Flüthmann: "Haben mehr als solide Argumente in petto"
Tausche Schreibtisch gegen Trainerbank: Wer mit Christian Flüthmann spricht, bekommt zuweilen den Eindruck, dass er das Geschehen bei Rot-Weiss Essen immer noch aus Coach-Perspektive sieht. Als Sportdirektor spricht er im Interview mit liga3-online.de über Winter-Transfers und dessen gegensätzliche Effekte sowie den Rückrundenstart in Aue.
Winter-Transfers? "Können auch gegensätzlichen Effekt haben"
liga3-online.de: Für einen Sportdirektor gleicht die Winterpause oft einem Telefon-Marathon. Erst recht, wenn dessen Klub überraschend oben mitmischt. Was sagt Ihre Screen-Time, Herr Flüthmann?
Christian Flüthmann: Die Statistik sagt: noch alles in Maßen. Das liegt auch daran, dass wir schon zum Ende der Hinrunde kommuniziert haben, wie unsere Planungen in Richtung Winterpause aussehen. Dabei bleibt es – auch nach den Rückschlägen von Ekin Celebi (Schulter-Operation, d. Red.) und Sandro Plechaty (Innenbandriss, d. Red.).
Ist Ihnen – trotz kategorischer Absagen an Winter-Transfers – mal ein Spieler angeboten worden, wo Sie zumindest ins Grübeln gekommen sind?
Tatsächlich gab es solche Momente, ja. Unser Abschneiden hat die eine oder andere Tür aufgehen lassen, die im Sommer-Transferfenster wohl noch verschlossen gewesen wäre. Wir freuen uns, dass unsere Leistung so positiv wahrgenommen wird.
Wäre das finanzielle Wagnis im Fall der Fälle zu groß gewesen?
Finanzielle Aspekte mal ausgeklammert, wägen wir auch immer intensiv ab, ob ein potenzieller Zugang und dessen Stärken uns für eine Halbserie so viel weiterbringen würde als die Homogenität, wie sie der aktuelle Kader bietet. Ich musste schon die Erfahrung machen, dass ein Winter-Transfer eher den gegensätzlichen Effekt erzielt hat.
Umgekehrt wecken auch Ihre Spieler im Winter Begehrlichkeiten: Können Sie einen Verbleib von Abwehrchef Felix Götze garantieren? Wie sieht es über den Sommer hinaus aus?
Für die Rückrunde kann ich die Fans beruhigen: Felix wird uns nicht schlagartig verlassen. In Kürze steigen wir dann auch in die geplanten Gespräche mit ihm und seinem Berater ein, um ihn von der langfristigen Perspektive hier zu überzeugen.
"Eine Bestätigung, was möglich ist"
Insgesamt laufen 15 (!) Spieler-Verträge aus, dazu noch der von Trainer Christoph Dabrowski. Was hat Priorität?
In der Theorie willst du in der Trainer-Frage früh Klarheit schaffen, damit er mit uns zusammen dann die Spieler überzeugen kann. Im heutigen Fußball läuft mehr parallel, Gespräche mit Spielern und Trainern überschneiden sich. Allgemein bin ich optimistisch, dass wir mehr als solide Argumente in petto haben, um Spieler von unserem Weg zu überzeugen.
Vor nicht mal einem Jahr wären die Fans bei einer möglichen Vertragsverlängerung des Trainers noch Sturm gelaufen!
Ehrlich gesagt habe ich mich damals gefragt: Was gibt es zu meckern, wenn alle Ziele erreicht wurden? Christoph Dabrowski musste gegen allerlei Widerstände ankämpfen. Wo andere in der Rückrunde vielleicht die Nerven verloren hätten, war seine Ruhe ein Faktor für den Klassenerhalt. Und was ich vielleicht am meisten an unserem Coach schätze: die enorm selbst reflektierende Art.
Sie waren bis 2019 selbst als Trainer (u.a. Eintracht Braunschweig) aktiv, kennen die Schattenseite des Geschäfts. Geht ein Coach daraus gestärkt hervor?
Da bin ich sicher. Die jetzige Entwicklung ist für uns alle eine Bestätigung, was möglich ist, wenn Klub und Trainer an einem Strang ziehen. Wir wollten im April keinen Trainerwechsel, nur um das Umfeld zufrieden zu stellen. Durch meine eigene Vergangenheit als Coach konnte ich mich entsprechend gut, in die Rolle von Christoph Dabrowski hineinversetzen.
Die Vorbereitung war kurz, aber im Hinblick auf die Testspiele (4:4 gegen den 1. FC Köln, 5:3 gegen den FSV Zwickau) recht erfolgreich. Welche Learnings nehmen Sie mit in die Rückrunde?
Dass wir den Fokus, wie wir es in der Hinrunde über einen langen Zeitraum geschafft haben, auf defensive Kompaktheit legen müssen. Da waren einige zu einfache Gegentore dabei, wobei die ersten 60 Minuten aus dem Köln-Test (Spielzeit zweimal 60 Minuten, d. Red) natürlich positiv herausstechen. Da haben wir einem Bundesligisten schon auf den Zahn gefühlt.
Der Auftakt ins neue Jahr führt Essen ins Erzgebirge. Welche Erinnerungen haben Sie an das Hinspiel gegen Aue (1:1)?
Mit dem Ball hatten wir einige dominante Phasen, insgesamt ging das Remis aber in Ordnung. Das Rückspiel in Aue zu dieser Jahreszeit gehört sicherlich zu den eher schwierigeren Aufgaben. Doch wir hatten auch gegen Köln nicht die besten Platzverhältnisse und konnten trotzdem unsere Spielidee umsetzen sowie Lösungen finden.