Osnabrück droht der Fahrstuhl: Die VfL-Probleme in der 2. Liga

Zu groß für die 3. Liga, zu klein für die 2. Bundesliga? Eine ganze Reihe Mannschaften fand sich in den vergangenen Jahren in dieser Kategorie wieder. Der VfL Osnabrück ist einer davon: Er stieg im Sommer mit einem sensationellen Finale auf – und muss jetzt erstmal Trübsal blasen, denn der direkte Wiederabstieg droht. Was ist los an der Bremer Brücke? Eine Analyse.

Dürftige Bilanz

Die Tattoos bleiben für immer. "90+6" hat sich Tobias Schweinsteiger, Trainer des VfL Osnabrück, auf seinem Arm prägen lassen. Eine ewige Erinnerung an den 27. Mai 2023, als die Lila-Weißen Fußball-Geschichte schrieben: Der 2:1-Sieg über Borussia Dortmund II, als Osnabrück den Rückstand mit zwei Toren in der Nachspielzeit noch drehte, war der Höhepunkt einer nicht für möglich gehaltenen Positiventwicklung. Der Klub, der anfangs der Saison noch mächtig stolperte, flog plötzlich nur so durch die 3. Liga – und verabschiedete sich damals mit einer rauschenden, frühsommerlichen Partynacht aus unserem Wettbewerb.

Schweinsteiger ist nicht der erste und wird nicht der letzte Fußballlehrer sein, den die Realität nach dem größten Karrieretriumph rasant einholt. Die aktuelle Bilanz nach elf Zweitliga-Spieltagen ist mehr als dürftig: Sechs Punkte hat der VfL Osnabrück nur geholt, ein einziges Spiel lediglich gewonnen – dies ausgerechnet gegen den vermeintlich übermächtigen Hamburger SV. Es sollte bislang die einzige Sternstunde an der Bremer Brücke sein, die ihrem Mythos derzeit alles andere als gerecht wird. Kein anderer Zweitligist holt weniger Punkte in den eigenen vier Wänden, keiner kassiert dort mehr Tore. Beide Mitaufsteiger, die SV Elversberg und der SV Wehen Wiesbaden, gewannen ohne Gegentreffer. Beide haben den VfL derzeit um Längen distanziert, Elversberg ist zwölf Punkte voraus, Wiesbaden neun.

Während ihre Chancen auf den Klassenerhalt als hoch einzuschätzen sind, ist Osnabrück in arge Probleme geraten. Der Abstieg scheint derzeit deutlich wahrscheinlicher als der Ligaverbleib. Dass über Schweinsteiger selbst bislang trotz der veritablen Krise kaum gesprochen wird, kann als gutes Zeichen gewertet werden.

In fast allen Mannschaftsteilen fehlt Qualität

Die Wettbewerbsnachteile ziehen sich dabei durch fast alle Mannschaftsteile – einzig zwischen den Pfosten, wo sich Lennart Grill seinen Stand auch gegen Publikumsliebling Philipp Kühn erst erarbeiten musste, sind die Fronten nach mehrmalig herausragenden Leistungen erst einmal geklärt. Doch hatte der VfL um Sportdirektor Amir Shapourzadeh die eigene Qualität auf den Feldspieler-Positionen überschätzt? 27 Gegentore bedeuten die schwächste Abwehrreihe der 2. Liga, auch ein Produkt aus einigen schlimmen Niederlagen wie dem 0:7 in Hannover oder dem jüngsten 0:4 in Fürth. Dies mochten Ausrutscher gewesen sein. Doch auch im Durchschnitt der anderen Partien, man nehme etwa die Heimspiele gegen Wiesbaden oder das gegen Kaiserslautern (2:2), ist die Defensive viel zu durchlässig. In einer Viererkette, in der einzig Kapitän Timo Beermann zweitliga-erprobt ist, kann das nicht völlig überraschend kommen.

In Mittelfeld und Angriff fehlen Unterschiedsspieler des Vorjahres: Ba-Muaka Simakala ging (bislang erfolglos) zu Holstein Kiel, Sven Köhler (immerhin Stammspieler) zu Odense in die höchste dänische Liga. Ihre Nachfolgern haben die Zweitliga-Qualität noch nicht nachgewiesen: Flügelstürmer Noel Niemann fehlt die auf diesem Niveau benötigte Effizienz, Rückkehrer Kwasi Wriedt ist weit entfernt von der Form der Saison 2016/17, weitere Neuzugänge wie Charalambos Makridis, John Verhoek und Lars Kehl bringen auch kaum Impulse, wenn sie denn überhaupt spielen. Selbst ein "Königstransfer", den die Leihe von Michael Cuisance fraglos darstellte, verpuffte da eher – Cuisance fügt sich trotz schillernder Vergangenheit zwar gut ein, aber alleine hebt er den VfL nicht ins höhere Regal.

Knackiges Programm bis zum Winter

Die Statistiken runden ab, was schon die Tabelle angesichts von vier Punkten Rückstand auf den Relegationsrang zeichnet: 11,57 erwartete Tore sind mit großem Abstand (der Vorletzte Paderborn kommt auf 14,93 xG) der schlechteste Wert der Liga, bei den erwarteten Gegentoren (22,87) sind immerhin noch Rostock und die Bundesliga-Absteiger Hertha sowie Schalke schlechter drauf. Dieses Duo wartet übrigens im Hinrunden-Endspurt noch auf den VfL, genauso wie Spitzenreiter St. Pauli und – schon am kommenden Samstag – Verfolger Holstein Kiel. Ein knackiges Restprogramm für den strauchelnden Liganeuling also, für den am 11. November das wegweisende Kellerduell mit Schlusslicht Braunschweig ansteht. Ein willkommener Moment für eine Trendwende, denn noch sind schwächelnde Klubs wie Hansa Rostock in Sichtweite. Dem VfL Osnabrück scheint keine Wahl zu bleiben, sich über diese Duelle in die Liga zu hangeln – und dann im Winter den einen oder anderen Transfercoup zu landen.

   

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