Stamm im Interview: "Es hakt an Effizienz und Genauigkeit"

Im Interview mit liga3-online.de spricht Freiburgs U23-Trainer Thomas Stamm über die bisher schwierige Saison der Breisgauer und den letzten Tabellenplatz, den Vergleich zur Vorsaison, sein Verhältnis zu Christian Streich und die besondere Vereinsphilosophie des SC Freiburg.

"Eine Frage der Zeit, bis der Knoten platzt"

liga3-online.de: Letzte Saison schrammte Ihr Team knapp an der Meisterschaft vorbei, aktuell steht der SC Freiburg II am Tabellenende. Wie ist das zu erklären, Herr Stamm?

Thomas Stamm: Wir haben einen Kader mit 20 neuen Spielern, mehrheitlich ohne Drittliga-Erfahrung. Letzteres ist der Unterschied zu Teams wie beispielsweise dem SV Sandhausen, die auch einen großen Umbruch vollzogen haben. Diese Saison ist vergleichbar mit unserem ersten Drittliga-Jahr 2021/22. Aufgrund einer besseren Effizienz hatten wir damals aber mehr Punkte geholt.

Den letzten Sieg gab es vor einem Monat bei Aufsteiger VfB Lübeck, insgesamt stehen acht Punkte zu Buche. Wie geht Ihr junges Team mit der sportlichen Lage um?

Tatsächlich genauso wie in der Vorsaison. Auch in der letzten Spielzeit haben wir nie auf die Tabelle geschaut und uns an der Entwicklung der Spieler und Inhalten orientiert. Damit fahren wir gut. Dennoch geht es natürlich auch darum, Erfolgserlebnisse zu generieren. Letzte Saison haben wir die Früchte aus der Vorsaison geerntet. Meiner Meinung nach war das erste Jahr viel wichtiger als das sportlich erfolgreichere zweite Jahr. Die Jungs haben gelernt, Widerstände zu überwinden. In diesem Prozess sind wir auch jetzt wieder. Es gab bisher zu wenige Spiele, die wir so gestalten konnten, dass ein Sieg drin gewesen wäre. Wir sind noch zu instabil und arbeiten intensiv daran, das zu ändern.

Das 1:0 in Lübeck mal ausgeschlossen, schoss Ihre Mannschaft seit Ende September kein Tor. Ist das eines der Hauptprobleme – und was sind die Gründe dafür?

Das ist sicher so. Aber festmachen lässt sich das Problem nicht bloß an unseren Stürmern. Die Offensivarbeit beginnt bereits in der Abwehr. Je besser unsere Spielaufbauphase ist, desto mehr Chancen können wir kreieren. Und es ist ja nicht so, dass wir keine Chancen haben. Wir haben oft genügend Möglichkeiten. Es hakt – wie schon angesprochen – an der Effizienz und an der Genauigkeit.

Generell verfolgen U23-Mannschaften andere Ziele als Profiteams. Es geht primär um die Weiterentwicklung und die Vorbereitung auf die erste Mannschaft. Mal weg von der Punkteausbeute und der Roten Laterne: Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung Ihrer Spieler?

Grundsätzlich würden wir uns alle wünschen, schon ein Stück weiter zu sein. Sowohl bei der Gesamtentwicklung als auch bei der individuellen Entwicklung der Spieler. Wir wären gerne mehr angekommen in der 3. Liga. Aber wir sind auf dem richtigen Weg. Beim jüngsten 0:2 bei Dynamo Dresden haben wir eine Leistung gezeigt, die in eine Richtung geht, die wir uns vorstellen.

Es sollen nicht nur bessere Leistungen, sondern auch wieder mehr Punkte her. Wie soll das gelingen?

Wir wollen in allen Spielphasen besser werden und unsere Offensivspieler wieder besser in Position bringen. Dann ist es eine Frage der Zeit, bis der Knoten platzt. Wie gesagt: Das Spiel in Dresden hat uns trotz der Niederlage allen ein gutes Gefühl gegeben.

Wie schaffen Sie es, die Mannschaft trotz der vielen Negativerlebnisse “bei Laune" zu halten?

Ich muss niemanden bei Laune halten, weil die Jungs die Situation gut einordnen können. Generell finde ich es sinnvoll, sich eher kurzfristige als langfristige Ziele zu setzen. Das gibt dir ständig ein gutes Gefühl, wenn du sie nach und nach erreichst. Hinzu kommt: Wenn man ein tabellarisches Ziel zu sehr im Fokus hat, kann das dazu führen, dass man überheblich wird und gesättigt wirkt. Ist das tabellarische Ziel dagegen weit entfernt, kann das die Leistung hemmen. Daher sollte man sich unbedingt davon lösen, immer nur langfristige Ziele zu verfolgen. Ich bin dazu im Austausch mit den Spielern, um kurzfristige Entwicklungsziele gemeinsam zu definieren.

 

Münster? "Auf keinen Fall einfacher als Dresden"

Am Wochenende ist Preußen Münster zu Gast. Was erwarten Sie für eine Partie?

Eine sehr ausgeglichene – so wie jeden Spieltag in der engen 3. Liga. Wir sollten uns bewusst sein, dass es auf keinen Fall einfacher wird als in Dresden. Münster hat eine Mannschaft mit klarer Struktur, guter Intensität und Kompaktheit. Wenn wir an das Spiel in Dresden anknüpfen und vorne effizienter werden, können wir ein Spiel auf Augenhöhe liefern und punkten.

Als Trainer waren Sie bisher ausschließlich im Nachwuchsbereich tätig. Was reizt Sie so daran – und bleibt das so?

Ich sehe meine Stärken mitunter im Bereich der Entwicklung. Dennoch will ich nicht ausschließen, irgendwann auch Herrenmannschaften zu coachen. Wenn eine passende Anfrage kommt, beschäftige ich mich damit. Es ist aber so, dass ich mich in Freiburg sehr wohl fühle. Seit mehr als acht Jahren habe ich in diesem fantastischen Umfeld die Möglichkeit, mich stetig weiterzuentwickeln. Solange das so bleibt, verspüre ich keinerlei Druck, etwas an der Situation zu ändern. Wie sagte Norbert Elgert (Anm. d. Red.: langjähriger Nachwuchstrainer mit mehreren Titeln bei Schalke 04) einst: Man spürt, wenn der Moment kommt, den Nachwuchsbereich als Trainer zu verlassen. Und wenn er nicht kommt, ist das auch in Ordnung.

Die erste Mannschaft des SC Freiburg trainiert seit 2012 Christian Streich, schon seit 1995 ist er im Verein. Was für ein Verhältnis pflegen Sie zu ihm?

Wir tauschen uns immer wieder zu unseren Teams und einzelnen Spielern aus, haben uns mit den Jahren schätzen gelernt. Ich habe größten Respekt vor Christian und seinem Trainerteam, was sie die letzten Jahre geleistet haben.

Mit den langen Amtszeiten der Trainer unterscheidet sich der SC Freiburg von vielen anderen Profiklubs. Ist auch die Vereinsphilosophie ein Grund dafür, dass Sie sich so wohlfühlen?

Absolut. Das Arbeitssetting ist in Freiburg außergewöhnlich. Und das macht es interessant, lange im Verein zu bleiben. Christian Streich war zunächst 15 Jahre U19-Trainer, bevor er den Sprung zu den Profis gewagt hat. Das zeigt, dass es nicht immer der steile und schnelle Weg direkt ins Profigeschäft sein muss. Es macht extrem Spaß beim SC Freiburg, weshalb man sich zweimal überlegt, ob ein Tapetenwechsel der richtige nächste Schritt ist. Für mich profitieren Klubs mit einer solchen Philosophie mittelfristig ganz klar mehr als Vereine, die immer wieder überstürzt den Trainer austauschen. Gewisse Dinge brauchen einfach Zeit. Auch in der privaten Wirtschaft werden Dinge nicht über Nacht geboren. Es braucht – wie so oft im Leben – Geduld und Beharrlichkeit.

   

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