfL-Rivalen Arminia Bielefeld und Preußen Münster nicht mehr in der 3. Liga sind?
Da bin ich als gebürtiger Oberbayer vielleicht nicht der beste Ansprechpartner (lächelt). Für mich ist es ein Spiel wie gegen Wiesbaden oder Bayreuth. Von der emotionalen Schiene her, kann sich unser Gegner vielleicht etwas mehr daran hochziehen und will uns unbedingt schlagen. Im eigenen Stadion wollen wir jedoch die Punkte behalten.