SC Verl: Trainer, Kader, Etat und Saisonziel im Check
Mit leichter Verzögerung ist auch der Sportclub Verl in den Trainingsbetrieb eingestiegen. Auf das vierte Jahr in der 3. Liga bereitet er sich mit einem neuen Trainergespann vor und ist durch einen besonders herbeigesehnten Moment längst hochmotiviert. Fragen und Antworten zur Lage beim kleinen, aber nicht zu unterschätzenden Drittliga-Klub aus Ostwestfalen.
Welchen Eindruck macht der neue Trainer?
Aufgeräumt und motiviert: Alexander Ende hat – alles andere wäre auch bedenklich – große Lust auf seine erste Aufgabe im Profifußball. Welche Fußstapfen sein Vorgänger Mitch Kniat hinterlassen hat, ist allen Beteiligten bewusst. Doch Verl legte sich frühzeitig auf Ende fest, "er war von Anfang an unsere erste Wahl für den Fall, dass uns Mitch Kniat verlässt", sagte Sebastian Lange als sportlicher Leiter der "Neuen Westfälischen“.
Zum kleinen Ärgernis wurden die vertraglichen Hürden, die erst eine Vollzugsmeldung zum 30. Juni möglich machten, zweieinhalb Wochen nach dem Abgang Kniats zu Arminia Bielefeld. Auch der Trainingsauftakt wurde deshalb um wenige Tage nach hinten verschoben. Das erste Testspiel endete dann gleich in einem Derbyerfolg: Gegen Regionalliga-Neuling FC Gütersloh gab es einen 3:2-Sieg, in dem Ende die 4-3-3-Formation der Vergangenheit durch ein 4-4-2 austauschte. "Es war zu sehen, was für gute Kicker hier sind“, bilanzierte Ende.
Wie laufen die Kaderplanungen?
Ziemlich gut. Nach der Leihe von Mateo Biondic an Fünftligist Trier kommt Verl auf 27 Akteure, darunter sind acht Neuzugänge. Auch wenn das große Geld fehlt, so ist spürbar, dass sich die Adresse zwischen Bielefeld und Paderborn als Anlaufstelle gerade für Talente etabliert hat: Spielern wie Fabio Gruber (Augsburg II, Innenverteidiger) und Robin Friedrich (Hannover II, Stürmer) steht die Zukunft offen, sie haben starke Regionalliga-Jahre hinter sich. Lars Lokotsch (Fortuna Köln) soll der Torjäger werden, der Verl zuletzt bitter fehlte.
Die Top-Neuzugänge aber sind Luca Unbehaun, Torhüter von Borussia Dortmund und Nachfolge vom nach Bochum abgewanderten Niclas Thiede. Sowie Marcel Benger, Sechser von Holstein Kiel und als ausgebildeter Mönchengladbacher ein langer Wegbegleiter und Wunschspieler von Alexander Ende. Schon jetzt steht die Mannschaft qualitativ auf breiterem Fundament als im Vorjahr, denn abseits von Thiede und Vinko Sapina (RW Essen) hat den Klub keine Schlüsselfigur verlassen. Dazu ist jede Position doppelt besetzt.
Was macht das vierte Drittliga-Jahr besonders?
Es ist die Rückkehr in die alte, gerade für die Fans fast schon vergessene Heimat an der Poststraße. Man stelle sich das als Anhänger eines jeden anderen Klubs da draußen einmal vor: Seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 haben die Verler Fans ihr eigenes Stadion bei einem Ligaspiel – abgesehen von zwei Ausnahmen mit reduzierte Kapazität – nicht mehr von innen gesehen. Nun nähert sich die Wartezeit endlich ihrem Ende, die Sportclub-Arena erfüllt künftig die Ansprüche der 3. Liga.
Am Donnerstag startet der Dauerkartenverkauf, in den der SCV mit sehr günstigen Preisen (Sitzplatz 375 Euro, Stehplatz 180 Euro) geht. Durchaus spannend, wie viele dieser Tickets Verl tatsächlich absetzen wird – allemal aber sollen Ansetzungen vor dreistelliger Kulisse künftig der Vergangenheit angehören. Und gegen die Top-Gegner aus dem Westen wie allen voran Arminia Bielefeld, aber auch Rot-Weiss Essen und Preußen Münster sind die Hoffnungen groß, in der 5.300 Besucher fassenden Spielstätte "ausverkauft" zu melden.
Ist der Etat mittlerweile konkurrenzfähig?
Das lässt sich schnell beantworten: nein, im Drittliga-Vergleich ist er es keinesfalls. Denn wie die "Neue Westfälische" kürzlich Verwaltungsratsmitglied Andre Theilmeier zitierte, so liege der Etat bei knapp über fünf Millionen Euro – allerdings umfasst diese Summe den Gesamtklub. Rund die Hälfte, also 2,5 Millionen Euro stünden nur für Spieler und Trainer bereit. Eine Summe, die der künftige große Nachbar Bielefeld locker verdoppeln kann.
Grundsätzlich sollten die finanziellen Rahmenbedingungen dabei etwas besser als zuletzt sein, fallen doch die kostspieligen Anmietungen der Paderborner Home-Deluxe-Arena künftig weg. Hoffnung geben da andere Faktoren: Theilmeier spricht von einer "äußerst kompetenten sportlichen Leitung“ und ebenso von einem "entwicklungsfähigen Kader“. Nur die zweiten Mannschaften sowie eben Arminia stellen derzeit eine jüngere Mannschaft als der SCV.
Was wird die Zielsetzung sein?
So mancher wollte den SC Verl nach dem vorzeitigen Klassenerhalt vor einigen Wochen bereits aus der Reserve locken: Vorstand Raimund Bertels wurde nicht nur einmal die Frage gestellt, ob sein Klub nicht künftig oben angreifen wolle. Bertels lächelt das gekonnt weg, auch intern lässt sich kaum einer künstlichen Druck aufschwatzen.
Die 3. Liga ist derzeit infrastrukturell und finanziell das Maximum, hier so viele Klubs wie möglich zu ärgern, bleibt das oberste Ziel. Streng genommen müssen es aber ja nur vier sein, die hinter den Verlern bleiben. Denn jeder Klassenerhalt, so formulieren es kluge Köpfe an der Poststraße, fühlt sich dort an wie ein Jahr Champions League für die großen Klubs. Auch mit einem modernisierten Stadion und einem neuen Trainer wird sich daran bis auf Weiteres nichts ändern.