Strittige Szenen am 5. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die rote Karte gegen Ingolstadts Fröde, die nicht gegebenen Elfmeter für Ingolstadt, Bielefeld, Saarbrücken und Verl, der abgepfiffene Konter von Köln, das 2:1 für Aue, der Strafstoß für Münster, das 1:0 für Regensburg und das 1:0 für Sandhausen. Am 5. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zehn strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 53-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Im Strafraum kommt Lukas Fröde (Ingolstadt) gegen Stefan Kutschke (Dresden) zu Fall, einen Elfmeter gibt es nicht. Stattdessen sieht Fröde wegen eines vermeintlichen Nachtretens gegen Kutschke von Schiedsrichter Konrad Oldhafer glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:10]

Babak Rafati: Nach einem Einwurf in den Strafraum von Dresden kommt es zu einem Zweikampf zwischen Fröde und Kutschke. Dabei haken sich beide Spieler gegenseitig ein (was noch regelgerecht ist), doch bei Frödes Versuch zum Ball zu gehen, reißt Kutschke ihn entscheidend und regelwidrig zu Boden. Das ist für den Schiedsrichter etwas unübersichtlich, aber dennoch liegt ein Foulspiel von Kutschke vor. Somit hätte es einen Elfmeter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu geben.

Anschließend verlagert sich das Spielgeschehen in die andere Richtung, sodass der Schiedsrichter den nächsten Vorgang nicht sehen kann und sich das Ganze außerhalb seines Blickfeldes ereignet. Fröde liegt noch am Boden und hakt ein wenig gegen Kutschke nach, sodass Kutschke ein wenig verstolpert. Diesen Vorgang muss womöglich der Assistent, der auf der Seite des Vorgangs steht, gesehen und als einen Tritt von Fröde wahrgenommen haben. Daraufhin informiert er den Schiedsrichter, und als dieser bereits das Spiel wegen eines Foulspiels auf der anderen Seite abgepfiffen hat, zeigt er Fröde die rote Karte. Da kein Tritt oder eine Tätlichkeit vorliegt, ist auch die rote Karte eine Fehlentscheidung. Hier wäre es besser gewesen, dass der Assistent dem Schiedsrichter lediglich mitteilt, beide Spieler (Kutschke und Fröde) kurz anzusprechen, damit sich die Vorgänge im weiteren Spielverlauf nicht hochschaukeln und beide Spieler sich zudem beobachtet fühlen. Das Spiel schließlich mit dem Glauben, dass die rote Karte wegen eines Tritts richtig ist, mit einem Freistoß auf der anderen Seite fortzusetzen, ist regeltechnisch richtig, da der Freistoß zu Tornähe ein besserer Vorteil für Dresden ist, als im eigenen Strafraum für den vermeintlichen Tritt von Fröde.

 

Szene 2: Im Strafraum geht Fabian Klos (Bielefeld) gegen Moritz Fritz (Köln) zu Fall, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Patrick Ittrich nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:22:20]

Babak Rafati: Klos wird im Strafraum angespielt. Fritz steigt in den Zweikampf ein und ist in einer schlechteren Position zum Ball als Klos. Dabei trifft Fritz ihn hinten in die Beine und bringt ihn zu Fall, wenn auch unbeabsichtigt, was aber auch nicht relevant ist. Auch wenn Klos diesen Kontakt dankend annimmt, liegt dennoch ein Foulspiel vor, sodass es einen Elfmeter hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu geben. Eine klare Torchance liegt dabei nicht vor, da ein weiterer Verteidiger eingreift, so dass die Frage nach einer Karte maximal mit der gelben Karte zu beantworten ist.

Szene 3: Viktoria Köln will in der vierten Minute der Nachspielzeit nochmal einen Konter einleiten, doch genau dann ertönt der Schlusspfiff. Ittrich argumentiert wohl damit, dass noch drei Gegenspieler da waren. [TV-Bilder – ab Minute 2:06:40]

Babak Rafati: Nachdem der Freistoß hereingeschlagen und anschließend vom Torwart abgewehrt wird, ist die vierminütige Nachspielzeit abgelaufen. Daraufhin pfeift der Schiedsrichter ab, obwohl sich eine gute Angriffssituation für Köln eröffnet. Regeltechnisch ist das okay, aber hier wäre es einfach besser gewesen, den Angriff trotz der abgelaufenen Zeit, die auch verlängert werden kann, weiterspielen zu lassen, um diesen aussichtsreichen Angriff noch zuzulassen. Abzupfeifen in dieser Szene ist eine unglückliche Situation, was aber womöglich daran liegen wird, dass der Schiedsrichter gedanklich abgeschlossen hatte, als der Bielefelder Spieler den Ball auf links spielt und der Schiri nicht mehr den Überblick hatte, dass nicht der Mitspieler des Bielefelders an den Ball kommt, sondern ein Kölner, der eben diesen sehr guten Gegenangriff einleiten könnte.

 

Szene 4: Bei einem Laufduell mit Leroy Kwadwo (1860) schubst Steffen Meuer (Aue) seinen Gegenspieler etwas zur Seite und verschafft sich dadurch einen Vorteil. Die Partie läuft weiter, aus dem Angriff fällt das 2:1. Schiedsrichter Eric Weisbach gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]

Babak Rafati: Beim Laufduell auf der rechten Außenbahn hat Meuer den Arm am Körper angelegt und rempelt Kwadwo von hinten in regelgerechter Form, sodass kein Foulspiel vorliegt. Fußball ist nun einmal ein Kontaktsport, und solange kein klar erkennbares Foulspiel vorliegt, sollte Körpereinsatz erlaubt sein. Hätte Meuer die Arme ausgestreckt und Kwadwo deutlich weggeschubst, würde ein Foulspiel vorliegen. In dieser Szene liegt allerdings eine richtige Entscheidung vor, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer anzuerkennen.

 

Szene 5: Joel Grodowski (Münster) geht im Strafraum gegen Fridolin Wagner (Mannheim) zu Fall, Schiedsrichter Christian Ballweg gibt Elfmeter für Münster. [TV-Bilder – ab Minute 2:25]

Babak Rafati: Grodowski dringt in den Strafraum ein, legt sich den Ball an Wagner vorbei und will an ihm vorbeilaufen. Allerdings nimmt Wagner das Bein heraus und bringt Grodowski über das ausgestreckte Bein zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und somit liegt eine richtige Entscheidung vor, auf Elfmeter zu entscheiden.

 

Szene 6: Oscar Schönfelder trifft zum 1:0 für Regensburg. Duisburg reklamiert Abseits, Schiedsrichter Nico Fuchs gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:45]

Babak Rafati: Ein Schuss geht auf das Duisburger Tor, und der Torwart kann den Ball nach vorne abwehren. Danach kommt Schönfelder an den Ball und trifft ins Tor. Beim ersten Torschuss eines Regensburgers steht der anschließende Torschütze Schönfelder nicht in Abseitsposition. Mindestens zwei Verteidiger stehen in unmittelbarer Nähe und sind neben dem Torhüter näher zur eigenen Torlinie. Das kann man gut von der Hintertorkamera erkennen. Erst nach dem Schuss kommt es zu Bewegungsabläufen, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, den Treffer anzuerkennen

 

Szene 7: Im Mittelfeld bekommt Rouwen Hennings (Sandhausen) den Ball möglicherweise an die Hand, das Spiel läuft weiter. Aus dem Angriff fällt das 1:0 für den SVS. Schiedsrichter Bastian Dankert gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]

Babak Rafati: Hennings geht zum Ball und nimmt das Spielgerät mit der Brust und der Schulter mit, sodass kein Handspiel vorliegt. Das Aufkommen des Balles auf dem Boden ist zudem ein Indiz dafür, dass der Ball nicht am Arm war, da der Ball sonst nicht abspringen, sondern einfach herunter fallen würde. Das liegt daran, dass beim Kontakt des Armes mit dem Ball die Spannung aus dem Arm heraus genommen wird und dadurch kein Druck mehr auf den Ball kommt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer anzuerkennen.

 

Szene 8: Bei einem Zweikampf im Strafraum mit Hendry Blank (Dortmund II) geht Kai Brünker (Saarbrücken) zu Boden, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Mario Hildenbrand nicht. [TV-Bilder – ab Minute 33:25]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf zwischen Blank und Brünker kann sich Blank nicht in Luft auflösen. Brünker läuft selbst in den Abwehrspieler hinein und kommt anschließend zu Fall, sodass kein Foulspiel vorliegt. Ein Verteidiger darf den Gegenspieler in dieser Spielweise "stellen", dabei liegt kein regelwidriger Einsatz vor. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 9: Nach einem Einwurf kommt Nicolas Sessa (Verl) im Strafraum gegen Maximilian Welzmüller (Haching) zu Fall, Schiedsrichterin Fabienne Michel lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:30:45]

Babak Rafati: Nach einem langen Einwurf will Sessa im Strafraum zum Ball, wird von Welzmüller verfolgt und kommt plötzlich zu Fall. Dabei ist kein Vergehen des Verteidigers erkennbar, sodass kein Foulspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und diese durch Gestik unmissverständlich zu signalisieren.

 

Weiterlesen: Wer bislang am häufigsten benachteiligt wurde

   

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