Woran Torsten Ziegner beim MSV Duisburg gescheitert ist
Nur einen Tag nach der 2:3-Niederlage gegen den SC Verl ist Torsten Ziegner beim MSV Duisburg am Samstagvormittag nach 16 Monaten im Amt entlassen worden. liga3-online.de analysiert, woran der 45-Jährige gescheitert ist.
Ernst der Lage verkannt
Nur fünf Siege aus 27 Liga-Spielen im Jahr 2023 und ein Punkteschnitt von lediglich 1,2 seit Amtsantritt im Mai 2022: Die Bilanz von Trainer Torsten Ziegner liest sich nicht wirklich positiv. Selbst seine beiden Vorgänger Hagen Schmidt (1,36) und Pavel Dotchev (1,38) konnten einen besseren Punkteschnitt vorweisen. Von allen Trainern der letzten 17 Jahre wies nur Gino Lettieri während seiner zweiten Amtszeit einen noch schlechteren Punkteschnitt auf (0,83). Und dennoch verkannte Ziegner den Ernst der Lage.
Davon, dass die Partie gegen den SC Verl eine "besonders wichtige" sei, wollte der 45-Jährige im Vorfeld – zumindest nach außen hin – nichts wissen. Dabei gingen die Zebras als Vorletzter in die Partie. Und als er vor der Länderspielpause nach der Niederlage in Regensburg danach gefragt wurde, ob er nun mit Gegenwind rechne, meinte der MSV-Coach: "Ich glaube nicht, dass es Gegenwind geben wird, woher eigentlich?" Dabei hatte sich in Fan-Kreisen zu diesem Zeitpunkt längst ein Sturm zusammengebraut, der sich am Freitagabend nach der Partie gegen Verl zu einem gewaltigen Orkan aus Pfiffen und "Ziegner raus"-Rufen entwickelte.
Kritik an Routiniers verpuffte
Dass es bei den Zebras schon vor der Länderspielpause nicht lief, machte Ziegner auch an den erfahrenen Spielern fest, die den jungen Akteuren keinen Halt gegeben hätten. Mit deutlichen Worten hatte er die Routiniers nach der Niederlage in Regensburg angezählt, was viele bereits als letzte Patrone werteten. Im Vorfeld des Spiels gegen Verl wollte der 45-Jährige davon aber nicht nichts mehr wissen, ruderte deutlich zurück und und meinte, dass "viel Quatsch geschrieben worden" sei. Ziegner sprach von einem "ganz normalen Prozess", dass man, wenn es nicht läuft, weniger auf die junge Generation draufhaut, sondern vielmehr die Erfahrenen mit ihrer Erwartungshaltung konfrontiert. Als Kritik hätten die Routiniers seine Worte aber nicht aufgefasst, sondern "wohlwollend" und "als Hilfestellung".
Dass Spieler öffentlich an ihnen geäußerte Kritik als Hilfestellung wahrnehmen, darf jedoch stark bezweifelt werden. Vielmehr machte es den Anschein, als wäre seine Kritik an den Routiniers verpufft, sodass er mit den Zurückrudern seine Position wieder stärken wollte. Ähnlich handhabte Ziegner es mit seinen Äußerungen nach der Partie gegen Ulm, als er einigen Spielern die Drittligatauglichkeit abgesprochen hatte. "Der eine oder andere muss gucken, ob er in der Lage ist, Woche für Woche auf einem Niveau zu spielen, mit dem wir in der 3. Liga erfolgreich sind." Am Freitagabend wollte er davon nichts mehr wissen.
Defensivschwächen nicht abgestellt
Elf Gegentore in sechs Spielen: Neben dem harmlosen Sturm ist auch die große Anfälligkeit in der Defensive einer der Schwachpunkte bei den Zebras. Immer wieder streute die Hintermannschaft haarsträubende individuelle Fehler ein, wie etwa beim Gegentreffer gegen Ulm oder beim Anschlusstreffer gegen Verl am Freitagabend. Auch von Einwürfen ließen sich die Meidericher schon mehrmals überrumpeln, bei Eckbällen zeigte sich der MSV ebenfalls oft anfällig. "Verraten Sie mir mal, wie man das trainieren soll", antwortete Ziegner bei der anschließenden Pressekonferenz auf eine Reporterfrage. In der Tat wäre es falsch, Ziegner die individuellen Fehler seiner Mannschaft anzulasten.
Was sich der 45-Jährige jedoch vorwerfen lassen muss, ist die Tatsache, kein Rezept für ein besseres Abwehrverhalten gefunden zu haben. Zumal sich die Schwächen in der Defensive wie ein roter Faden durch die letzten Monate ziehen. Während der Sommerpause sollte eigentlich daran gearbeitet werden, was aber offensichtlich nicht vollends gelang. Von Selbstkritik war bei Ziegner jedoch keine Spur – auch mit Blick auf die ständigen Wechsel in der Startelf. Gegen Verl etwa spielte Marvin Knoll erstmals in dieser Saison von Anfang an, nachdem es in den letzten beiden Partien nur zu Kurzeinsätzen gereicht hatte. Der Plan, den Defensivpatzern mit Umstellungen zu begegnen, ging nicht auf. Was kaum verwundert, lassen sich doch Laufwege und bestimmte Abläufe so nicht verfestigen.
Kaderplanung
Ziegner die alleinige Schuld an der Krise zuzuschreiben, wäre aber nicht fair. Denn auch Sportchef Ralf Heskamp hat bei der Kaderplanung Fehler gemacht. Statt die Mannschaft nach dem Abgang von Kapitän Moritz Stoppelkamp deutlich zu verjüngen und damit eine neue Hierarchie einzuleiten, setzte der MSV bei den Transfers vor allem auf erfahrene und namhafte Spieler wie Pascal Köpke und Alexander Esswein. Letzterer kam zudem erst Mitte August und damit deutlich zu spät, um schon zum Saisonstart eine echte Verstärkung sein zu können. Dass der 33-Jährige Zeit benötigen würde, dürfte Heskamp klar gewesen sein. Allein: Diese Zeit hat der MSV nicht.
Mit Robin Müller, Tim Köther und Santiago Castaneda wurden zwar auch drei Nachwuchsspieler verpflichtet, bei denen allerdings ebenfalls feststand, dass sie nicht sofort helfen würden. Unter dem Strich wurde der Kader nur auf dem Papier, nicht aber tatsächlich verstärkt. Deshalb steht auch Heskamp in der Kritik der Fans, nicht wenige fordern auch seine Freistellung. Sollte es dazu kommen, wäre es der komplette Neustart. Und das nach nur sechs Spieltagen.