Strittige Szenen bei BVB II gegen MSV: Die Analyse von Babak Rafati
Der nicht gegebene Elfmeter für Dortmund II und der Platzverweis gegen Duisburgs Mai. Bei der vorgezogenen Partie zwischen Borussia Dortmund II und dem MSV Duisburg am Mittwochabend hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zwei strittige Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 53-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.
Szene 1: Sebastian Mai (Duisburg) foult Paul-Philipp Besong (Dortmund II) auf der Strafraumlinie, Schiedsrichter Robert Kampka gibt aber nur Freistoß für den BVB. [TV-Bilder – ab Minute 17:30]
Babak Rafati: Nach einem langen Ball in die Spitze kommt es zu einem Zweikampf. Dabei dringt Besong mit dem Ball am Fuß in den Strafraum ein und will auf das Tor zulaufen. Gegenspieler Mai will ihm den Ball vom Fuß wegspitzeln, verfehlt jedoch das Spielgerät, trifft stattdessen Besong in die Füße und bringt ihn dadurch knapp innerhalb des Strafraumes zu Fall. Der Schiedsrichter entscheidet zwar richtigerweise auf Foulspiel, allerdings verortet er den Tatort außerhalb des Strafraums und verhängt lediglich einen Freistoß. Das ist eine Fehlentscheidung, denn es hätte einen Elfmeter geben müssen. Die gelbe Karte ist eine richtige Entscheidung, da ein weiterer Duisburger Spieler noch eingreifen kann, sowohl bei einer Elfmeter- als auch bei einer Freistoßentscheidung.
Der Grund für die Fehlentscheidung liegt im Stellungsspiel des Schiedsrichters. Er guckt von hinten auf das Geschehen und kann nicht einsehen, ob das Foulspiel vor oder wie in diesem Fall innerhalb des Strafraumes passiert. Wäre er nach dem langen Ball, anstatt langsam zu traben, schnell in die Spitze eingerückt, hätte er sich in eine bessere Position bringen und den Tatort besser einsehen können. Der Assistent wiederum kann ihm dabei deshalb nicht helfen, da ihm zwei weitere Spieler in unmittelbarer Nähe von Besong die Sicht versperren.
Szene 2: Justin Butler (Dortmund II) behindert MSV-Keeper Vincent Müller beim Abschlag, was Kampka jedoch nicht ahndet. Danach schubst Sebastian Mai (Duisburg) den Dortmunder weg und sieht Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:08:00]
Babak Rafati: Butler behindert Keeper Müller, der den Ball abgefangen hat und einen Angriff einleiten will, indem er sich dem Torwart in den Weg stellt und ihn dabei anrempelt. Butlers Aktion stoppt somit den Keeper im Spielaufbau. Daraufhin kommt Mai, schubst Butler in Selbstjustiz-Manier knapp außerhalb des Strafraumes zu Boden und sieht daraufhin die gelb-rote Karte. Das Spiel wird anschließend mit einem Freistoß für Dortmund wegen dieses Vergehens von Mai fortgesetzt. Das ist regeltechnisch eine richtige Entscheidung. Auch die gelbe Karte ist ausreichend.
Allerdings wäre es besser gewesen, die erste Aktion von Butler sofort zu unterbinden und einen Freistoß für Duisburg zu geben, damit die Folgeszene erst gar nicht zustande kommt, zumal der Schiedsrichter den gesamten Vorgang beobachtet, wie es in der Wiederholung zu sehen ist. Gerade die Nachspielzeit ist immer eine kritische Zeit, weil alle Beteiligten alles mobilisieren und großes Risiko eingehen, was oft zu unüberlegten Aktionen führt und die Emotionen hochkochen lässt.