Absturz mit Ansage: Eintracht Braunschweig am Boden

"Das zweite Jahr ist immer das schwerste." Was für eine herrlich abgenudelte Fußballerfloskel. Leider trifft sie immer noch verdächtig oft zu – in diesem Fall unter anderem auf Eintracht Braunschweig. Der Zweitligist ist auf direktem Weg zurück in die 3. Liga, schreibt sportlich wie außersportlich verheerende Schlagzeilen. 

Bislang chancenlos

Die Fans des BTSV nahmen das Derby bei Hannover 96 in der zweiten Halbzeit nur noch mit Galgenhumor. Ihre Eintracht lag mit 0:2 zurück, kassierte irgendwann dann noch eine gelb-rote Karte und war ja selbst in Gleichzahl der Inbegriff von Harmlosigkeit gewesen. Man mochte sich lieber nicht zu sehr ausmalen, was an einem guten Tag, unter anderem Umständen, mit einem besseren Kader gegen den zu keinem Zeitpunkt restlos überzeugenden Erzrivalen möglich gewesen wäre. Stattdessen montierten die weniger am Sport interessierten Fans eine Sitzreihe nach der anderen ab, vielleicht war das eine Retourkutsche dafür, dass sich Hannoveraner jüngst mit ferngezündeten Rauchbomben einen Scherz erlaubt hatten. Wie auch immer: Der BTSV-Anhang randalierte, er zerstörte – und fügte sich damit nahtlos in das ein, was an den ersten zwölf Spieltagen (und in der Sommerpause zuvor) sportlich passiert ist: ein Desaster.

Denn nicht zu leugnen ist: Die 3. Liga umklammert die Blau-Gelben schon jetzt fest, die Einladung für die nächste Austragung 2024/25 liegt an der Hamburger Straße im Briefkasten und könnte fast schon vorzeitig unterschrieben werden. Braunschweig ist bislang chancenlos, in Hannover war das sogar wortwörtlich so, als die Statistiker genau 0,0 erwartete Tore zählten. Ein Offenbarungseid, die fünfte Pleite in Folge, die zweite unter Interimscoach Marc Pfitzner, der den völlig überforderten Jens Härtel nach dem 10. Spieltag abgelöst hatte. Ihn zu verpflichten und den gut zum BTSV passenden Michael Schiele ohne Not im Juni zu feuern – eine vielleicht fatale Fehlentscheidung. Schieles Klassenerhalt mit den vorhandenen Möglichkeiten, so holprig er auch gelang, dürfte erst jetzt gehörig an Wert gewonnen haben.

Vollmann raus, Kessel rückt in den Vordergrund

Sport-Geschäftsführer Peter Vollmann sah dies anders und schaufelte damit Wasser auf die Mühlen seiner vielen Kritiker. Ein Grund, warum er am Montag entlassen wurde. Sportdirektor Benjamin Kessel, installiert im Mai 2023, soll als immer stärkere Figur künftig das Ruder übernehmen. Im Sommer gab das Duo auf dem Transfermarkt keine gute Figur ab: Vorjahres-Glücksgriff Immanuel Pherai spülte per Ausstiegsklausel zumindest ein bisschen Geld ein, aber wurde nicht annähernd ersetzt. Florian Krüger, Thorir Helgason, Rayan Philippe, Youssef Amyn: Keiner wirklichen Strategie folgend griff Braunschweig in alle Regale, erwischte dabei aber viel zu wenig nachgewiesene Qualitätsware.

Spannend, dass die wacklige Defensive – die dennoch hinter dem mauen Angriff nur das zweitgrößte Übel ist – kürzlich noch mit Rückkehrer "Eisen-Ermin" Bikakcic verstärkt wurde. Wie schon 2022 versprechen erst die ganz späten Transfers etwas Hoffnung, die aber angesichts einer nicht-existenten spielerischen Idee erst einmal gering bleibt. Zwar ist das Verletzungspech deutlich kleiner als noch im Vorjahr, doch ein entscheidender Faktor ist per Schultereckgelenkssprengung bis Jahresende außer Gefecht gesetzt: Seit Anthony Ujah (drei Tore, eine Vorlage) spielunfähig auf die Tribüne verbannt wurde, holte Eintracht Braunschweig keinen einzigen Punkt mehr.

Schernings Zweitliga-Bilanz ist keine gute

Nun geht der Blick nach vorne – wenn auch in dichten, schwer durchdringbaren Nebel. Immerhin ist die Eintracht bei der Trainersuche zum Abschluss gekommen. Daniel Scherning wird sich der Herkulesaufgabe ab sofort stellen. Zweitliga-erfahren ist der 40-Jährige, zuletzt war er bis März 2023 bei Arminia Bielefeld tätig – bis er dort nach einer verspielten 3:0-Führung in Braunschweig vor die Tür gesetzt wurde. Böse Zungen werden behaupten: Scherning schaffte in Bielefeld mit einer viel besser besetzen Mannschaft aus längst nicht so kritischer Ausgangslage nicht den Turnaround – warum gelingt ihm dies nun bei der Eintracht? Und was noch viel wichtiger ist: Gibt es mit ihm einen langfristigen Plan, der das wahrscheinliche Abstiegsszenario inkludiert? Während 2021/22 der direkte Wiederaufstieg gelang, ging es 2018/19 ja beinahe auf direktem Wege in die Regionalliga. Und dabei wollte der BTSV sich doch eigentlich wieder in der Zweitklassigkeit etablieren…

Acht Punkte beträgt der Rückstand auf Platz 15, sieben der auf den Relegationsrang. Da macht es wenig Freude, sich die Tabelle schönzurechnen. Am Samstag wartet der zweite niedersächsische Patient, Aufsteiger VfL Osnabrück – als Vorletzter ebenfalls ziemlich abgeschlagen. Beim Scherning-Debüt trifft dieser auch noch einen weiteren früheren Arbeitgeber, und in Tobias Schweinsteiger auch seinen direkten Nachfolger bei den Lila-Weißen. Selbst ein Punkt wäre für die Hausherren fast wertlos. Soll bei desillusionierten Fans der Funke wieder überspringen, müssen überzeugend drei Punkte geholt werden. Auch wenn derzeit auf den Tribünen niemand weiß, wie das gelingen soll.

   

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