Preußen Münster: Hölle und Himmel binnen drei Tagen – und zurück?
Das 0:4 im Derby bei Arminia Bielefeld war ein emotionaler Tiefschlag, der die Euphorie beim SC Preußen Münster auszulöschen drohte. Es folgte gar noch eine personelle Hiobsbotschaft. Umso überraschender ist, was mit improvisierter Aufstellung am Dienstagabend gegen Ingolstadt folgte. Ein Erfolg mit Signalwirkung? Nur, sollte er unmittelbar bestätigt werden.
Offensivkräfte helfen als Schienenspieler aus
Varianten des Torjubels gibt es viele. Die einen stehen nur auf und applaudieren, die meisten aber reißen zumindest die Hände in die Luft. Vibrieren die Ränge unter einem, dann ist das Tor meist schon etwas mehr wert. Finden sich aber auf den Stehplätzen in den Sekunden der Ekstase so gut wie alle Kurvenzuschauer drei bis acht Reihen tiefer wieder und liegen völlig fremden Personen in den Armen – dann ist ein Treffer jener Tragweite gefallen, wie ihn Preußen Münster am Dienstagabend gegen den FC Ingolstadt gleich dreimal erlebte. Der 1:1-Ausgleich von Malik Batmaz als auch das entscheidende 3:1 von Andrew Wooten dürften auf der lokalen Richterskala bereits gut zu vernehmen gewesen sein. Nichts aber toppte das 2:1, ein Kopfball ebenfalls von Neuzugang Batmaz, in der 88. Minute. 9.000 Zuschauer, die abermals fünfstellige Kulisse hatte die Derbypleite in Bielefeld wohl gekostet, fanden sich in Momenten des puren Wahnsinns wieder.
Die Hölle von Bielefeld war vergessen, das 0:4, das keiner so richtig verstanden hatte, eben weil es schwer zu erklären war. Ja: Die Abwehr des SCP hatte ihre nachlässigen Momente, natürlich war diskutiert worden über die Tauglichkeit der Dreierreihe als auch der Flügelverteidiger. Einer der Stammesältesten, Simon Scherder, nahm großen Anteil am Derby-Desaster auf seine Kappe – und sah am Dienstag zu, wie der junge Niko Koulis an seiner statt einen starken Job machte. Daniel Kyerewaa, eigentlich ein Flügelstürmer, hatte als Ersatz des eigentlich unersetzlichen Kapitäns Marc Lorenz schnell dazugelernt und seine linke Seite schon deutlich besser abgesichert als noch drei Tage zuvor. Und Shaibou Oubeyabwa, ebenfalls Außenstürmer, erwies sich als unermüdlicher Antreiber. Seine Leistung machte die Schreckensnachricht, dass Neuzugang Dominik Schad als rechter Schienenspieler wohl bis Jahresende mit einem Innenbandriss ausfallen wird, deutlich erträglicher.
Preußen-Stürmer: Aus Sorgenkindern mache ein Luxusproblem
Und dann war da ja noch das spezielle Stürmerthema. Denn die Doppelspitze bestehend aus Gerrit Wegkamp und Joel Grodowski, auf die Trainer Sascha Hildmann seit Saisonbeginn setzt, reibt sich regelmäßig auf – aber sie trifft nicht. Allein Grodowski, der mit ungeheurem Tempo und Einsatzwillen etliche Lücken reißt, hatte in allen drei Partien dicke Torchancen, so auch in Bielefeld, wo Münster eigentlich ebenbürtig war. Nur die Kaltschnäuzigkeit fehlte. Wegkamp, der mit 22 Regionalliga-Toren großen Anteil am Aufstieg hatte, fremdelt noch etwas mit der ihm eigentlich bestens bekannten Liga. Bezeichnend, dass sein etwas zu lässig getretener Strafstoß vom Ingolstädter Keeper Marius Funk pariert wurde – und sein direkter Ersatz, der ehemalige Karlsruher Batmaz, kurz nach der Einwechslung aufdrehte.
Hildmann kann es freuen, er weiß gleich vier Stürmer in seinen Reihen, die in Bestform den Unterschied machen können. Das zeigte auch Joker Wooten, bei dessen Tor von Ballabnahme bis zum Abschluss alles an die Zeiten erinnerte, in den der US-Amerikaner einst für den SV Sandhausen in der 2. Bundesliga Treffer um Treffer erzielte. Themen für abschließende Transfers im Sommerfenster, das in einer Woche schließt, sollten eher die Defensivposten innen wie außen werden – hier täten erst recht nach Schads Verletzung abwehrstarke Kräfte gut. Sportchef Peter Niemeyer ist längst auf der Suche, das nötige Kleingeld noch im Safe, sicherlich wird der Kader am 1. September leicht anders aussehen als jetzt.
Münster und Essen: Größer könnte die Abneigung kaum sein
Und die sportliche Lage? Die könnte dann herausragend sein, sollte das kommende Westderby bei Rot-Weiss Essen in einem Erfolg münden. War das Duell in Bielefeld eines der älteren Generationen, so ist das in Essen eines der Gegenwart – erst recht durch die Aufeinandertreffen in der Regionalliga 2021/22, als einmal RWE einen 0:2-Rückstand in Münster in einen 3:2-Sieg drehte und anschließend Hooligans die Heimbereiche stürmten, es kam zu Verletzten.
Beim Rückspiel folgte der Spielabbruch, als ein Böller von der Stehplatztribüne der Essener Fans aufs Spielfeld flog, es stand 1:1, das Spiel wurde 2:0 für die Preußen gewertet. Die gegenseitige Abneigung ist entsprechend riesig, das Duell unter Flutlicht wird auch für die Sicherheitskräfte zur Herausforderung. Sportlich geht es einzig darum, das Ingolstadt-Spiel zu veredeln – und nicht mit einer nächsten Nullrunde nach Hause zu fahren. Dann nämlich bliebe der berauschte Jubel aus dem Ingolstadt-Spiel unbestätigt.