Mit Spielwitz und Leidenschaft: Preußen Münster beißt sich fest
Beim 3:1-Sieg gegen Überraschungsteam Verl zeigt Preußen Münster eine rundum gelungene Leistung und krönt damit vorläufig eine beachtliche Phase von fünf ungeschlagenen Spielen. Warum Trainer Hildmann spontan tanzte – und nicht Einzelspieler, sondern die Mannschaft der Gewinner ist.
Enorme Last fiel ab
Spontan ließ sich Trainer Sascha Hildmann zu einem ausgedehnten Freudentanz an der Seitenlinie hinreißen. Wo sich die einst grüne Rasenfarbe nach stundenlangem Dauerregen in ein matschiges Braun verwandelt hatte, lief und hüpfte der 51-Jährige mit geballten Fäusten vor der Haupttribüne hin und her, gab seinem Co-Trainer noch ein satten Klaps auf den Rücken und herzte auch alle Spieler, die in seine Nähe kamen. Nicht nur von ihm, sondern vom ganzen Verein fiel enorme Last ab. Dabei war der tabellarische Drang nicht einmal sonderlich groß gewesen, das sichere Mittelfeld ist den Adlerträgern ja seit vielen Wochen gewiss. Doch eine Leistung wie die, die der SCP gegen den aufstrebenden SC Verl beim hochverdienten 3:1-Erfolg am Sonntagabend gezeigt hatte – das machte richtig Freude. An ein Wiederabstiegsszenario braucht bei elf Punkten Vorsprung auf den 17. Platz zunächst keiner zu denken.
War es nicht irgendwie "typisch Preußen" für diese Spielzeit? Eine Woche zuvor führte eine der schwächsten Saisonleistungen zu einem 0:0 beim 1. FC Saarbrücken, ein äußerst schmeichelhaftes Ergebnis. So ähnlich hatte es der SCP, der sein Potenzial schlicht noch nicht völlig konstant abrufen kann, bereits zwei Monate zuvor mit einem ähnlichen Spiel in Duisburg (0:0) erlebt. Damals kam in der unmittelbaren Folge eine spielstarke Mannschaft – Erzgebirge Aue – ins Preußenstadion und wurde mit 4:0 nach Hause geschickt. Und auch der Verler Sportclub fand mit seiner herausragenden Spielanlage nicht mehr als anerkennendes Nicken der Heimfans: Die 38-Tore-Offensive brachte in der Münsteraner Hälfte 70 Minuten lang so gut wie gar nichts zustande, der zwischenzeitliche 1:1-Ausgleich fiel aus dem Nichts, statt Kombinationen waren es vorrangig Abschlüsse aus zweiter Reihe und Standards, die gefährlich wurden. Die Preußen verteidigten es mit klugem Stellungsspiel beachtlich – keine Selbstverständlichkeit in dieser Saison.
Hildmann: "Bin sehr, sehr stolz"
"Wir haben ein geiles Spiel gemacht", sagte Hildmann ganz salopp. "Ich bin sehr, sehr stolz darauf, was die Truppe geleistet hat." Hervor stach einmal mehr Malik Batmaz mit seinen Saisontoren 10 und 11, nachdem er in der ersten Halbzeit sogar noch einen Hochkaräter liegengelassen hatte. Gemünzt auf die Einsatzzeit in dieser Saison knipst kein Torjäger der 3. Liga häufiger als Batmaz, der alle 102 Minuten das Netz zappeln lässt, stets mindestens doppelt trifft und neunmal im Preußenstadion jubelte. Die Lebensversicherung des SCP? Nicht allein, denn auch Sturmpartner Joel Grodowski – im Sommer erst aus Verl gekommen – zeigte mit einem unnachahmlichen Sololauf zum 3:1 kurz vor Schlusspfiff seine Stärken. Wo auch immer der 26-Jährige nach etlichen Sprints auf tiefem Boden diese Reserven fand, es zahlte sich aus. Und vielsagend war auch der Jubel: Erst die entschuldigende Geste in Richtung seines Ex-Klubs, dann der Fingerzeig auf den Preußen-Adler auf seinem Trikot – Grodowski ist auf gutem Weg, zu einer Identifikationsfigur zu werden.
Harmonisch und ausgeglichen: Trainer Hildmann und Sportchef Peter Niemeyer können sich auf die Schultern klopfen, haben sie die Münsteraner im Sommer doch an den richtigen Stellen verstärkt. Das Wagnis, die Innenverteidigung fast baugleich zu lassen und die vorhandenen Mittel etwa in die Offensive zu stecken, die im Aufstiegsjahr schon herausragende Quoten erzielte – bislang zahlt es sich aus. Der Kader wirkt homogen und pflegeleicht, durch Verletzungspausen und Sperren rotiert nahezu jeder Akteur immer mal wieder ins Team, mindestens als Joker. So wird es auch beim kommenden Aufsteiger-Duell in Unterhaching sein, wo mit Rico Preißinger und Luca Bazzoli zwei Transfer-Treffer im zentralen Mittelfeld gleichzeitig gelb-gesperrt ausfallen. Der variable Sebastian Mrowca, zuletzt aushilfsweise in der Dreierkette, steht nun parat, eine Reihe nach vorn zu rücken. Und die absehbare Rückkehr der Langzeitverletzten Dennis Grote und Dominik Schad wird die Personallage im neuen Jahr weiter entspannen.
Zuschauer-"Minuswert" nur ein Randaspekt
Getrübt wurde die exzellente Laune am Sonntagabend auch nicht vom Zuschauer-"Minuswert": 7.595 Zuschauer hatten sich das westfälische Duell angeschaut, doch wer darüber jammert, tut dies im Ligavergleich auf hohem Niveau. Dazu kommt: Sicherlich die Hälfte davon ließ sich bis auf die Knochen nassregnen – die Sehnsucht auf das planmäßig bis 2027 runderneuerte Preußenstadion wächst und wächst. Sascha Hildmann nahm es mit Humor: "Der Münsteraner macht bei Regen zwei Dinge: Fahrradfahren und ins Stadion kommen", sagte der 51-Jährige. Er kann sich gewiss sein, dass die folgenden zwei Heimspiele vor ausverkauftem Haus stattfinden: Anfang 2024 warten mit Arminia Bielefeld und Rot-Weiss Essen gleich zwei langjährige Rivalen, mit beiden hat Preußen Münster noch eine Rechnung aus dem Hinspiel offen. Zeigt der SCP dort weitere Willensleistungen wie gegen Verl, könnten weitere Feiertage anstehen.